--><font size="5">US-Notenbank löst Renten-Crash aus</font>
Anleihe-Investoren sind enttäuscht
über kleine Zinssenkung (so ein Quatsch)
von Anja Struve und Holger Zschäpitz
Berlin/Frankfurt a.M. - Normalerweise verstehen es die US-Notenbanker, die Börsen virtuos zu dirigieren. Doch dieses Mal sind die Märkte aus dem Takt gekommen. Zwar legten Aktien einen Tag nach der Entscheidung der Fed, die Zinsen um 25 Basispunkte zu senken, leicht zu. Doch dafür erlebte der Rentemarkt einen Mini-Crash. Die Kurse stürzten in die Tiefe und spiegelbildlich dazu schnellten die Renditen für die Staatstitel in die Höhe. In Deutschland brach der Kurs der zehnjährigen Bundesanleihen in der Spitze um 1,3 Prozent ein. Damit verlor das Rentenpapier an einem Tag mehr als ein Drittel einer kompletten Jahresrendite. Eine solche Panik hatte es zuletzt während des Rentenmarktcrashs im Oktober 1998 gegeben.
Die Reaktion der Märkte zeigt, wie angespannt die Nerven der Händler mittlerweile sind. Insbesondere am Rentenmarkt waren die Kurse nach Ansicht vieler Experten schon seit längerem heiß gelaufen. Doch dem amerikanischen Notenbankpräsidenten Alan Greenspan war bisher jedes Mal das Kunststück gelungen, dank seiner geschickten Formulierung nicht nur die Aktienanleger mit Konjunkturhoffungen bei Laune zu halten, sondern auch die Renteninvestoren zu hätscheln. Denn neben positiven Wirtschaftskommentaren betonte Greenspan in den vergangenen Monaten auch stets die Gefahr weiter fallender Inflationsraten und schürte damit die Furcht vor einer gefährlichen Preisspirale nach unten.
Diese Deflationssorgen hielten die Renditen am Rentenmarkt in Schach und die Kurse hoch. Wie schon bei der vorangegangenen Zinssitzung im Mai warnte der oberste Währungshüter zwar auch diesmal vor einem"unwillkommenen Rückgang bei der Inflation", doch einen zentralen Satz ließ der Magier der Märkte diesmal aus: Dass er im Zweifel auch unkonventionelle Maßnahmen ergreifen werde, um eine Deflation zu vermeiden."Die Tatsache, dass die Fed die Deflationsgefahr nicht so stark betont hat wie beim letzten Mal, hat die Investoren am Rentenmarkt sehr enttäuscht", sagt Neil Cooper, Bondanalyst von Crédit Suisse First Boston in London.
Dabei kann ein derartiger Einbruch am Rentenmarkt Greenspan nicht gelegen sein. Schließlich sind für die weitere Entwicklung der US-Konjunktur nicht so sehr die Leitzinsen, sondern vielmehr die langjährigen Renditen am Rentenmarkt entscheidend. Diese geben vor, zu welchen Kosten sich die privaten Haushalte und Unternehmen verschulden können. Wenn diese Kosten steigen, weil die Rendite anzieht, könnte die Konjunktur gebremst werden, bevor der Aufschwung richtig in Fahrt gekommen ist.
Deshalb ist auch die Freude am Aktienmarkt nicht ungetrübt. Viele Aktionäre erhoffen sich zwar, dass die während des Bärenmarktes in den Rentenmarkt geflossenen Gelder wieder in die Aktien zurückschwappen. Doch bereits 1994 und 1998 breiteten sich die Schockwellen am Rentenmarkt auch auf die Aktienbörsen aus, weil die Investoren in Panik ihr Geld aus beiden Assetklassen abzogen.
Damit der Mini-Crash nicht zu einer veritablen Krise wird, setzen viele wiederum auf Greenspan. Der Notenbankchef war bereits während der neunziger Jahre den Märkten in Krisenphasen stets beigesprungen. Schon Mitte Juli hat der Währungshüter Gelegenheit, in seiner Rede vor dem US-Kongress die Rentenmärkte wieder zu beruhigen. Und sollte dies nicht reichen, stehen ihm als Ultima Ratio auch noch weitere Zinssenkungen zur Verfügung, wenngleich mit jedem weiteren Zinsschritt der Fed die Munition zusehends ausgeht.
Daher üben einige Experten auch schon Kritik an der Mini-Zinssenkung:"Der halbherzige Schritt der Fed dürfte sich als ungenügend erweisen", sagt Ã-konom Jan Hatzius von der US-Investmentbank Goldman Sachs in New York."Die Fed dürfte die Zinsen daher bis zum Ende des dritten Quartals noch einmal senken."
Für Anleger beginnt eine neue Zeitrechnung
Bei aller Diskussion über die Auswirkungen des Trippelschrittes der US-Notenbank besteht an den Märkten weitgehender Grundkonsens darüber, dass das Ende des US-Zinssenkungszyklus erreicht ist oder höchstens noch eine monetäre Lockerung ansteht. Andererseits ist für die Experten aber auch klar, dass eine Zinserhöhung frühestens in zwölf Monaten kommen wird. Zu schwach sind immer noch die Wirtschaftsdaten etwa vom Arbeitsmarkt oder der Industrie. Für Anleger beginnt damit eine neue Zeitrechnung. Nach 13 Zinssenkungen müssen sie künftig wohl auf weitere massive monetäre Unterstützung verzichten. Die Situation erinnert an die letzte große Rezession.
Im September 1992 reduzierte die Fed das letzte Mal die Leitsätze und hielt diese bis zum Februar 1994 stabil bei drei Prozent. Nutznießer dieser langen Niedrigzinsphase waren vor allem zyklische Titel wie Industriewerte, Tech-Aktien und Finanzpapiere. Der S&P-Branchenindex Technologie legte zwischen September 1992 und Februar 1994 um insgesamt fast zehn Prozent zu. Auf der Verliererseite befanden sich in diesem Zeitraum defensive Werte, etwa Versorger oder Pharmaaktien. Das Bild änderte sich schlagartig im darauf folgenden Zinserhöhungszyklus zwischen Februar 1994 und Februar 1995. Hier schnitten defensive Werte besser ab.
Ein ähnliches Bild war auch in Deutschland zu beobachten. Zwischen September 1992 und Februar 1994 gewannen Versicherungstitel, Industriewerte und Autoaktien am stärksten. Der CDax-Versicherungen kletterte im Niedrigzinsumfeld um immerhin fast 70 Prozent.
<ul> ~ Original hier</ul>
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