-->Meine Damen, meine Herren, ich bitte um Eure Kommentare!
<h3>Unter unseren Verhältnissen</h3>
von Nikolaus Piper
Sueddeutsche Zeitung / Feuilleton / 23.07.2003
Wer wollte dem Bundesfinanzminister da widersprechen: „Wir leben über unsere Verhältnisse,“ erklärte Hans Eichel, als er mal wieder neue Haushaltslöcher bekannt gab. Auf Druck des Bundeskanzlers muss er nun die Steuerreform vorziehen und das Manöver mehr oder weniger auf Pump finanzieren. Der Schuldenberg von jetzt 1,3 Billionen Euro wächst wieder ein bisschen schneller. Und damit auch die Last, die wir der nächsten Generation vererben.
Keine Frage: Die Staatsfinanzen stecken in der schwersten Krise seit Bestehen der Bundesrepublik. Aber heißt das auch, dass wir über unsere Verhältnisse leben? Und bedeutet es, dass wir unseren Kindern Schulden vererben? Hier gibt es einige schwerwiegende Missverständnisse, und es scheint, als seien auch die Handelnden im Finanzministerium, im Bundeskanzleramt und in der hessischen Staatskanzlei nicht ganz frei davon.
Wer ist eigentlich gemeint, wenn man davon redet, dass „wir“ uns übernommen haben und dass „wir“ unsere Schulden vererben? Bedeutet „Wir’’ die Bundesregierung, dann stimmt der Satz natürlich. Ist mit „Wir“ aber die Bundesrepublik gemeint, dann wird der Satz ganz einfach falsch. <font color=red>Die deutsche Wirtschaft hat im vergangenen Jahr für 48,9 Milliarden Euro mehr Waren und Dienstleistungen ins Ausland verkauft, als die Bundesbürger dort gekauft haben. Die Deutschen haben also Forderungen gegenüber dem Ausland erworben, vulgo: Sie haben gespart.</font color=red> Überhaupt sparen die deutschen Haushalte durchschnittlich 14,8 Prozent ihres Nettoeinkommens - im internationalen Vergleich ein Spitzenwert. Man könnte auch sagen: Die Deutschen konsumieren und investieren viel weniger, als möglich wäre. Genaugenommen leben sie nicht über ihre, sondern unter ihren Verhältnissen. Wegen der schlechten Konjunktur sind die Fabriken zurzeit überdies nur zu 83,6 Prozent ausgelastet; normal wären neunzig Prozent. Die Unternehmen könnten also ohne jede Neuinvestition 6,4 Prozent mehr produzieren als heute.
Was ist dann mit dem 1,3 Billionen Euro Schulden? Gerne wird dabei vergessen, dass diesen Schulden ein Geldvermögen in exakt derselben Höhe gegenübersteht. All die Bundesanleihen, Schatzbriefe und Obligationen, mit denen Hans Eichel seinen Haushalt finanziert, gehören ja jemandem: Banken, Investment-Fonds und einfachen Bürgern, die in diesen Staatspapieren ihr Ersparnisse angelegt haben und dafür Zinsen kassieren. <font color=red>Es wird also nicht nur ein Schulden-, sondern auch ein Vermögensberg an die nächste Generation vererbt. Nur gehört der zweite Berg nur einem Teil der Bevölkerung, während der erste von allen zusammen zu finanzieren ist. Es handelt sich also nicht um ein Generationen-, sondern um ein soziales Problem.</font color=red>
Wir sind die Firma
Man kommt der Sache näher, wenn man sich den Staat als eine Firma denkt, deren Aktionäre und alleinige Kunden die Bürger der Bundesrepublik Deutschland sind. Aufgabe und Existenzberechtigung dieser Firma ist es, öffentliche Güter zu produzieren: Straßen, Schulen und Universitäten, innere, äußere und soziale Sicherheit. Um ihre Aufgaben erfüllen zu können, kassiert die Firma Zwangsbeiträge (Steuern). Das Unternehmen ist nun in drei Jahrzehnten an den Rand der Pleite geführt worden, es ist überschuldet, kann seine Produkte nicht mehr anständig produzieren, und die Kunden werden auch zunehmend unzufriedener mit Qualität und Preis dieser Produkte. Das äußert sich zum Beispiel in Steuerhinterziehung, Schwarzarbeit und der Abwanderung von Investoren ins Ausland. Die Firma Staat muss also, wie in der Privatwirtschaft, von ihren Aktionären ein Opfer einfordern, sie muss effizienter werden und sie muss sich auf ihre Kernkompetenz beschränken.
Anders gewendet: Der Staat hat sich übernommen und muss sich nun bescheiden. Er hat Versprechen abgegeben, die er nicht halten kann, er beansprucht die Hälfte der Wirtschaftsleistung für sich und zwingt das Land gerade deshalb, unter seinen Verhältnissen zu leben. Die Aufgabe geht weit über das „Sparen“ hinaus. <font color=red>Entscheidend ist, dass der Staat einige seiner uneinlösbaren Versprechen zurücknimmt. Zum Beispiel das Versprechen der sozialen Sicherheit in der jetzigen Qualität.</font color=red> Das Versprechen klingt gut, aber der Staat ist mangels hinreichender Mittel gezwungen, es zu brechen. Die schlechte Nachricht ist, dass das Versprechen - und das liegt in der Natur der Sache - Benachteiligten gegeben wurde und dass diese daher unter der Rücknahme des Versprechens leiden. Die gute Nachricht aber ist: Der Staat hat die soziale Sicherheit bisher so ineffizient produziert, dass der Unterschied für viele Betroffene gar nicht so groß sein dürfte. Langfristig werden auch sie profitieren, wenn sie weniger Sozialabgaben leisten müssen und wenn der Staat seine Kernkompetenzen, zum Beispiel die Bildungspolitik, wieder besser erledigt.
Falsch gewählt
Und auf eine gewisse, verschlungene Weise kommt hier doch noch ein Generationenkonflikt ins Spiel. Der Staat ist ja kein Wesen, das aus eigenem Antrieb handelt; all die teuren Entscheidungen, wurden von gewählten Politikern getroffen. Es waren diese Politiker, die die falschen Versprechungen abgaben. <font color=red>Zu Beginn der siebziger Jahre, in der Ära Willy Brandt, versprachen sie Vollbeschäftigung und immer weiter steigende Sozialleistungen. Der erste sozialdemokratische Finanzminister, Alex Möller, trat damals unter Protest zurück, aber niemand wollte auf ihn hören. Seither gab es nie wieder einen ausgeglichenen Bundeshaushalt.</font color=red> In der Ära Helmut Kohl versprachen sie, die deutsche Einheit ohne Schmerzen und Opfer finanzieren zu können. Und am Anfang der Ära Schröder redeten sie den Bürgern ein, die damals klar erkennbaren Probleme seien gar keine. Zugespitzt ausgedrückt: <font color=red>Die Deutschen haben ihre politische Klasse ein paar Jahrzehnte lang dafür gewählt und bezahlt, dass sie sie von allen Unannehmlichkeiten des Lebens und von der ökonomischen Realität abschirmten. Man tat so, als könne man alles gleichzeitig haben: die höchsten Einkommen, die kürzesten Arbeitszeiten, die höchsten Sozialleistungen, den aufwendigsten Urlaub, die sauberste Umwelt. Und das ganze auch noch bei niedrigen Steuern.</font color=red>
Ein exakter Maßstab für diese mentale Schlamperei ist der Berg der Staatsschulden. Das heißt aber auch: <font color=red>Die Schulden sind ein Symptom, sie sind nicht der Kern des Problems.???</font color=red> Deshalb wäre es fatal, zu versuchen, die Schulden um jeden Preis abzubauen, auch um den von Steuererhöhungen. Das war der Irrtum hinter Eichels erstem Steuervergünstigungsabbaugesetz. Es kann sogar richtig sein, kurzfristig höhere Schulden hinzunehmen, wenn dies dazu beiträgt, dass das Land insgesamt nicht mehr unter seinen Verhältnissen leben muss. <font color=red>Das amerikanische Staatsdefizit lag in den achtziger Jahren bei sechs Prozent der Wirtschaftsleistung, trotzdem gelang es den Vereinigten Staaten, aus der Schuldenfalle herauszukommen.Voraussetzung dafür, dass vorübergehende Schulden Nutzen stiften, ist aber, dass sich der Staat glaubwürdig selbst beschränkt. Wenn dies geschieht, hat die Privatwirtschaft mehr Luft zum Atmen. Und dann kann sie einen Teil der Probleme lösen, die durch die falschen Versprechen des Staates entstanden sind. </font color=red>
Sparen allein reicht nicht: Der Staat muss den Bürgern wieder wirtschaftliche Freiheit zurückgeben. Nur dann können sie nach ihren Verhältnissen leben. Und nur dann ist das Schuldenproblem zu lösen.
<font color=navy>Also der Ressortleiter des Wirtschaftteils der SZ stellt ganz pragmatisch fest die Amis seien aus der Schuldenfalle raus...[img][/img]
GruĂź
Stephan<font color=navy>
<ul> ~ Die Schulden des Staates und die nächste Generation</ul>
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