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SPIEGEL ONLINE - 02. Oktober 2003, 13:35
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T-Shirt-Zensur
US-Schüler darf Bush"International Terrorist" nennen
Im Februar schickten Lehrer den 16-jährigen Bretton Barber nach Hause, weil er ein Anti-Bush-T-Shirt trug. Der Rauswurf war nicht zulässig: Auch für amerikanische Schüler gilt das Recht auf Meinungsfreiheit, wie ein Gericht jetzt entschied.
Der Fall im US-Bundesstaat Michigan sorgte für Furore: Als Bretton Barber am 17. Februar zum Unterricht an der Dearborn High School erschien, forderte die Schulleitung auf, sein T-Shirt entweder auszuziehen und umzudrehen oder nach Hause zu gehen. Auf der Brust des 16-Jährigen prangte ein großes Foto des US-Präsidenten George W. Bush, dazu die Aufschrift"International Terrorist". Bretton Barber ging nach Hause und erschien erst am nächsten Tag wieder, mit einem anderen T-Shirt.
Acht Monate später hat ein Bundesgericht eine klare Entscheidung getroffen: Bretton Barber dürfe sein Bekenntnis-Hemd im Unterricht tragen, weil die Meinungsfreiheit für Schüler wie für jeden anderen amerikanischen Bürger gelte."Nichts deutet darauf hin, dass das T-Shirt irgendeine Störung oder Aufruhr verursacht hat", urteilte der Richter Patrick J. Duggan.
Richter plädiert für Toleranz
Kurz vor dem Kriegsbeginn im Irak hatte der Schüler im Februar ein Englisch-Referat unter dem Motto"Vergleich und Gegensatz" halten sollen - und sich für einen Vergleich zwischen George W. Bush und Saddam Hussein entschieden. Dazu trug er das T-Shirt, das er über das Internet bestellt hatte und ihm passend erschien."Bush hat über 1000 Menschen in Afghanistan getötet - das ist Terrorismus", begründete er seine Stellungnahme per Kleidung.
AP
Ein T-Shirt macht Schule: Ein Demonstrant beim G8-Gipfel in Evian trug's ebenfalls
Die Schulleitung indes befürchtete, dass Ressentiments an der High School in einem Detroiter Vorort hochkochen könnten. Dort ist die Mehrheit der Schüler arabischer Herkunft. Dearborn ist das Zentrum einer Arabisch-Amerikanischen Gemeinschaft, der rund 300.000 Menschen im Südosten Michigans angehören. Eine ruhige Lernatmosphäre genieße höchste Priorität, sagte Schulsprecher Dave Mustonen.
Nach Auffassung des Richters gab es allerdings"keine Basis für die Befürchtung der Schulleitung, abgesehen von der Überzeugung, das T-Shirt vermittle eine unpopuläre politische Botschaft". Eine Schulumgebung, in der jeder unterschiedliche Standpunkte offen vertreten könne und andere Meinungen zu akzeptieren lerne, sei für alle Schüler ein Gewinn.
Viel Lob für Bretton Barbers Zivilcourage
Die Leitung der Dearborn High School äußerte sich zum Urteil bisher nicht. Die Amerikanische Bürgerrechts-Union (ACLU) in Michigan hatte Bretton Barber beim Rechtsstreit unterstützt."Das Gerichtsurteil bestätigt das Prinzip, dass Schüler das Recht, ihre Meinung über Dinge von großer öffentlicher Bedeutung zu äußern, nicht an der Schultür abgeben", sagte ACLU-Sprecherin Kary Moss. Und Barbers Rechtsanwalt Andrew Nickelhoff ergänzte, manchmal müsse man einfach seine Rechte verteidigen - genau das habe Bretton Barber getan.
Im April hatte auch eine Schule in Virginia einen Schüler nach Hause geschickt, weil er das gleiche"International Terrorist"-Shirt anzog wie Bretton Barber. Ob der das T-Shirt jetzt wieder demonstrativ im Unterricht tragen wird, ist noch offen - Barber habe sich noch nicht entschieden, sagte einer seiner Anwälte.
Jetz wird der Schüler erst einmal von der ACLU für seinen Mut ausgezeichnet: Am 8. November soll John Tinker ihm einen Preis überreichen. Tinker hatte 1969 in einem Rechtsstreit vor dem amerikanischen Verfassungsgericht für Aufsehen gesorgt - während des Vietnam-Krieges war er von der Schule geflogen, weil er mit einem schwarzen Armband gegen den Krieg protestiert hatte.
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