-->Sehr geehrter Herr Kunkel,
für Ihr Schreiben vom 4.7.2003 danke ich Ihnen.
Die an das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung
gerichteten Einzelfragen, aber auch allgemeine Stellungnahmen werden
sorgfältig gelesen und ausgewertet. Sie tragen dazu bei, Probleme zu
erkennen und fließen, soweit sie verwertbare Hinweise für die weitere
Entwicklung des Krankenversicherungsrechts enthalten, in die Gesetzgebung
ein. Der Gedankenaustausch mit Bürgern dient dazu, Probleme zu benennen und
Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen sowie die Diskussion darüber zu vertiefen.
Vielen Dank für Ihre Anregungen.
Für eine Reihe von Arzneimitteln gibt es Festbeträge. Die Gesetzliche
Krankenversicherung übernimmt Kosten für verordnete Arzneimittel
grundsätzlich nur bis zu dem Festbetrag für das jeweilige Arzneimittel.
Die Festbeträge werden so bestimmt, dass eine wirtschaftliche Arzneitherapie
bei gesicherter medizinischer Versorgungsqualität möglich ist. Die
gesetzlichen Vorgaben sehen vor, dass in der Regel zum Festbetrag eine
ausreichende Auswahl von vergleichbaren Arzneimitteln zur Verfügung stehen
muss. Der Arzt kann regelmäßig zwischen therapeutisch gleichwertigen und
qualitativ hochwertigen Arzneimitteln auswählen. Verordnet der Arzt dem
Patienten dennoch ein Arzneimittel, dessen Preis über dem Festbetrag liegt,
so muss der Versicherte den Differenzbetrag zusätzlich zur gesetzlichen
Zuzahlung entrichten; dies gilt auch für Versicherte, die von der Zuzahlung
befreit sind. Der Arzt ist verpflichtet, den Versicherten in diesem Fall auf
seine Verpflichtung zur Leistung einer Differenzzahlung hinzuweisen.
Zusätzlich zur Festbetragregelung gilt seit dem 28. Februar 2002 die neu
gefasste aut-idem-Regelung. Hierdurch ist der Apotheker verpflichtet worden,
an Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung anstelle des auf
Kassenrezept verordneten Präparats ein anderes, wirkstoffgleiches
Arzneimittel mit gleicher Wirkstärke, Packungsgröße und in vergleichbarer
Darreichungsform aus dem unteren Preisdrittel abzugeben, soweit der Arzt
nicht bereits selbst im unteren Preisdrittel verordnet hat. Diese Regelung
gilt für wirkstoffgleiche Arzneimittel, für die gleichzeitig auch
Festbeträge bestimmt worden sind. Die neue aut-idem-Regelung wird in der
Regel dazu führen, dass ein Arzneimittel mit einem Preis unterhalb des
Festbetrags abgegeben wird. Die Festbetragsregelung wird hierdurch aber
nicht überflüssig. Zum einen kann der Arzt in begründeten Fällen dem
Apotheker die Ersetzung des verordneten Präparats durch ein anderes,
wirkstoffgleiches aber preisgünstigeres Arzneimittels untersagen. In diesem
Falle wird die Kostenübernahme weiterhin durch den Festbetrag begrenzt. Zum
anderen gilt die Festbetragsregelung auch für Arzneimittel die nicht der
aut-idem-Regelung unterliegen, nämlich auch für wirkstoffähnliche
Arzneimittel, sowie für Arzneimittel mit vergleichbarer Wirkung, aber
unterschiedlichem Wirkstoff.
Die Verwaltungskosten der gesetzlichen Krankenversicherung sind häufig
pauschaler Kritik ausgesetzt. Der Anteil der Verwaltungsausgaben an den
Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung betrug z.B. 5,5 v.H. im Jahr
2002. Zieht man den Vergleich zur privaten Krankenversicherung, so ist der
Anteil der Verwaltungsausgaben einschließlich der Abschlusskosten dort mehr
als doppelt so hoch.
Gleichwohl sind die Verwaltungsausgaben der gesetzlichen Krankenkassen in
letzter Zeit erheblich stärker angestiegen als deren Beitragseinnahmen.
Diese Thematik ist in den Gesetzgebungsverfahren im Bereich der gesetzlichen
Krankenversicherung aufgegriffen worden. Das 12. SGB V-Änderungsgesetz
regelt, dass die Verwaltungsausgaben der einzelnen Krankenkassen sich im
Jahr 2003 gegenüber dem Jahr 2002 nicht erhöhen dürfen, wobei
Mitgliederveränderungen im Jahr 2003 berücksichtigt werden können.
Mehrausgaben sind nur zur Durchführung strukturierter Behandlungsprogramme
zulässig, wenn die Ausgaben hierfür nicht im Rahmen der vorgegebenen Höhe
der Verwaltungsausgaben ausgeglichen werden können.
Kritik an den Werbeaktivitäten der gesetzlichen Krankenkassen wird häufig an
das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung herangetragen.
Die seit dem 1. Januar 1996 bestehende Wahlfreiheit für die Mitglieder der
gesetzlichen Krankenversicherung hat dazu geführt, dass der Wettbewerb der
Krankenkassen untereinander erheblich gesteigert wurde. Hieraus resultieren
auch die verstärkten Werbeaktivitäten der Krankenkassen. Es ist Aufgabe der
zuständigen Aufsichtsbehörden über die Krankenkassen und ihre Verbände dafür
zu sorgen, dass die Beteiligten auch im Wettbewerb das geltende Recht
beachten. Die Aufsichtsbehörden haben deshalb Wettbewerbsgrundsätze
erarbeitet, in denen u.a. auch eine Obergrenze für Werbeausgaben als
Richtgröße festgelegt ist.
Das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung erwartet, dass
die Krankenkassen, wenn erforderlich, auf Veranlassung der zuständigen
Aufsichtsbehörde ihr Wettbewerbsverhalten an diesen Vorgaben ausrichten.
Zudem hat jeder Versicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung die
Möglichkeit, über die Selbstverwaltungsgremien seiner eigenen Krankenkasse
Einfluss auf die Kostenentwicklung bei der betreffenden Krankenkasse zu
nehmen.
Sofern aus Ihrer Sicht konkrete Missstände bei einer bestimmten Krankenkasse
vorhanden sind, können Sie sich direkt an die zuständige Aufsichtsbehörde
der betreffenden Krankenkasse wenden. Das Bundesministerium für Gesundheit
und Soziale Sicherung hat sich an die gesetzliche Regelung der
Aufsichtskompetenzen zu halten und kann deshalb auf die einzelnen
Krankenkassen nicht aufsichtsrechtlich wirken.
Die bundesweiten Krankenkassen unterstehen in der Regel der Aufsicht des
Bundesversicherungsamtes, Villemombler Straße 76, 53123 Bonn (0228/619-0).
Die Aufsicht über die Landesverbände der Krankenkassen und über die übrigen
Krankenkassen führt das zuständige Landesministerium. Die Spitzenverbände
der Krankenkassen werden vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale
Sicherung beaufsichtigt.
Ihren Vorschlag, die Wahlmöglichkeiten auch auf private Krankenkassen
auszuweiten, kann ich jedoch nicht unterstützen.
Anders als die private ist die gesetzliche Krankenversicherung nach dem
Solidarprinzip organisiert. Das bedeutet, dass sich die Höhe der Beiträge
nicht nach dem Versicherungsrisiko, sondern nach der finanziellen
Leistungsfähigkeit des Versicherten richtet. Die Finanzierung des
Solidarausgleichs zwischen Gesunden und Kranken, Alleinstehenden und
Familien mit Kindern, Höher- und Geringerverdienenden, jungen und älteren
Versicherten setzt eine ausgewogene Risikomischung und damit die umfassende
gesetzliche Regelung der Rahmenbedingungen einer sozialen
Krankenversicherung voraus. Eine Wahlmöglichkeit zwischen beiden, nach
verschiedenen Prinzipien organisierten Systemen hätte zur Folge, dass
"günstige Risiken" sich in der Regel für die für sie kostengünstigere
private Krankenversicherung entscheiden würden und die gesetzliche
Krankenversicherung für die Finanzierung der dort verbleibenden
"ungünstigeren Risiken" eine ausreichende Finanzierungsgrundlage verlieren
würde. Die Durchführung einer sozialen Krankenversicherung wäre unter diesen
Voraussetzungen nicht mehr möglich.
Da der Meinungsbildungsprozess über das Gesundheitsmodernisierungsgesetz
aber noch nicht abgeschlossen ist, lässt sich derzeit nicht absehen, welche
Regelungen das Gesetz in der endgültigen Fassung enthalten wird und wie die
Reform im Detail umgesetzt wird.
Dieses Schreiben ist im Auftrag und mit Genehmigung des Bundesministeriums
für Gesundheit und Soziale Sicherung durch das Kommunikationscenter erstellt
worden, dient Ihrer Information und schließt Rechtsverbindlichkeit aus.
Mit freundlichem Gruß
Cathrin Junck
Kommunikationscenter
Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung
info@bmgs.bund.de
|