-->MICROSOFT - Steve will es wieder allen zeigen (EurAmS)
Jahrelang gehörte Microsoft zu den Aktien mit der besten Wertentwicklung. Doch während der jüngsten Börsenrally ist das Papier kaum von der Stelle gekommen. Woran das liegt, warum Anleger sich das Papier trotzdem anschauen sollten.
von Thomas Schmidtutz, Euro am Sonntag 28/03
Die Angelegenheit brannte Steve Ballmer auf den Nägeln. Wie man die Sache mit den Aktienoptionen der Mitarbeiter in den Griff kriegen könnte, fragte der Microsoft-Boss ein paar Investmentbanker beim Essen vor rund einem Jahr in New York.
Denn die meisten der rund 52000 Microsofties haben als Teil ihres Vergütungspakets Optionen bekommen. Doch schon damals waren viele wegen des massvien Kursverfalls an den Börsen nichts mehr wert. Die Banker von JP Morgan gingen in Klausur. Am Dienstag präsentierte Ballmer das Ergebnis. Künftig, so ließ der bullige Harvard-Absolvent wissen, gibt’s überhaupt keine neuen Optionen mehr.
Stattdessen will Microsoft das Personal ab September mit der Ausgabe von Aktien bei Laune halten. Zudem will der größte Software-Konzern der Welt laufende Optionen freiwillig als Gehalt verbuchen. Wäre dies bereits jetzt gängige Praxis, wäre der Gewinn alleine zwischen Januar und März um 656 Millionen Dollar geringer gewesen."Die Abschaffung der Aktienoptionen", verkündete Ballmer,"ist besser für unsere Mitarbeiter und für unsere Aktionäre." Schön wär’s.
Rückenwind kann die Microsoft-Aktie gut gebrauchen. Während das Papier in den 90er-Jahren zu den US-Highflyern gehörte, ist der Wert seit Anfang 2000 schwer ins Trudeln geraten. So verlor der Dow Jones seither rund ein Fünftel seines Wertes, Microsoft büßte dagegen über die Hälfte ein. Auch der jüngste Aufschwung der US-Börsen ist an der Aktie fast vorbeigegangen. Während der Dow seit Jahresbeginn fünf Prozent gewann, tritt Microsoft auf der Stelle.
Die Jahre des wilden Wachstums sind vorbei. Angetrieben von der massiven PC-Nachfrage, kam der Konzern aus Redmond im US-Bundesstaat Washington einstmals mit der Auslieferung von Windows, Word und Co kaum noch hinterher. Um durchschnittlich 30 Prozent legte der Umsatz in den 90ern zu, der Gewinn stieg gar um 37 Prozent - pro Jahr.
Gemessen daran geht’s inzwischen gemächlich zu. Für das laufende Geschäftsjahr prognostizierte Finanzchef John Connors unlängst einen Umsatzzuwachs von rund fünf Prozent, der Gewinn werde um sechs bis acht Prozent steigen."Das ist eben das Gesetz großer Zahlen", sagt Steve Ballmer auf Vorhaltungen wegen sinkender Zuwachsraten gerne. Wie sich das Gesetz auf das gerade zu Ende gegangene Geschäftsjahr 2002/2003 (Stichtag 30. Juni) ausgewirkt hat, will er am kommenden Donnerstag verkünden.
Doch Ballmers Relativitätstheorie ist nur die halbe Wahrheit. Tatsächlich kommen eine Menge Dinge zusammen. Der wichtigste Grund für den Rückgang der Wachstumsraten: Der Markt für Microsofts Kernprodukte Windows und das Office-Paket um Word, Excel und Outlook ist zunehmend gesättigt. Und anders als früher überspringen Unternehmenskunden inzwischen schon mal eine neue Office-Version. Schließlich sind Programme wie Word mittlerweile so ausgereift, dass eine neue Version kaum noch einen spürbaren Zusatz-Nutzen bringt. Die schwächelnde Konjunktur bremst den Absatz zusätzlich.
Mehr Kopfzerbrechen bereitet Unternehmensgründer Bill Gates und seinem Alter Ego Ballmer derzeit jedoch das kostenlose Betriebssystem Linux."Das ist die größte Herausforderung für uns", schwor Ballmer Anfang Juni die Mitarbeiter ein.
Und noch ist unklar, wo der nächste große Wachstumstreiber herkommen soll. Um nur ja keinen Technologie-Trend zu verpassen, gehen Gates, Ballmer und Co dabei offenbar vor wie Zocker auf der Rennbahn. Mit zwei kleinen Unterschieden: Sie setzen einfach auf alle aussichtsreichen Pferde - und nehmen dafür astronomische Beträge in die Hand.
"Microsoft leidet unter akuter Paranoia", urteilt Metagroup-Analyst Ashim Pal über die Strategie. Beispiel Unternehmenssoftware: Für rund zwei Milliarden Dollar hat sich der Konzern Anfang 2001 und Mitte 2002 das US-Software-Haus Great Plains und die dänische Navision zugelegt. Die beiden Unternehmen haben sich auf kleine und mittelständische Firmen spezialisiert. Mit ihren Programmen lässt sich etwa die Finanzbuchhaltung organisieren. In den nächsten 15 Monaten will Microsoft weitere zwei Milliarden Dollar in die neue Sparte Business Solutions (MBS) pumpen.
Hinter den Käufen steckt ein ehrgeiziges Ziel. Das Geschäft mit Firmen zwischen fünf und 1000 Mitarbeitern gilt als Wachstumsmarkt der Zukunft. Im Unterschied zu Konzernen, die alle längst von SAP, Oracle oder Peoplesoft versorgt sind, haben die meisten kleineren Firmen kaum Standardanwendungen im Einsatz."Ein Riesenmarkt", sagt Ballmer. Rund 450 Milliarden Dollar geben Klein- und Mittelständler allein in diesem Jahr für Informationstechnologie aus, schätzen die Marktforscher von Gartner.
Nachdem Microsoft offiziell zunächst nur das untere Marktsegment angehen wollte, verkündete MBS-Boss Orlando Ayala am Donnerstag den erwarteten Strategiewechsel. Langfristig werde man auch Lösungen für Konzerne anbieten. 2010 will der Konzern mit MBS zehn Milliarden Dollar umsetzen. Damit wäre die Sparte größer als SAP. Die Analysten sind noch skeptisch:"Das ist außerordentlich ehrgeizig", urteilt etwa Rick Sherlund, Software-Analyst von Goldman Sachs.
Auch im Unterhaltungsbereich lässt es Gates krachen. Mit Milliarden-investitionen drückte der Konzern seine Spielekonsole Xbox in den Markt. Aus dem Stand hat Microsoft den alt eingesessenen Wettbewerber Nintendo überflügelt. Während die Japaner bis Ende März 7,78 Millionen Game-Cubes verkauft haben, brachte es Microsoft auf 7,84 Millionen Konsolen. Dabei ist Nintendo als Anbieter von Videospielen und dem Gameboy groß geworden.
Zwar hat Microsoft in dem Bereich bislang nur draufgelegt, aber die Xbox ist ein Langfrist-Investment. Daran lässt Chief-Xbox-Officer Robbie Bach keinen Zweifel:"Die Branche setzt mehr um als Hollywood und wächst 15 bis 30 Prozent pro Jahr. Wenn wir uns davon einen Teil sichern können, ist das ein tolles Geschäft."
Aber es geht um mehr. Die Spielekonsole gilt als Trojanisches Pferd, mit dem sich Microsoft in die Wohnzimmer schleicht. Ausgestattet mit einem Internet-Zugang, könnten sich Kunden über die Xbox etwa Filme oder Musik herunterladen und Microsoft so ein Zusatzgeschäft bringen. Schon heute gilt die Plattform für Onlinespiele, Xbox Live, als Marktführer in Sachen Komfort und Bedienbarkeit.
Außerdem positioniert sich der Konzern im Geschäft mit so genannten Web Services. Mit ihrer Hilfe soll sich ein Flugticket übers Handy buchen lassen. Die".Net"-Initiative liefert dazu alles: Von der Programmiersprache über die Server-Systeme bis zur Anbindung an die eigene Anwendungs-Software.
Microsoft kann sich diese Investitionen leisten. Der Konzern hat das dickste Sparschwein der Welt. 50 Milliarden Dollar dürfte das Unternehmen derzeit horten, schätzen Analysten. Jeden Monat kommt eine Milliarde dazu.
Anleger sollten sich Microsoft also genauer anschauen. Denn nach der jüngsten US-Rally hat die Aktie noch Aufholpotenzial. Mit Windows und Office verfügt das Unternehmen über Cash-Cows, die satte Gewinne abwerfen. Zwar dürften die Monopol-Margen wegen Linux mittelfristig abschmelzen. Aber in Wachstumsmärkten wie Konsolen oder Firmensoftware ist Microsoft gut aufgestellt. Und bisher hat sich der Konzern noch auf jedem Markt durchgesetzt, den er sich vorgeknöpft hat.
Zudem ist die Aktie im Vergleich zu anderen Software-Riesen wie Oracle oder SAP"fundamental günstig", so Merrill-Lynch-Analyst Jason Maynard. Wenn das stimmt, dürften demnächst einige Aktienoptionen wieder etwas wert sein. Und Steve Ballmer könnte sich beim Essen mit Bankern wieder dem Smalltalk widmen.
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"LINUX IST UNSERE GRÃ-SSTE HERAUSFORDERUNG"
Wenn’s ums Grundsätzliche geht, wendet sich der Chef schon mal persönlich an seine Mitarbeiter:"Kostenlose Software", warnte Steve Ballmer die Microsoft-Angestellten"und vor allem Linux ist für uns und die gesamte Industrie die größte Herausforderung und erfordert unsere volle Aufmerksamkeit", schrieb er Anfang Juni in einer internen Memo an alle Einheiten. Noch vor drei Jahren wollte Ballmer noch nicht mal die korrekte Aussprache von Linux lernen. Das lohne sich nicht, lästerte der Microsoft-Boss über das kostenlose Betriebssystem,"schon wegen der fehlenden wirtschaftlichen Bedeutung".
Voll daneben. Vor allem bei Servern holt das von einer weltweiten Gemeinschaft entwickelte und jedermann zugängliche Betriebssystem mächtig auf."Die Nachfrage zieht stark an", beobachtet etwa Rolf Willié, Direktor Infrastruktur-Lösungen beim IT-Dienstleister CSC in Wiesbaden. Während Linux 2001 weltweit erst auf neun Prozent aller Server lief, lag der Anteil Ende 2002 bereits bei 14 Prozent, ermittelten die Marktforscher von IDC. Und 2005 wird Linux voraussichtlich bereits auf jedem vierten Server laufen.
Der Server-Markt gilt als lukrativ. Allein in diesem Jahr dürften mit den Rechnern, die den Datenverkehr steuern, weltweit rund 51 Milliarden Dollar umgesetzt werden. Zwar gewinnt Linux bislang Marktanteile vor allem auf Kosten des verwandten, aber kostenpflichtigen Betriebssystems Unix. Doch mittelfristig dürfte auch Microsofts 60-Prozent-Marktanteil bei Servern kaum zu halten sein, so Analysten.
Zudem drückt Linux auf die Margen. Inzwischen gibt es sogar erste Kunden, die Linux sowie ein Office-Paket auf Linux-Basis auch auf Desktops einsetzen wollen. In einem weltweit Aufsehen erregenden Deal hat sich die Stadt München unlängst dazu entschlossen, 14000 PC-Arbeitsplätze auf Linux umzustellen.
Angesichts dessen fragten Beobachter sich schon besorgt, ob mit den Desktops nun sogar Microsofts Hauptbastion gestürmt werde.
Doch Analysten geben Entwarnung."Da wird ein Riesen-Hype veranstaltet", sagt Peter O’Neill, Direktor beim US-Marktforscher Metagroup in München. Dem Durchbruch bei Unternehmen stünden schon die enormen Umschulungskosten gegenüber, ergänzt Gartner-Analyst Mike Silver. Zwar dürfte Linux Microsofts Office-Marge drücken. Aber kurzfristig seien die Auswirkungen"relativ gering".
Viel mehr Sorgen um den Siegeszug von Linux muss sich da schon Sun machen, so Metagroup-Analyst Ashim Pal. Gerade beim Brot-und-Butter-Geschäft mit E-Mail- oder Web-Servern breitet sich das Betriebssystem aus.
Zwar hat auch Sun inzwischen im Einstiegsbereich Linux-Systeme im Angebot. Aber vor allem Dell hält mit günstigen Angeboten mächtig dagegen."Gemeinsam mit Intel und IBM profitiert Dell am meisten", glaubt O’Neill. Anleger, die auf der Linux-Welle mitreiten wollen, sind daher mit Dell am besten bedient. Der Hardware-Spezialist gewinnt bei PCs und Servern weiter Marktanteile. Und vor wenigen Wochen ist die Aktie aus dem Seitwärtstrend ausgebrochen.
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