-->Oh,... es ist nicht einfach
von unserem Korrespondenten Bill Bonner
Oh, liebe(r) Leser(in)... es ist nicht einfach.
Die Presse... die Schlagzeilen... Ihre Nachbarn... Volkswirte...
Broker... Analysten... vielleicht sogar Ihr Ehepartner(in) - fast
jeder im gesamten finanziellen System sagt Ihnen, dass Sie sich keine
Sorgen zu machen brauchen. Es steht auf den ersten Seiten der
Zeitungen, wie in USA Today:"Neue Daten weisen auf mehr Arbeitsplätze
hin..."
Es hat einen"Wetterwechsel" gegeben, sagen sie. Jetzt denkt jeder,
dass der schöne Himmel und vorteilhafter Wind sie überall dahin
bringen werden, wohin so wollen - zu Reichtum ohne Mühen, Gewinne ohne
Schmerz, und jeden Abend Essen gehen. Schulden? Keine Sorge deshalb,
sagen sie. Zumindest die US-Wirtschaft ist so dynamisch, so
prosperierend, so innovative - die Amerikaner werden sich schon ohne
Schweiß aus den Schulden herausarbeiten können.
Wie kann das sein, liebe(r) Leser(in)? Gestern schrieb ich, dass in
den USA die Schulden sechsmal so schnell wie die Einkommen wachsen. Im
September haben sich die Verbraucherschulden um 15,1 Mrd. Dollar
erhöht - was die Gesamtschuld auf 1,97 Billionen (!) Dollar gebracht
hat. Wie arbeitet man sich aus den Schulden heraus, wenn man für jeden
Dollar mehr Einkommen 6 Dollar neue Schulden macht? Der Betrag, den
die amerikanische Nation dem Ausland schuldet, ist 3 Billionen Dollar
größer als der Betrag, den die Ausländer den USA schulden. Und dieser
Betrag wächst pro Jahr um eine halbe Billion Dollar, dank einem
Handelsbilanzdefizit, das 10 Mal so groß ist wie vor 10 Jahren. Als
Prozentsatz am BIP haben die amerikanischen Schulden schon Rekordwerte
erreicht. Für fast 100 Jahre lag das Verhältnis von gesamten Schulden
zu BIP zwischen 120 und 160 %. Nur 1929 wurde das Verhältnis
grotesk... als es 260 % erreichte. Und raten Sie mal, wo es heute
steht? Bei über 300 %, und es wächst weiter (Anmerkung: Dabei sind
alle Schulden, also auch die privaten, berücksichtigt).
Ja, das BIP ist zuletzt um mehr als 7 % pro Jahr gewachsen. Ja, die
Produktivität ist um mehr als 8 % gestiegen. Und ja, die jüngsten
Zahlen zeigen, dass die Beschäftigung steigt.
Aber diese paar Informationen sind nicht mehr als zufälliger Lärm. Die
Beschäftigtenzahlen mögen steigen - aber verglichen mit dem Anstieg,
den sie bei jeder der letzten Wirtschaftserholungen geschafft haben,
ist dieser Anstieg lächerlich.
Und im nächsten Monat könnte die Beschäftigtenzahl auch schon wieder
fallen. Und eine genaue Untersuchung würde zeigen, dass die Zahlen zum
Produktivitätswachstum so täuschend und bedeutungslos sind wie eine
Wahlkampagne. Und das BIP? Ein großer Humbug... Scharlatan."Gib mir
eine Billion Dollar, und dann werde auch ich Dir eine gute Zeit
geben", sagte Buffett über den derzeitigen Boom. Was er damit sagen
wollte: Wenn man genug Staatsausgaben und neue Kredite in die
Wirtschaft pumpt... dann wird irgendetwas passieren.
Was passiert ist, ist, dass die Flut an neuem Geld und billigen
Krediten es den Amerikanern ermöglicht hat, noch größere Idioten aus
sich zu machen - sie konnten Geld leihen und ausgeben, wo sie es doch
eigentlich notwendig hätten, zu sparen.
Buffett schreibt in einem Artikel im Fortune-Magazin, dass das
Antürmen von Schulden seiner Meinung nach vergleichbar mit dem Verkauf
der Vermögensgegenstände der Nation an Ausländer sei."Mein Grund,
warum ich mein Geld schließlich dahin getan habe, wo mein Mund ist (er
hat ausländische Währungen gekauft), ist, dass sich unser
Handelsbilanzdefizit drastisch vergrößert hat, bis zu dem Punkt, wo
der 'Netto-Reichtum' unseres Landes jetzt mit einer alarmierenden Rate
ins Ausland transferiert wird."
Laut Warren Buffett haben die Amerikaner Jahr für Jahr ihren
nationalen Reichtum verschwendet. Buffett schätzt, dass das gesamte
Vermögen der USA bei ungefähr 50 Billionen Dollar liegt. Aber Jahr für
Jahr geben die Amerikaner mehr aus, als sie verdienen. Bereits 5 % des
Nationalvermögens ist in ausländische Hände gegangen...
Für den Moment scheint die Fed Erfolg gehabt zu haben. Sie hat die
Amerikaner tiefer in die Schuldenfalle gelockt, sie hat sie ermuntert,
noch mehr Geld, das sie nicht haben, für Dinge, die sie nicht
brauchen, auszugeben.
Aber wie lange kann das noch so weitergehen? Verschlimmert nicht jeder
Dollar an neuen Krediten die Situation... denn die Rechnung wird
dadurch größer, und die muss eines Tages irgendwie bezahlt werden -
entweder vom Schuldner oder vom Gläubiger?
Was für eine"Erholung" ist das, wenn man nur sein Vermögen schneller
los wird?
Ich bin ein Spielverderber, weil ich diese Frage stelle.
Hier ist Eric, mit mehr News...
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Mittwoch, 12. November 2003
Neuer Bullenmarkt... nicht bei Aktien, sondern bei Rohstoffen?
von unserem Korrespondenten Eric Fry in New York
Monatelang haben die Investoren jetzt im warmen Wind einer
Wirtschaftserholung gelebt, während sie die kalte Realität der
eskalierenden Gewalt im Mittleren Osten ignoriert haben. Und jede
Menge positive wirtschaftliche News zu Hause haben es leichter
gemacht, den stetigen Strom negativer Nachrichten"von dort" zu
ignorieren.
Aber es wird immer schwieriger, die schlechten News aus dem Mittleren
Osten zu ignorieren. Sicher, ein oder zwei Attentate auf US-Soldaten
im Irak oder Saudi Arabien werden nicht die Gewinne der im S&P 500
enthaltenen Unternehmen reduzieren. Andererseits ist die eskalierende
terroristische Aktivität auch nicht gerade bullish... außer für
Rohstoffpreise.
Der Ã-lpreis ist auf ein frisches 3-Wochen-Hoch von 30,88 Dollar pro
Barrel gestiegen, und der Goldpreis auf gut 387 Dollar heute
Vormittag."Der Bullenmarkt für Rohstoffe hat gerade erst begonnen,
besonders für Ã-l", so John Myers, Herausgeber von Outstanding
Investments."Saudi Arabien hat große, große Probleme. Innerhalb der
eigenen Grenzen steigt die Spannung. Nicht nur, dass die Zukunft des
königlichen Hauses der Saud, der herrschenden arabischen Familie,
bedroht wird... dadurch wird auch die Zukunft jeder Nation, die von
saudischem Ã-l abhängt, aufs Spiel gesetzt. Besonders betroffen ist
natürlich Amerika."
"Die Zukunft der USA und die der Saudis ist so miteinander
verflochten, dass die Amerikaner einfach betroffen sein MÜSSEN. Aber
in jeder Krise liegt auch eine Chance. Wenn ich Recht habe, dann
werden die Ã-lpreise wieder einmal einen steigenden Trend haben. Nur
dass dieser Trend dieses Mal permanent sein wird..."
Ich könnte mir vorstellen, dass die"Desillusions-Phase" des Marktes
jetzt bald beginnen wird. Die Probleme im Mittleren Osten sind
wahrscheinlich schlimmer, als es aussieht, während die Stärke der
US-Wirtschaft wahrscheinlich weniger groß ist, als es aussieht.
In den USA scheint die Wirtschaft beeindruckend zu wachsen."(Aber)
die offensichtliche und wichtige taktische Frage ist doch, ob diese
neu gefundene Vitalität nachhaltig ist", so Stephen Roach, der immer
auf der Bärenseite steht."Die jüngsten US-Arbeitsmarktzahlen können
mit vergleichbaren Zahlen von vorherigen Wirtschaftserholungen nicht
mithalten. So konnte die große amerikanische Job-Maschine zum Beispiel
in den Erholungen Mitte der 1970er und Anfang der 1980er rund 300.000
neue Arbeitsplätze pro Monat generieren, und das 6 Monate nachdem der
Aufschwung begonnen hatte... in diesem breiteren Kontext sind 125.000
neue Arbeitsplätze in den letzten 2 Monaten beklagenswert wenig."
"Die Details hinter der Verbesserung am Arbeitsmarkt in den letzten
drei Monaten erfordern besondere Aufmerksamkeit", so Roach weiter.
"78 % des Zuwachses bei den Beschäftigten konzentrierte sich auf drei
besonders geschützte Bereiche - Bildung und Gesundheit, Zeitarbeit und
Arbeit beim Staat. Das sieht kaum wie ein breit gefächertes Schaffen
von Arbeitsplätzen durch Unternehmen aus, was die Basis für eine
klassische zyklische Erholung sein würde... ich denke weiterhin, dass
es zu früh, ist, für diese an Ersparnissen knappe, überschuldete
Post-Spekulationsblasen US-Wirtschaft Entwarnung zu geben - es gibt
eine Grenze für die Robustheit der US-zentrischen weltweiten
Wirtschaftsdynamik."... Oder zumindest sollte das so sein.
Aber wieder einmal ist das den meisten Investoren einfach egal. Das
Job-Wachstum mag schwach sein, aber die Spekulation hat
Hochkonjunktur. Der volatile Nasdaq Composite-Index hat in den letzten
12 Monaten über 75 % zugelegt, während zahlreiche ehemalige
"Pennystocks" jetzt wieder mehrere Dollar wert sind.
Seit mehr als einem Jahr hat die halsbrecherische Spekulation die
"normalen" Formen der Spekulation übertroffen. Auch das sollte sich
ändern. Während der Desillusionsphasen von Aktienmarktzyklen ist
normalerweise die Vorsicht größer als die halsbrecherische
Spekulation.
"Während die vergangene Performance suggeriert, dass der aktuelle
Bullenmarkt, der am 10. Oktober seinen ersten Geburtstag feiert, immer
noch jung ist, warnt das auch die Investoren davor, dass der obere
Wendepunkt auftauchen könnte", so USA Today."Wenn dieser Bullenmarkt
nur ein kurzfristiger Anstieg in einem längerfristigen Bärenmarkt sein
sollte - was oft ein 'zyklischer' Bullenmarkt genannt wird -, dann
könnte die Zeit gegen den derzeitigen Aufwärtstrend sein. Ned Davis
hat herausgefunden, dass die 17 zyklischen Bullenmärkte seit 1900 im
Durchschnitt 371 Tage angedauert haben. Der derzeitige Bullenmarkt ist
bereits 394 Tage alt."
Man sollte den Leichenwagen in Reichweite halten.
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Mittwoch, 12. November 2003
Tag des Waffenstillstands
von unserem Korrespondenten Bill Bonner in Paris
*** Gestern war in den USA und Kanada der"Veteran's Day", also der
Tag der Kriegsveteranen. Und in Frankreich wurde der Tag des
Waffenstillstands gefeiert. Während in Deutschland der Beginn der
"Fünften Jahreszeit", also des Karnevals bzw. Faschings, gefeiert
wurde, wurden zur 11. Stunde des 11. Tags des 11. Monats überall in
Frankreich die Glocken geläutet - zur Erinnerung an den teuersten
Krieg der Nation, der an diesem Tag im Jahr 1918 endete.
Genau an diesem Tag erhielt die Mutter des Dichters Wilfed Owen ein
Telegramm, das sie darüber informierte, dass ihr Sohn gefallen sei. Da
dieses Telegramm genau am Tag des Kriegsendes eintraf, muss es mehr
als nur Kummer gebracht haben."Wofür?" mag sie sich gefragt haben.
Wilfred Owen mag sich auch gewundert haben. Seine Gedichte waren gegen
die Kriegsverherrlichung. Er beschrieb Soldaten, die in einen
Giftgasangriff geraten waren:
"You would not tell with such high zest To children ardent for some
desperate glory The old lie: Dulce et Decorum est Pro patria mori."
Owen sah viele Männer sterben; und das war niemals ein süßer Tod, noch
war es glorreich, so beobachtete er. Sondern grauenvoll.
Dennoch wollen die Menschen sich von Zeit zu Zeit töten. Im ersten
Weltkrieg starben Millionen von Menschen. Man kann die Leute heute
fragen, warum sie gestorben sind, und keiner kann einem einen guten
Grund nennen. Keine Nation konnte irgendetwas gewinnen... und keine
hat auch gewonnnen. Aber die Toten waren nicht weniger tot.
Der kanadische Rundfunk sendete einen Tag vor dem Gedenktag:
"Vergessen Sie nicht, einen Moment an die vielen Kanadier zu denken,
die gestorben sind, als sie unsere Freiheit und unser Land
verteidigten."
Auch ich glaube daran, dass man die Toten ehren sollte. Aber ohne
Humbug. Kanada war weniger an den Kriegen beteiligt als andere größere
Kriegsteilnehmer. Egal, wie der Erste Weltkrieg ausgegangen wäre - in
Kanada selbst hätte das wohl kaum einen großen Unterschied gemacht.
Aber ich erkenne Tapferkeit auch schon der Tapferkeit willen an -
selbst in einem absurden Fall.
Einer der letzten kanadischen Veteranen aus dem Ersten Weltkrieg ist
letzte Woche im Alter von 106 Jahren gestorben. Es gibt nur noch 10
solcher Veteranen (in Frankreich gab es letzte Woche noch 36 solcher
Männer). Aber diese alten Soldaten sterben schnell. Bald wird es
keinen mehr von ihnen geben.
Die kanadischen Soldaten waren mit die besten britischen
Kolonialtruppen... und deshalb wurden sie auch am wahrscheinlichsten
getötet. Wenn das Sterben im Krieg süß ist, dann waren die Soldaten
aus Neufundland besonders gesegnet. Ein Viertel der 6.000 Männer des
Neufundland-Regiments kam nie wieder nach Hause. Aber"nichts übertraf
den Blutzoll des Massakers in Beaumont-Hamel an der Westfront am 1.
Juli 1916", so der Toronto Globe and Mail."Ungefähr 800 Soldaten aus
Neufundland kletterten aus ihren Schützengräben, und sie rannten gegen
die deutschen Maschinengewehre an. Ihnen war gesagt worden, dass die
Deutschen durch ein intensives Bombardement geschwächt worden waren
und dass der Stacheldraht vor ihren Linien durchlässig sei. Nichts
davon stimmte. Am nächsten Morgen meldeten sich beim Appell des
Regiments nur noch 68 Männer."
"Ein Augenzeuge sagte, dass die Leute aus Neufundland in einen
Kugelregen vorstießen..."
Aber die alte Lüge schluckte sie alle, wie ein Sturm. Mehr dazu in
meinem Artikel weiter unten...
*** Meine Tochter Maria ist übrigens der Hit in Deutschland. Sie ist
zwei Monate in Folge auf dem Cover des"Madame"-Magazins gewesen. Und
gestern war sie bei einer Probe... es ging darum, ob sie zur Londoner
"Royal Academy of Dramatic Arts" zugelassen wird. Ich werde heute
erfahren, wie es lief...
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Mittwoch, 12. November 2003
Der Tag des Waffenstillstands
von unserem Korrespondenten Bill Bonner
Im August 1914 zogen Millionen junger Männer Uniformen an. Diese
Männer wurden dann überall in europäischen Städten in Züge gesetzt und
an die Front gefahren. Zu Hause rollten die Mütter, Väter und
Kneipenbesitzer Karten aus, auf denen sie den Fortschritt der Männer
und Jungs, die sie liebten, verfolgen konnten... und sie konnten mit
ihren Fingern den Ruhm und den Ernst des Krieges verfolgen.
Ich habe eine dieser alten Karten gefunden... auf der die Front des
Jahres 1916 dargestellt war... zusammengerollt auf dem Dachboden
unseres Hauses in Frankreich. Ich habe mir diese Karte angesehen und
mich gefragt, was sich die Leute gedacht haben... und wie entsetzt
sie über die Ereignisse gewesen sein müssen.
Der Erste Weltkrieg war ein Krieg, der anders war als die Kriege, die
die Welt vorher gesehen hatte. Alte Generäle... sahen sich den
Amerikanischen Bürgerkrieg und den Deutsch-Französischen Krieg von
1870 an, um Hinweise zu erhalten, wie der neue Krieg ablaufen könnte.
Das war eine neue Ära der Kriegsführung.
Die Leute waren mit dem neuen Zeitalter der Maschinen schon vertraut.
Sie hatten es kommen gesehen, sich entwickeln, eine lange Zeit lang.
Sie hatten auch ihre Sprache verändert, um zu reflektieren, dass sie
verstanden hatten, wie die Dinge funktionieren."Unter Dampf stehen",
"auf dem richtigen Gleis sein", und so weiter waren neue Begriffe, die
damals entstanden. Diese neuen Metaphern hätte vor dem Industriellen
Zeitalter niemand verstanden. Die neue Technologie hatte die Art, wie
die Leute dachten, geändert... und die Art, wie sie sprachen.
Der Erste Weltkrieg zeigte der Welt, dass das neue Paradigma eine
tödliche Kraft hinter sich hatte, die niemand erwartet hatte.
Zu Beginn des Krieges folgten die deutschen Truppen dem sogenannten
Schlieffen-Plan. Sie rückten durch das neutrale Belgien nach
Nordfrankreich ein und trieben die französische Armee vor sich her.
Bald zogen sich die Franzosen an den Fluss Marne bei Paris zurück. Und
es sah so aus, als ob die Deutschen bald siegen würden.
Die deutschen Generäle glaubten, dass die französische Kampfkraft
gebrochen sei. Deshalb wich General von Kluck vom Plan ab; statt Paris
zu nehmen, entschied er sich dazu, die französische Armee zu
verfolgen, die sich in die Nähe der Stadt zurückzog, weil er hoffte,
diese Armee komplett vernichten zu können.
Aber es gab etwas Ungewöhnliches... es wurden kaum französische
Soldaten gefangen genommen. Eine Armee, die zusammenbricht, verliert
normalerweise jede Menge Kriegsgefangene.
Es zeigte sich, dass die französische Armee doch nicht geschlagen
worden war. Sie zog sich in guter Ordnung zurück. Und als der alte
französische General Galieni sah, was passierte... nämlich dass sich
die deutschen Truppen von Paris wegbewegten... da sprach er seine
berühmten Worte:"Sie bieten uns ihre Flanke an."
Galieni griff an. Die Deutschen wurden zurückgeschlagen und der Krieg
wurde zum Schützengraben-Alptraum von Maschinengewehren, Senfgas,
Stacheldraht und Artillerie. Jeden Tag brachte die britische"Times"
eine Liste mit den britischen Verlusten. Als die Generäle in London
ihre Angriffsbefehle gaben... wurde die Liste länger. Während der
Schlacht an der Somme bestand diese Liste Tag für Tag aus mehreren
Seiten, voll mit Namen.
Als die USA in den Krieg eintraten, lag die durchschnittliche
Lebenserwartung eines Soldaten an der Front bei nur 21 Tagen.
Nach und nach bekamen die Leute zu Hause das mit... durch
Telegramme... Briefe. Die Kirchenglocken läuteten. Die schwarzen
Kleider der Hinterbliebenen. Und nach und nach wurden die Karten
wieder eingerollt. Die Finger vergaßen die Karten, und jetzt hielten
sie nervös Kreuze und Zigaretten. Es gab keinen Ruhm mehr... nur noch
Tränen.
In den kleinen französischen Dörfern gab es kaum eine Familie, die
nicht betroffen war. Die Namen auf den Denkmälern in den Dörfern...
auf denen steht"Nos Heros... Mort Pour La France" enthalten fast
alle Namen der Familien im Dorf. So auch in unserem Dorf: Fast alle
Namen, die ich kenne, sind enthalten - Bremeau, Brule, Lardeau,
Moreau, Moliere, Demazeau, Thollet... die Liste geht noch weiter. Es
gab einen"Bullenmarkt des Todes", der erst am 11. November 1918
endete... um 11 Uhr.
In den Jahren danach läuteten in Frankreich immer am 11. November um
11 Uhr die Glocken, und selbst in den USA standen die Leute dann für
einen Moment still... und sie erinnerten sich an den schrecklichen
Blutzoll der vier Kriegsjahre. Aber jetzt ist das fast vergessen.
Wir haben jetzt neue Paradigmen. Und einen neuen Krieg. Die neue
Technologie hat wieder unsere Sprache geändert... und sie hat die
Welt geändert, in der wir leben. Wie damals die Eisenbahnen das auch
getan hatten. Wir denken anders, und wir nutzen neue Metaphern, um zu
verstehen, wie die Welt funktioniert.
Wir sind von der neuen Technologie fasziniert... wir glauben, dass
sie uns helfen wird, Kriege zu gewinnen, mit nur sehr geringen
Verlusten. Und wir glauben, dass diese neuen Technologien neuen
Reichtum schaffen werden... und eine Lebensqualität, die vorher nicht
möglich war.
Ich habe gestern um 11 Uhr eine Schweigeminute eingelegt.
P.S.: Die Nachwirkungen des Ersten Weltkriegs sind noch sehr, sehr
lange zu spüren gewesen. In den 1980ern machte mein Vater eine kleine
Erbschaft von einem"Onkel Albert". Ich erinnere mich daran, dass mein
Vater sagte:"Onkel Albert? Wer ist das denn?" Dieser Mann war aber
tatsächlich ein Onkel meines Vaters, aber er war seit vielen Jahren
vergessen. Er war ein Soldat im Ersten Weltkrieg gewesen, und dort
hatte er durch eine explodierende Bombe eine Gehirnverletzung
erlitten... von der er sich niemals erholte. Er verbrachte sein
gesamtes Erwachsenenleben in einem Militärkrankenhaus.
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