-->US-Trupp verwandelt verpfuschte Saddam-Razzia in Massaker
von Robert Fisk
Independent / ZNet 28.07.2003
Bagdad. Versessen, Saddam zu fangen, haben US-Soldaten gestern eine verpfuschte Razzia auf ein Haus im Bagdader
Mansur-Distrikt in ein Blutbad verwandelt. Auf einer belebten Straße eröffneten sie das Feuer auf Dutzende irakische Zivilisten.
Bis zu 11 Menschen starben - darunter 2 Kinder, deren Mutter und behinderter Vater. Mindestens ein Zivilfahrzeug ging in
Flammen auf, die Insassen verbrannten. Das Auto mit der Familie - - 2 Kinder, Vater, Mutter - wurde von Kugeln durchsiebt, als
es sich dem Rasierklingenzaun eines Checkpoints vor dem (Razzia-)Haus näherte. Mansur wird überwiegend von Irakern aus der
Mittelschicht bewohnt. Jetzt beben sie vor Zorn - grausamer Zufall, die Tötungen ereigneten sich kaum 40 Meter von jenen
Häusern entfernt, in denen 16 Zivilisten starben, als die Amerikaner schon einmal, gegen Ende des Kriegs im April nämlich,
versuchten, Saddam zu töten. Jeder eventuelle politische Vorteil durch die Tötungen der Saddam- Söhne ist somit verspielt. Letzte
Nacht im Yarmouk-Hospital, in das 4 der Toten eingeliefert wurden. Ein Arzt geht wütend auf mich los und schreit: “Wenn ein
Amerikaner in meine Notaufnahme kommt, vielleicht werde ich ihn töten”. 2 Zivilisten - es wird angenommen, sie waren mit ihren
Familien unterwegs -, werden ins Yarmouk eingeliefert, der eine mit Unterleibsverletzungen, der andere “hat das Gehirn außerhalb
seines Schädels”, so ein Arzt. Am Ort der Tötungen ein Höllenlärm. Während die US-Soldaten die kugeldurchsiebten Autos auf
Laster verladen - und versuchen, Kameraleute an Aufnahmen vom Schlachtfeld zu hindern -, werden sie von der Menge lautstark
beschimpft. Wenige Meter von mir steigt ein amerikanischer Soldat in seinen Humvee, setzt sich auf den Sitz, wirft seinen Helm
auf den Fahrzeugboden und brüllt: “Scheiße! Scheiße!”
Das Ziel war klar: Das Haus von Sheikh Rabia Mohamed Habib. Der Scheikh ist ein hoher StammesfĂĽhrer, der sich mit Saddam
traf. Als die Amerikaner jetzt sein Haus stĂĽrmten, war er jedoch nicht mal anwesend. Laut eines Berichts soll beim Eindringen
eine Wache getötet worden sein. “Die Amerikaner haben das Haus komplett durchsucht, sehr brutal”, so Sheikh Habib. “Sieht
aus, als hätten sie im Innern Saddam Hussein vermutet”. Allem Anschein nach kam es zu den Toten, während der Trupp das
Gebäude durchsuchte. Mehrere Autos näherten sich dem Stacheldraht, den die Soldaten ohne Vorwarnung quer über die
Fahrbahn gelegt hatten. Laut Zeugenaussagen befanden sich im ersten Fahrzeug (mindestens) 2 Männer. “Im zweiten befanden
sich 2 Kinder, so um die 10, deren Mutter und der Vater, der im Iran-Irak- Krieg verletzt wurde - er ist ein Krüppel”, sagt mir ein
hiesiger Ladenbesitzer. “Sie sind alle tot. Die Beine des Mannes wurden durch die Kugeln entzwei geschossen”, fügt er hinzu. Als
sich ein drittes Fahrzeug den Amerikanern nähert, eröffnen sie sofort wieder das Feuer. Einer der Insassen kann fliehen, zwei, die
sitzenbleiben, sterben. Auch das nächste Fahrzeug, das sich nähert, wird von den US-Soldaten mit Kugeln durchsiebt; es geht in
Flammen auf. Es wird davon ausgegangen, 2 Personen sind im Fahrzeug verbrannt. “Die Amerikaner haben nicht versucht, den
Zivilisten, auf die sie schossen, zu helfen - keinem einzigen”, so ein Zeuge. “Sie ließen das Auto einfach brennen, sie ließen die
Körper liegen, wo sie lagen, auch die Kinder. Wir waren es, die sie ins Krankenhaus bringen mussten”.
Falsche Informanten, schlechtausgebildete US-Soldaten, die anscheinend keine Feuer-Kontrolle praktizieren und mangelnde
militärische Planung haben hier erneut zu einer Tragödie für jenes Volk geführt, das die Amerikaner noch vor 15 Wochen
behaupteten, “befreien” zu wollen - von Saddam Hussein. Letzte Nacht treffen Berichte aus Karbala ein - einer Großstadt im
Süden - amerikanische Truppen hätten bei einer Demonstration 3 Männer erschossen.
|