-->Wird in 3Sat Kulturzeit zw. 1:05 und 1:45 am wiederholt.
Das Ding mit den Saudis ist für mich neu gewesen (unten, in fett)
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Warum Amerika schlief
Gerald Posner über den Hintergrund der Terroranschläge
Wie konnte es zu den Terroranschlägen vom 11. September 2001 kommen? Warum schlief Amerika? Diese Fragen werden die Welt noch lange beschäftigen. Der US-amerikanische Journalist Gerald Posner ist ihnen in seinem neuen Buch"Why America Slept" nachgegangen.
Mit dem ersten Anschlag auf das World Trade Center im Februar 1993 erreicht der heilige Krieg Amerika - ein erster Weckruf. Sechs Menschen sterben bei dem Attentat. Doch Terrorbekämpfung gehört nicht zu den Prioritäten des damaligen US-Präsidenten Bill Clinton.
"Clinton und seine Berater haben diese Terrorattacken, wie zum Beispiel den ersten Anschlag auf das World Trade Center, die Attentate auf US-Botschaften 1998 und den Angriff auf den Zerstörer USS Cole im Jahr 2000, als individuelle kriminelle Handlungen bewertet", sagt Posner."Es waren Terroranschläge, verübt von Fundamentalisten. Und es war der Job des FBI, die Verantwortlichen dingfest zu machen." Clinton habe dies jedoch nie als"einen fortdauernden kulturellen und religiösen Krieg von Gotteskriegern gegen die USA angesehen".
Keine Vergeltung für Anschläge
Im August 1998 zerstörte eine Autobombe die US-Botschaft in Nairobi. In Amerika aber beherrschte die Clinton-Lewinsky Affäre die Schlagzeilen. Am gleichen Tag gab es bei einem Anschlag in Dar es Salaam über 250 Tote. Bei dem Angriff auf die USS Cole im Yemen starben 17 Seeleute. Vergeltung gab es keine."Es war auf jeden Fall ein Fehler, darauf nicht zu antworten", glaubtPosner."Clinton tat nichts, weil seine Amtszeit zu Ende ging und er das Problem der Bush-Regierung überlassen wollte. Als diese dann im Amt war, lag der Vorfall mit dem Kriegsschiff schon ein paar Monate zurück und war nicht mehr richtig aktuell."
Osama bin Laden und El Kaida seien dagegen die inneramerikanischen Probleme egal gewesen."Alles was die bemerkten, war das Fehlen einer Antwort auf die Anschläge", so Posner."Sie hatten zuvor schon die vergleichsweise schwachen Vergeltungsschläge auf die Attacken der Botschaftsgebäude in Afrika 1998 wahrgenommen, bei denen immerhin Hunderte ums Leben kamen."
Skandale haben Vorrang
Als George W. Bush im Januar 2001 Präsident wird, hat Terrorbekämpfung immer noch keine hohe Priorität. Immerhin liegt seit 1999 eine alarmierende Studie vor, verfasst von US-Senatoren."Das Problem mit diesem Report war ein Satz, der einen aufhorchen lässt nach dem 11. September." Posner interviewte deswegen Senator Gary Hart."In dem Report hieß es: 'Ein Anschlag mit katastrophalen Folgen wird auf amerikanischem Boden stattfinden! Das ist unausweichlich!'"
Warum darauf niemand reagiert hat, fragt der Journalist."Die Antwort darauf: Es folgte ein Komma nach diesem Satz, und dann ging es weiter mit: 'in den nächsten 25 Jahren'. Wenn man einem Politiker - wo auch immer - erzählt, da gibt es ein Problem, aber erst in 25 Jahren, dann wird er es seinen Nachfolgern überlassen", sagt Posner. Und das sei hier auch geschehen.
Bin Laden auf dem Präsentierteller
Bin Laden konnte sich sicher fühlen. Der große Satan USA ist zahnlos, wenn es darauf ankommt. 1996 ist er im Sudan, auf dem Präsentierteller für die Amerikaner. Der Sudan will die Verbindungen zu den USA verbessern, Bin Laden sollte als Gastgeschenk dienen."Die Schlüsselfrage für die Amerikaner war: Sollen wir ihn übernehmen?" sagt Posner."Und die Clinton-Regierung sagte Nein. Es wurde behauptet, es gäbe nicht genug Beweise gegen Bin Laden, aber ich glaube, das ist nicht wahr." Man habe gewusst, dass er vor einem amerikanischen Gericht hätte verurteilt werden können, so Posner. Die Regierung habe das nicht gewollt."Das hätte Vergeltungsmaßnahmen in der ganzen Welt zur Folge gehabt und Befreiungsversuche. So sagte man sich in Washington: Lass ihn nach Pakistan oder Afghanistan abhauen, soll er dort in der Wildnis verschwinden."
Die Sicherheitsdienste spielen keine ruhmvolle Rolle. Hätten sie richtig gearbeitet, wäre der 11. September zu verhindern gewesen. Kompetenzstreit, Konkurrenzdenken und schlichte Unfähigkeit führten zu ihrem Versagen."Drei Wochen vor den Angriffen kamen immer mehr Informationen und Hinweise beim CIA an, es sei etwas im Gange mit dem Luftverkehr", so Posner."Die CIA sagte sich, vielleicht sollten wir jemandem davon erzählen, dass sich zwei potentielle Attentäter im Lande befinden." Also seien die Einwanderungsbehörde und das FBI verständigt worden."Die haben nachgesehen, aber nichts gefunden, obwohl einer mit vollem Namen im Telefonbuch von San Diego verzeichnet war, beide führten Bankkonten auf ihren Namen, die Sozialversicherungskarten lauteten auf die richtigen Namen, ein Auto wurde unter dem wahren Namen gekauft und selbst die Flugreservierungen für die Attacken am 11. September wurden unter dem richtigen Namen vorgenommen."
Unsanftes Erwachen
Amerika wachte auf - doch zu spät, verschlafen und mit Kopfschmerzen. Eine Untersuchungskommission sollte die Fehler, Versäumnisse und die Hintermänner der Tat beim Namen nennen. Allerdings bleibt vieles im Dunklen. Wortwörtlich, denn ganze Passagen sind geschwärzt und bleiben Top Secret.
Dies bietet Raum für Spekulationen, an denen beteiligt sich auch Posner. Seitdem ist er Dauergast in US-Talkshows. Das letzte Kapitel im Buch bietet Sprengstoff. Ein Pakistani, festgenommen im März 2002, erzählt, was er weiß. Sein Name lautet Abu Zubaydah."Nachdem die Ermittler ihm vorgemacht hatten, er werde nicht von Amerikanern verhört, sondern von Saudis, sagte er ihnen: Ruft diese Telefonnummer an, dieser Mann wird wissen, was zu tun ist", erzählt Posner."Zubaydah glaubte, er könne seinen saudischen Vernehmern den Namen von jemanden geben, der helfen könne. Die Nummer gehörte zu einem Mobiltelefon und dessen Besitzer war ein Neffe des saudischen Königs, Prinz Ahmed bin Salman."
Ahmed bin Salman ist ein durchaus westlich orientierter Mann. Aber ist er ein Terroristenfreund? Um Zweifel zu zerstreuen nannte Zubaydah noch die Namen von drei weiteren saudischen Prinzen und den Namen des pakistanischen Luftwaffenchefs Mushaf Ali Mir. Sie alle seien eingeweiht."Und dann kam er mit der schockierendsten Aussage heraus", so Posner,"der Neffe des saudischen Königs und der Chef der pakistanischen Luftwaffe wussten, dass Anfang September 2001 ein Angriff auf amerikanischen Boden stattfinden würde. Und sie unternahmen nichts dagegen."
Saudis schweigen
Als Zubaydah merkt, dass er nicht von Saudis, sondern von Amerikanern befragt wird, widerruft er alles. Was tun? fragen sich die Amerikaner. Hinter den Kulissen werden die Saudis mit den Aussagen konfrontiert."Vier Monate nachdem Zubayda den Namen von Prinz Ahmed, dem Neffen des Königs preisgegeben hatte, stirbt dieser nach einer Operation in einem Krankenhaus in Riad", berichtet Posner."Am nächsten Tag sei ein weiterer Prinz, den Zubaydah genannt hatte bei einem Autounfall auf dem Weg zur Beerdigung von Prinz Ahmed gestorben."Drei Tage später stirbt Prinz Fahd, 25 Jahre alt, er verdurstet in der Wüste." Auch er wurde von Zubaydah genannt, wie der pakistanische Luftwaffenchef Ali Mir, der mit dem Flugzeug abstürzt.
Alles Zufälle? fragt Posner. Oder wird aufgeräumt? Wenn ja, von wem? Die Saudis weisen jegliche Verbindung zum Terror empört zurück: Posners Buch sei ein Machwerk. Darüber hinaus herrscht Schweigen im Land der Saudis.
Gerald Posner
Why America Slept
Random House 2003
ISBN 0375508791
Etwa € 25,00
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