--><font size=5>Apotheker sagen Versendern den Kampf an </font>
Arzneimittel sollen zum Patienten nach Hause geliefert werden - Konkurrenz gibt sich unbeeindruckt
von A. v. Gersdorff
Berlin - <font color="#FF0000">Die deutschen Apotheker wollen der drohenden Konkurrenz durch Arzneiversandhandel den Garaus machen, bevor diese richtig begonnen hat</font>. Patienten können Medikamente aus der Apotheke ab sofort im Internet oder per Telefon bestellen; sie werden binnen Stunden an die Haustür gebracht. Den Anfang machen 1200 Apotheken in Niedersachsen und Schleswig-Holstein in Verbindung mit bestimmten Krankenkassen, die bundesweite Ausdehnung soll folgen.
Den neuen"Home Service" präsentierte der Apotheker-Dachverband Abda zum Auftakt des Apothekertags in Köln. Abda-Präsident Hans-Günter Friese sagte, der Kunde könne über"www.aponet.de" jedes in Deutschland zugelassene Arzneimittel in einer wohnortnahen Apotheke bestellen. Ein Apothekenmitarbeiter liefere das Medikament"noch am gleichen Tag ans heimische Krankenbett". Dies sei die Antwort der Abda auf die für Anfang 2004 geplante Zulassung des Arzneimittelversandhandels.
Im Rahmen des so genannten Hausapothekenmodells muss sich der Kunde aber an eine bestimmte Apotheke binden. Diese fertigt auch eine Liste aller Arztrezepte und eingenommenen Medikamente ("Medikationshistorie") einmal im Quartal an. Mit deren Hilfe soll der Hausarzt die Behandlung optimieren können. Für diese Leistung erhält die Apotheke fünf Euro pro Fall von der Kasse - in Niedersachsen bislang von der Landesbetriebskrankenkasse, im hohen Norden von der Landesinnungskrankenkasse. Bundesweit will demnächst die Barmer vorpreschen.
Mit diesem Angebot seien die Apotheken schneller und sicherer als der"unpersönliche und anonyme Versandhandel von weither, auch aus dem Ausland", meinte Friese. Damit spielte er auf den niederländischen Internet-Arzneihändler Docmorris an, der bereits nach Deutschland versendet. Der Verband räumte ein, dass gerade alte und chronisch kranke Menschen von dem Service möglicherweise wenig profitieren, da sie PC und Internet häufig nicht nutzen könnten.
<font color="#FF0000">Die Versandapotheker zeigten sich von der Aktion unbeeindruckt und wollen 2004 unverändert an den Start gehen</font>."Wir bezweifeln die Praktikabilität des Abda-Modells", sagte Thomas Kerckhoff, Vorsitzender des Versandapothekenverbandes BVDVA, der WELT. Es sei nicht sichergestellt, dass sich alle Apotheker anschlössen, auch könne keine Apotheke die Lieferung an jeden Ort garantieren."Dann wäre das Netz aber willkürlich und lückenhaft."
Vor allem berge der"Home Service" keine Einsparpotenziale, sagte Kerckhoff."Das aber werden die Versandapotheker leisten." So könnten sie Impfstoffe zum Apothekeneinkaufspreis plus Mehrwertsteuer an Ärzte liefern. Das führe zu einer Entlastung der Patienten, der Kassen und damit letztlich der Beitragszahler. Die BVDVA sei diesbezüglich im Gespräch mit Krankenkassen.
Artikel erschienen am 18. Sep 2003
Quelle: http://www.welt.de/data/2003/09/18/170186.html, Die Welt, 18.09.2003
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<font size=5>Für die Apotheken sind die fetten Jahre vorbei </font>
Durchschnitts-Einkommen weiterhin höher als bei anderen Heilberufen - Gesundheitsreform bringt Einbußen
von Kurt Kieselbach
Bonn - Nimmt man das Klagen der Lobbyvertreter im Gesundheitswesen ernst, so schmelzen die Überschüsse vor Steuern bei allen Gruppen seit Jahr und Tag dahin. <font color="#FF0000">Im Konzert der Wehleidigen geben auch die Funktionäre der 21 465 Apothekeninhaber ihr Bestes</font>. Schon Ende 1992 kündigten in Bonn 10 000 weißgekittelte Protestler der Apothekerzunft an, es werde ein Apothekensterben einsetzen, wenn das seinerzeit von Union, FDP und SPD beschlossene Gesundheitsstrukturgesetz 1993 komme. <font color="#FF0000">Es kam. Und statt über das Apothekensterben las man schon bald darauf in den Jahresberichten der Apothekerschaft, ihre Offizine seien wahre"Job-Maschinen". Auch die Umsätze stiegen kräftig weiter</font>.
Im vergangenen Jahr setzte jede Apotheke - gerechnet nach dem arithmetischen Mittelwert und ohne Mehrwertsteuer - 1,444 Mio. Euro um. Dabei liegt der Durchschnittsumsatz einer Apotheke in Ostdeutschland beachtlich über dem einer westdeutschen Apotheke, weil es dort eine geringere Apothekendichte gibt. Experten im Bundesgesundheitsministerium haben anhand von Daten des Statistischen Bundesamtes und der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) ermittelt, <font color="#FF0000">dass im Jahr 2001 das steuerpflichtige Einkommen eines Apothekers in Ostdeutschland 131 665 Euro ausmachte, im alten Bundesgebiet 112 880 Euro</font>.
Im Vergleich mit den Einkommen anderer Heilberufe, das vom Institut für Freie Berufe an der Universität Erlangen-Nürnberg (IFB) ermittelt wird, <font color="#FF0000">toppen die Apotheker sowohl die Zahnärzte als auch die Kassenärzte</font>. Dabei ist der Einwand der Apothekerverbände richtig, dass eine"typische Apotheke" solche Mittelwerte bei Umsätzen und Einkommen nicht erreicht, weil zum Beispiel fünf Prozent der Apotheken Umsatzgiganten mit über zwei Mio. Euro sind und den Durchschnitt beeinflussen. Allerdings treffen die verschiedenen Honorarumsätze auch auf die vergleichbaren Mittelwerte bei Zahnärzten und Ärzten zu.
Tatsache ist indessen, dass allein die gesetzlichen Krankenkassen für ärztlich verschriebene Medikamente zum Beispiel seit 1993 pro Jahr im Durchschnitt über eine Mrd. Euro mehr ausgeben mussten. Im vergangenen Jahr war das bundesweit eine Summe von 23,45 Mrd. Euro (1993: 14,23 Mrd. Euro). Grund dafür ist der Fortschritt in der Arzneimitteltherapie. Doch den Politikern missfiel die weitgehend unverändert festgezurrte Handelsspannen-Verordnung für Großhandel und Apotheken.
<font color="#FF0000">Bislang verdienten Apotheker an Arzneimittel auf Rezept um so mehr, je teurer ein Medikament war. Das verlockte nicht dazu, dass der Apotheker ein Interesse hatte, ein preisgünstigeres Präparat anzubieten, wenn der Arzt nicht auf ein bestimmtes Medikament bestand und nur den Wirkstoff auf sein Rezept geschrieben hatte</font>. Nach einer"Zwischenlösung" im Jahr 2002, wo Apotheker den Krankenkassen als Großabnehmer statt bis dahin fünf nunmehr sechs Prozent Rabatt einräumen mussten, beschloss Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) den Rabatt 2003 nochmals von sechs gestaffelt auf zehn Prozent zu erhöhen.
Das schmerzt die Apotheker in diesem Jahr. Doch diese Rabattierung gegenüber den Kassen wird ab 1. Januar 2004 ein Ende haben. Eine neue Regelung der Handelsspannen wird kommen, die nach Darstellung der Bundesregierung den Apothekern eine bessere Situation als in diesem Jahr bescheren soll, aber dennoch kaum Zuwächse wie in den vergangenen Jahren bringen dürfte. Ab 2004 ist es vorbei mit hohen Handelsaufschlägen. Nur noch drei Prozent des Apothekeneinkaufspreises darf der Apotheker aufschlagen. Zusätzlich erhält er für Beratung und Service allerdings je Medikament 8,10 Euro - egal, wie teuer es ist. Davon muss die Apotheke zwei Euro den Krankenkassen erstatten. Private Krankenkassen erhalten keinen Rabatt von den Apotheken. Kassenpatienten werden deshalb künftig - von Ausnahmen abgesehen - kein verordnetes Medikament mehr unter fünf Euro Zuzahlung bekommen. Die Höchstgrenze für Zuzahlung wird ab Januar bei zehn Euro liegen. Sinn dieser Änderung ist es, den Apotheker zu motivieren, auch preiswerte Medikamente ohne Einkommenseinbußen abzugeben.
Artikel erschienen am 18. Sep 2003
Quelle: http://www.welt.de/data/2003/09/18/170065.html, Welt Online, 18.09.2003
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<font size=5>Wettbewerb wirkt </font>
Kommentar
Den Akteuren im Gesundheitswesen wird ein großes Beharrungsvermögen nachgesagt. Bundessozialministerin Schmidt meint gar, <font color="#FF0000">manche Verbandsvertreter seien"wie mit Pattex festgeklebt" und akzeptierten keinerlei Veränderungen</font>. Gerade die Apotheker üben besonders lautstark Kritik an der Gesundheitsreform. Viele fühlen sich durch die von Frau Schmidt verordnete <font color="#FF0000">kleine Dosis an Wettbewerb existenziell bedroht</font>. Schließlich mussten sie schon beim Sparpaket von 2002 Einbußen hinnehmen.
Doch statt noch länger darüber zu klagen, dass künftig kleine Apothekenketten zugelassen werden oder der Versandhandel mit Arzneimitteln erlaubt wird, gehen die Apotheker jetzt in die Offensive. <font color="#FF0000">Mussten Patienten bislang stets ins Geschäft kommen, um die gewünschten Pillen oder Salben zu erhalten, können sie die Präparate jetzt ans Krankenbett liefern lassen</font>. Mit diesem Service will die Branche verhindern, dass ihnen die Versandapotheken einen erheblichen Teil vom Umsatz abjagen. Denn gerade für Kranke und gebrechliche Menschen ist ein solcher Lieferservice attraktiv.
Vielen Patienten ist es sicher lieber, die Medikamente weiterhin von ihrer angestammten Apotheke zu beziehen, statt von einem der Internetkonkurrenten, die zudem oftmals im Ausland ihren Firmensitz haben. <font color="#FF0000">Das neue Angebot zeigt, dass Wettbewerb auch Apotheken fit macht</font>. Dorothea Siems
Quelle: http://www.welt.de/data/2003/09/18/170190.html, Welt Online, 18.09.2003
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