-->>Herr Deutsch
>danke für Ihre interessanten Ueberlegungen. Meine lückenhaft skizzierten Antworten dazu schreibe ich in Ihren Text
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>>Lieber Herr Malik,
>>ich habe mir den mom letter 8/03 „Richtig Denken - Richtig Handeln“, auf den Jürgen hingewiesen hat, einmal ausgedruckt. Was mir gefällt, ist die klare Sprache.
>>Was mir nicht gefällt, ist die Absolutheit, mit welcher die debitistische Sicht als die einzig richtige dargestellt wird (monokausale Theorie).
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>Keine andere der zahlreichen Theorien scheinen mir auch nur annähernd die Erklärungskraft des Debitismus zu haben. Ob monokausal oder nicht halte ich nicht für ein entscheidendes Kriterium. Wirtschaft und Gesellschaft sind komplex; das bedeutet aber nicht, dass es nicht Ursachen, sogar eine Ursache, geben kann, die dominiert. +++
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>>Der Debitismus ist sicher ein richtiger und wichtiger Gedanke, der eine starke Beachtung verdient, aber er beschreibt eben nur einen Teil der realen Welt. Es besteht kein Grund, andere Teile, wie z.B. den freiwilligen Leistungstausch auszublenden. (es gibt keinen Tausch, sondern nur Schulderfüllung).
>+++ Sie haben Recht. Der Debitismus beschreibt/erklärt das Wirtschaften - nicht das Leben schlechthin. Beides hängt aber so eng miteinander zusammen, dass es kaum zu trennen ist. Es bleibt aber - darum auch Liberalismus - jedem unbenommen, zu tauschen; oder freiwillig und unentgeltlich zu leisten. Damit allein wird es aber nicht gehen, und vor allem gibt es dadurch kein Wirtschaften. +++
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>>Man könnte mit dem gleichen Recht das radikale Gegenteil vertreten, nämlich dass prinzipiell alles menschliche Handeln freiwillig ist und wirtschaften immer freiwilliger Leistungsaustausch ist - auch die Erfüllung einer Abgabepflicht an den jeweiligen Herrscher - und dass es so etwas wie eine Urschuld nicht gibt.
>>Man muss nur davon ausgehen, dass der Mensch sich selbst gehört und er jederzeit die Freiheit hat, das Spiel zu beenden (seine letzte und höchste Freiheit). Es ist seine freie Entscheidung, am Leben teilzunehmen - und ja - wenn er diese Entscheidung getroffen hat, hat er Probleme, aber diese Probleme nimmt er freiwillig an. Niemand muss an Wettläufen teilnehmen, aber wenn er sich dazu entschieden hat, muss er sich quälen. „Beim Ersten sind wir frei - beim Zweiten sind wir Knecht“.
>>Ich wollte diesen philosophischen Gedanken nur mal einführen, weil für mich der Debitismus in seiner Absolutheit irgendwie etwas Trostloses hat. Die Welt als Jammertal und göttliche Prüfungsanstalt, in der ich nur Schuld abzuarbeiten habe, widerstrebt mir irgendwie.
>+++ Selbst die Ausübung dieser zurecht konstatierten letzten und höchsten Freiheit ist keine Lösung für das Wirtschaften, sondern es wäre das Ende des Wirtschaftens, das Ende der Gesellschaft, wenn viele oder alle es so machen würden. Tun es nur einzelne, wird nichts gewonnen. Das Problem verschiebt sich auf die verbleibenden Kinder, alten Eltern usw. Wie immer man es dreht, es verbleiben Verpflichtungen oder es kommt zum Ende der Gesellschaft.
>Emotional scheint mir der Debitismus eine ähnliche Wirkung zu haben, wie die meisten guten Theorien: sie rauben dem Menschen die Illusionen. So Kopernikus und Darwin; Giordano Bruno wurde deswegen verbrannt... Aber sie ermöglichen es auch, unser Leben besser zu gestalten. Wer den Debitismus kennt, wird anders leben und als Unternehmer anders handeln, als aufgrund der anderen Wirtschaftstheorien. ++++
>>Jetzt aber mal zu einer konkreten Folgerung, die Sie, lieber Herr Malik aus dieser monokausalen Denkweise ziehen, und die ich für falsch halte. Sie kommen, durch die Verengung auf die debitistische Erklärung auf Seite 124 zu dem überraschenden Schluss, Zitat:
>>Es ist im Kapitalismus völlig gleichgültig, ob jemand Gewinne macht, oder nicht. Der Kapitalismus ist ein System, in dem Rechnungen bezahlt werden müssen - das ist die einzig gültige Definition dieses Systems. Liquidität ist letztlich entscheidend, nicht Gewinn.
>>Ich denke, das ist falsch (verkürzt) gedacht, und führt deshalb auch zu falschem Handeln und ich will versuchen, das zu begründen.
>>In unserem aktuellen Geldsystem ist Liquidität (Geld) gesamtwirtschaftlich kein Problem mehr. Liquidität kann beliebig erzeugt werden, wie unsere obersten Währungshüter (Greenspan, Bernanke etc.) nicht müde werden zu erklären.
>+++ Die Herren"Währungshüter" täuschen sich(!), weil sie das Wirtschaften nicht verstanden haben; oder sie täuschen uns(!), indem sie uns in Illusionen wiegen, gerade weil sie es besser wissen. +++
>Ein solches System hat aber mit Kapitalismus nichts mehr zu tun. Es handelt sich vielmehr um ein staatssozialistisches System, in dem ausgewählten Sektoren von der Obrigkeit Liquidität zugeteilt wird - in der Tat unabhängig vom Gewinn - ähnlich wie in China.
>>Richtiger Kapitalismus dagegen ist ein System, bei dem über die Kapitalrendite gesteuert wird (daher der Name Kapitalismus). Ohne Rendite (Gewinn) ist das System orientierungslos und kann nicht funktionieren.
>+++ Wie ein System definiert ist und wie man darin steuert, das sind zwei verschiedene Fragen. Das Ueberlebens- oder Todeskriterium ist die Liquidität, die Fähigkeit, bei Fälligkeit zu bezahlen. Es ist dem Gläubiger gleichgültig, woher die Mittel dazu kommen. Was alles zu tun ist - und wie daher zu steuern ist - um bei Fälligkeit zu leisten, ist davon zu unterscheiden. Die Kapitalrendite ist eine der Grössen, auf die zu achten ist. Zuerst sind es aber - lange bevor man eine Kapitalrendite überhaupt ermitteln kann - die Preise. Die massgebliche Signalwirkung geht im Kapitalismus von den Preisen aus. Aber wegen der Komplexität des Systems genügt das nicht. Alle diese Signale kommen nämlich zu spät, um richtig zu handeln. Daher müssen Signalgrössen gefunden werden, die dem vorauslaufen.
>Diese kennen wir heute einigermassen. Umso tragischer oder auch skandalöser ist es, dass in den letzten Jahren dieses Steuerungs- und Führungswissen ignoriert wurde. Aus genau diesem Grunde bin ich gegen den Shareholdervalue und gegen alle finanzwirtschaftlichen Grössen (einschliesslich Kapitalrendite) als Steuerungsgrössen für die Führung eines Unternehmens (für andere Zwecke mögen sie ihren Nutzen haben). Die finanzwirtschaftlichen Kennziffern sind der Blick in den Rückspiegel. Frühwarnung, Früherkennung, Vor- und Voraussteuerung liefern Kundennutzen, Konkurrenzfähigkeit und dergleichen. In Summe sind es vier den Finanzgrössen weit vorauslaufende Orientierung- und Steuerungsgrössen, die eine Chance auf richtige Unternehmensführung geben.
>>Einzelwirtschaftlich spielen zwar manche Unternehmer immer noch Kapitalismus und versuchen verzweifelt Rechnungen mit Staatsgeld zu bezahlen, aber nur, weil sie noch nicht gemerkt haben, dass schon lange nicht mehr Kapitalismus, sondern Monopoly gespielt wird, bei dem man über Los gehen muss, um sich Liquidität abzuholen.
>>Der große Fehler der debitistischen Theorie ist, denke ich mal, dass sie sich zu sehr auf einzelwirtschaftliche Aspekte konzentriert. Einzelwirtschaftliche (private) Schulden sind immer freiwillig in obigem Sinne. Fruchtbar wird der Debitismus, wenn er sich auf die Zwangsverschuldung durch den Staat konzentriert.
>+++ Die einzelwirtschaftlichen Schulden sind deshalb nicht freiwillig, weil sie aus zwingend notwendiger Vorfinanzierung resultieren. Mir scheint das die entscheidende Erkenntnis des Debitismus zu sein. Alle anderen Theorien haben das übersehen, u. a. deshalb, weil sie das Geld nicht erklären können.
>Das Gesamtsystem ist die - unbeabsichtigte - Folge des einzelwirtschaftlichen Handelns:... the result of human action but not of human design... wie Adam Ferguson es vor 250 Jahren formuliert hat. Es ist eine veritable Stärke des Debitismus, dass er sich nicht in den Sumpf makroökonomisch-statistischer Zahlenakrobatik verirrt, die - besonders in USA - so beliebt ist, aber fast gar nichts, oder dann nur Falsches über die Wirtschaft aussagt. ++++
Sehr geehrter Herr Professor,
ich möchte meine Antwort in den Kontext von McShortys Brief und R.Deutschs Einwände stellen. Kurz gesagt, schrieb mein Vater, Rechtsanwalt und Notar in Pinneberg einen Brief an meine Deutschlehrerin, als ich noch 15 Jahre alt war. Die Lehrerin war erzlinks und eine Agitatorin. Sie behauptete, dass"die Unternehmer", bei ihr ein Synonym für"kapitalistische Ausbeuter", die Wahnsinnsrendite von 30% einstecken würden und der arme Arbeiter müsse schuften wie ein Schwein. Mein Vater stellte richtig, dass in Deutschland bei Berücksichtigung des Eigenkapialanteils deutscher Firmen im allgemeinen Renditen von höchstens 2,5 - 3,5% vor Steuern erzielt würden.
Er begründete das mit Zitaten aus der Fachwelt und Graphiken. Er stellte übrigens auch die Renditen der US-Firmen der späten 70er den deutschen Firmen gegenüber und zeigte, dass bei dem niedrigen Eigenkapitalanteil amerikanischer Gesellschaften höhere Renditen erzielt wurden. Daraus ergab sich eine lange ideologische Diskussion mit der Lehrerin, die mein Vater mir nicht erspart hatte. Ich finde das heute sehr gut. Soweit zu McShorty.
Jetzt der Aspekt, der Reinhard betrifft. Unter den Zitaten aus der Fachwelt, die mein Vater in seinen Brief eingebaut hatte, befanden sich auch eindringliche Warnungen deutscher Ã-konomen an die Adresse der deutschen Wirtschaft mit Blick auf den amerikanischen Usus (Abusus), doch ja den Eigenkapitalanteil nicht weiter zu verringern. Warum?
Natürlich ist der Gewinnhebel viel grösser, wenn ich mit 0% Eigenkapital arbeite. Aber wie krisenfest ist so ein Unternehmen? Bei Streichung der Kreditlinie, oder nur einer kleinen Verringerung bedeutet es für die Firma das sofortige Aus. Anders herum, wird eine Firma, die mit 100% Eigenkapital arbeiten könnte, aber in Krisenzeiten keinen Gewinn macht und nur kostendeckend läuft, keine Probleme haben, sofern die Arbeiter bezahlt und auch die Führungskräfte standesgemäss entlohnt werden können.
Wenn ich jetzt beurteilen will, welche Firma gesund ist, werde ich jetzt die Gewinne, oder die Liquidität als Kriterium nehmen? Natürlich die Liquidität! Das schliesst natürlich nie aus, dass Gewinne erwünscht sind. Anders ausgedrückt, war für die konservativen, deutschen Ã-konomen immer der Eigenkapitalanteil als Synonym für Liquidität das Qualitätsmerkmal und nicht Shareholder Value.
Wenn die Firma, die auf 100% Eigenkapital arbeitet für Neuinvestitionen diesen auf 96% verringert, wird sie den Kredit schneller, oder leichter bekommen, als die Firma, welche mit 0% arbeitet und die eine Investition der selben Höhe in derselben Branche tätigen will? Das an die Adresse von Reinhard.
Einen schönen Sonntag an alle!
Theo Stuss
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