-->guten samstag,
nachfolgend ein/e essay/zustandsbeschreibung der heutigen arbeitswelt, das an saschas pessimistische postings anknüpft und das,wie ich meine, interessant genug ist, um hier reinzustellen.
kneric
Leistung lohnt sich nicht
Die Generation der 30-Jährigen hat allen Grund
zur Skepsis gegenüber der"Ruck"-Rhetorik - Debatte
Die Generation der 30-Jährigen ist wahrscheinlich die leistungswilligste, die in Deutschland seit den Wirtschaftswundertagen herangewachsen ist. Über ihren Köpfen wurde von Anfang an der Satz"Leistung muss sich wieder lohnen" wie eine Peitsche geschwungen.
Jene Verheißung der Kohl-Ära verstanden sie zu Recht als Drohung: Wer nicht bedingungslos funktioniert, hat nichts zu erwarten. Und so optimierten sie ihre Lebensläufe frühzeitig nach dem Vorbild der schon als Kinder gedrillten Tennis-Stars Steffi Graf und Boris Becker, den Idolen der Achtziger. Wer bei der universitären Zwischenprüfung nicht bereits zwei Betriebshospitanzen und einen Auslandsaufenthalt im Lebenslauf stehen hatte, fing an, nervös zu werden. Wer die Mindeststudienzeit überschritt, kam sich schon vor wie ein Penner.
Wie brutal ernüchternd muss es für diese jungen Menschen gewesen sein zu erfahren, dass sich Leistung absolut nicht lohnt. Wer heute um die 30 ist, hat mit etwas Pech schon mehrere Firmenzusammenbrüche, Umstrukturierungen und Entlassungswellen erlebt. Und immer gehörte er, weil kinderlos und nur kurze Zeit angestellt, zu den ersten Ausgemusterten. Dagegen nahmen die Kollegen, die am lautesten von Leistung geschwätzt hatten, den gewerkschaftlich erkämpften Kündigungsschutz gern in Anspruch und verharrten in fröhlicher Immobilität am angestammten Arbeitsplatz.
Diese Wahrheit der angeblich so rauen Marktwirtschaft traf den 30-Jährigen aber nicht wirklich unvorbereitet. Bevor er seinen ersten bezahlten Job antrat, hatte er schließlich schon einige Zeit in der Halbsklaverei der Praktikums- und Volontariatswirtschaft verbracht, ohne deren Ausbeutungsmechanismen etwa Architekturbüros oder Teile der Werbe- und Medienbranche nicht lebensfähig wären.
Die Realität, die er dort kennen lernte, sieht meist so aus: Die Arbeit wird von den wenigen Alten und den Jungen gemacht. Jene Alten sind meist auch die Einzigen, die sich herablassen, den Jungen etwas von ihren Erfahrungen und Kenntnissen zu vermitteln. Die Generation dazwischen, die Enddreißiger bis Mittfünfziger, hätte auch nicht viel Wissen weiterzugeben. Zwar sind sie immer die Chefs, aber sie kommen als Letzte und verabschieden sich als Erste. Ihr Gehalt betrachten sie als unzureichende Kompensation dafür, dass sie der Firma ihre alerte Aura zur Verfügung stellen. Es sind die Blender, Wichtigtuer und Schwafelköpfe, die Deutschlands Wirtschaft mehr geschadet haben als die hohen Lohnnebenkosten. Trotzdem reden sie in ihrer zweistündigen Mittagspause ununterbrochen über die notwendige Renaissance bürgerlicher Tugenden.
Doch nicht nur"Leistung" hat sich den 30-Jährigen als ein ideologisches Konstrukt zur Verteidigung des Status quo enthüllt. Aus den ersten Berufsjahren nehmen diese künftigen Eliten außer extrem gedämpfter Funktionsgier auch eine ausgeprägte Ewigkeitsskepsis mit. Das Versprechen der Festanstellung hat man ihnen gegenüber zu oft gebrochen. Wer sie anheuert, darf nur begrenzte Loyalität erwarten. Sie wissen, dass die Ewigkeit ihres Arbeitsvertrages nur bis zum nächsten Vorstandsvorsitzenden dauert.
Drittens haben sie gelernt, allen Experten und Propheten zu misstrauen. Wer heute 30 ist, bekam als Schüler zu hören, künftig müsse jeder mindestens eine Programmiersprache für Computer beherrschen. Aber schon Anfang der Neunziger galt Informatik wieder als brotloses Studium, denn - so die Experten: Programme würden künftig billiger in Indien geschrieben. Weitere zehn Jahre später jammerte die deutsche Wirtschaft über Informatikermangel. Die Unwilligkeit vieler 30-Jähriger, auf die Fliegen tragenden Robespierres der Reform und die St. Justs des Sozialabbaus zu hören, hat mit solchen Erfahrungen ihres jungen Lebens zu tun. Diese Typen machen zu große Worte und ähneln zu sehr den kleinen Phrasenpupsern, die ihre bisherigen Chefs waren
Mit dem Sozialstaat verbindet manchen obendrein auch noch eine ganz existenzielle Erfahrung: Der Hochschulabsolvent, der wenigstens einige Monate von Sozialhilfe leben musste, kommt heute längst nicht mehr nur aus Orchideenfächern. Solche Leute sind nicht mehr so leicht infizierbar vom Westerwellismus, der sie noch bis vor zwei Jahren für seine naturgegebene Klientel halten durfte. Sie haben selbst erfahren, dass Sozialleistungen mehr sind als bloß"Verkrustungen".
Wer diese Generation künftig ansprechen will, sei es politisch oder ökonomisch, der muss in der Sprache eines humanen Skeptizismus zu ihr reden. Politikverdrossen waren sie schon in der Grundschule, nun ist auch Wirtschaftsverdrossenheit dazugekommen. Sie lachen über die Blut-Schweiß-und-Tränen-Reden von Leuten, die nie geblutet, nie geschwitzt und nie geweint haben. Sie ahnen wohl, dass sie künftig noch mehr arbeiten müssen als jetzt schon. Doch sie finden es komisch, wenn das ausgerechnet einer fordert, der seine Karriere in jenen vier glückseligen Jahrzehnten machte, wo man für immer weniger Arbeit immer mehr Geld bekam. / matthias heine
<ul> ~ original hier</ul>
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