-->Hallo fridolin,
ja, Du erinnerst Dich richtig. Ich bin von Haus aus (später) Publizist (M.A. RUB Bochum 1992/93) und habe jahrelang (vorher/nachher) in Print und Hörfunk gearbeitet.
Was ich meinte ich sogar mehr als die Recherche-Kultur. Es ist die ganze journalistische Praxis, wie sie von den (offenbar wenig übriggebliebenen) Ethikern dieses Berufstandes noch weiterhin vertreten wird.
Es gibt da ein Postulat, das sich Trennung von Nachricht und Meinung nennt. Und demnach muß wertfreie Nachricht allein stehen und darf nicht unterschwellig zwischen den Zeilen versetzt sein durch Meinung oder gar Meinungsmache. Das schließt auch eine weitgehend (so gut wie möglich) objektive Sichtweise ein. Da kann man tausende von Hebeln ansetzen. Am schlimmsten aus meienr Sicht waren die"embedded journalists" im"konventionellen Irak-Krieg", die quasi direkt aus den Amipanzern berichtet haben. Und berichtet.... BERICHT = NACHRICHT. lol
In einer Zeit, in der die Nachricht sich immer mehr mit Unterhaltung mischt, auch der Irak-Krieg war so gesehen ein Schaulaufen allererster Güte, nimmt man es in fast keiner Redaktion mehr so genau. Da spricht Peter Klöppel (mit einer Amerikanerin verheiratet) in seinem"Nachrichtenblock" automatisch von"wir", wenn er eine US-Offensive beschreibt... und anderswo ist ein Dieter Bohlen in den Nachrichten beispielsweise gleich ein genialer Pop-Gigant. Und das nicht nur bei RTL. Wertung und erstaunliche Perspektiven wohin man blickt.
Was ich mit Rercherche meine, zielt auf etwas anderes. Wir alle kennen die Bundespressekonferenzen, auf der Hunderte von Medienleuten sich gegenseitig die Mikros in die Fresse hauen. Das aber sind nur"Pflicht- oder Stullentermine". Die wirkliche Geschichte wird nicht daraus gemacht, sondern aus Hintergrund, Fachwissen und Fleißarbeit. Recherche heißt schwitzen am Telefon. Recherche heißt, Finten, Fangfragen, Archivarbeit und Quervermerke und erfordert eine gute Organisations-, Auffassungs- und Kombinationsgabe. Recherche heißt auch viele Kontakte und manchmal eine jahrelange Vorbereitung auf ein Thema, das irgendwann einmal abgerufen wird. Naher Osten heißt für mich"Fisk". Deshalb lese ich gerne den britischen"Independent". Andere Fachleute interessieren mich nur sekundär. Und an den Namen der RTL-Trulla, die in Bagdad war, kann ich mich nicht einmal erinnern.
In Amerika (anders als in der alten Welt) wird hauptsächlich aus offiziellen, amtlichen Terminen (Rede an die Nation oder anderes) die Nachricht gemacht und die Kommentare werden hinter vorgehaltener Hand an handverlesene Journalisten gleich mitgeliefert. Ausnahmen bestätigen die Regel. Deshalb sind die Amis so geil darauf, wer die erste, zweite und dritte Frage stellen darf, wenn Bush"fertig" hat. Und diejenigen, die die ersten Fragen stellen, werden die Mächtigen niemals überraschen! Es ist ein Theaterspiel.
Und in beunruhigendem Tempo stelle ich Angleichungen auch in Dtld. fest. Hier werden für Radiosender von Stromversorgern, Stahlindustrie, Wirtschaftsförderungsgesellschaften etc. längst fertige Radiobeiträge bei Sendern eingereicht, die pure PR-Dokumente sind. Und vereinzelt wird das Zeug genauso ausgestrahlt. Bei gewissen (großen) Unternehmen und Konzernen gibt es personalisierte Journalisten-Zirkel, bei denen die Wirtschaftsleute sich die Journalisten"warm halten", nachdem sie sie bezüglich der Unternehmensphilosophie"fit gemacht" oder"erzogen" haben.
Kaum eine Redaktion hinterfragt noch Pressemitteilungen. Da werden einfach die ersten fünf, sechs Sätze ein wenig umformuliert und wandern dann so in die Ã-ffentlichkeit. So kann jede Firma in ihrer Pressemitteilung katastrophale Ertragslagen noch als fantastisch verkaufen.
Bestes Beispiel ist alle Jahre wieder (so lange ich denken kann) das Gemauschel mit dem Arbeitsmarkt, bei dem immer der Vormonat für Vergleiche herangezogen wird und (bei noch halbwegs verantwortungsbewußten Mediatoren) irgendwo ganz hinten im Abgesang noch die Rede von den regulären Vergleichszahlen des betreffendes gleichen Monats im Vorjahr herangezogen werden. Aber da hat die"Meinung" klängst die designierten Rezipienten erreicht.
Es gibt noch Unterschiede.... aber bezüglich der Globalisierung und der"zunehmenden Monopolisierung" von Macht verschwimmen langsam die Konturen. Und je mehr internationaler Einfluß in die Medienlandschaft Einzug hält, je mehr werden die letzten Skrupel verschwinden, für eine Quote die Wahrheit zu verzerren.
winkääää
stocksorcerer
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