-->SPIEGEL ONLINE - 20. September 2003, 14:32
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Umstrittene Vorhersage
Erdbeben in Tokio verspätete sich nur um Tage
Ein japanischer Forscher erntete Spott und Häme, als er für diese Woche ein Erdbeben in Tokio vorhersagte. Am Samstag aber wurde die japanische Hauptstadt tatsächlich von einem heftigen Beben erschüttert - das glücklicherweise schwächer war als angekündigt. Zufall oder nur eine Ungenauigkeit?
Die Erdstöße ließen in Tokio 30 Sekunden lang Gebäude schwanken, hatten aber keine Todesopfer zur Folge. Mindestens sieben Personen wurden nach Angaben der Feuerwehr verletzt, als die Mauer eines buddhistischen Tempels einstürzte. Das Beben, das etwa eine halbe Minute dauerte, hatte nach ersten Messungen eine Stärke von 5,5 auf der Richterskala. Sein Epizentrum lag östlich von Tokio in der Präfektur Chiba.
Der japanische Fernsehsender NHK warnte zunächst vor der Gefahr einer riesigen Flutwelle. Meteorologen erklärten aber, ein Tsunami sei unwahrscheinlich. Berichte über Verletzte oder Sachschäden lagen vorerst nicht vor. Japan befindet sich in einer der seismisch aktivsten Regionen der Erde.
Radiowellen sollen Erdbeben verraten
Erst vor wenigen Tagen hatte der japanische Wissenschaftler Yoshio Kushida international mit der Behauptung für Aufsehen gesorgt, er könne Erdbeben relativ präzise vorhersagen. Kushida, eigentlich als Astronom bekannt, kündigte zugleich ein unmittelbar bevorstehendes verheerendes Beben in Tokio an. Allerdings hatte er auf Dienstag oder Mittwoch getippt und außerdem eine Stärke von sieben oder mehr vorhergesagt.
Kushida behauptet, den Zeitpunkt von Erdbeben mit Hilfe von Radiowellen bestimmen zu können. Wenn sich unter der Erde der Druck erhöht, so seine Theorie, sorgen Magma-Bewegungen und winzige Risse in der Erdkruste für elektromagnetische Störungen in der Atmosphäre, die bevorstehende Erdstöße verraten können.
Schweres Beben in Tokio überfällig
Auf der Basis von Daten früherer Erdbeben, unter anderem dem von Kobe, war der Forscher zu dem Schluss gekommen, dass ein machtvolles Beben wahrscheinlich schon bald die Tokioter Kanto-Ebene erschüttern werde. Zudem sind sich Wissenschaftler schon seit längerem einig, dass ein schweres Beben in der Tokioter Gegend überfällig ist. Es wäre nicht die erste Katastrophe in der Metropole: 1923 starben in Tokio durch ein Erdbeben und Feuersbrünste mehr als 120.000 Menschen.
Seismologen hegen schon seit den achtziger Jahren den Verdacht, dass Erdbeben elektromagnetische Störungen in der Atmosphäre verursachen können. Erst im Oktober vergangenen Jahres war ein Wissenschaftlerteam von fünf japanischen Universitäten unter Leitung des Physikers Masashi Kamogawa zu dem Ergebnis gekommen, dass ein Zusammenhang zwischen atmosphärischen Störungen und Erdbeben möglich ist.
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