-->An der CDU-Basis ist die Hölle los"
Von Karl Feldmeyer
13. November 2003 Das ist ein bitterer Freitag für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Alles kommt zusammen: Der ungewöhnlich frühe Zeitpunkt der Sondersitzung um acht Uhr und der Inhalt. Erstmals in der Geschichte der Fraktion soll der Stab über einem Mitglied gebrochen werden. Es geht um den Ausschluß von Martin Hohmann.
Der Kollege genießt, so die allgemeine Einschätzung in der Fraktion, unabhängig von seiner inkriminierten Rede bei den meisten Sympathie. Nicht wegen seiner politischen, sondern wegen seiner menschlichen Qualitäten: Bescheiden, freundlich, hilfsbereit, nicht eitel und kameradschaftlich, so schildern ihn Fraktionskollegen am Tag vor dem Urnengang - und zwar auch solche, die an ihrer Verurteilung dessen, was er gesagt hat keinen Zweifel lassen.
Zwei Drittel der Abgeordneten - aller, nicht nur der Anwesenden - müssen dem Antrag der Vorsitzenden zustimmen, um Hohmann auszuschließen. Das wären 166 von 248 Abgeordneten. Sind es weniger, so wird aus dem Fall Hohmann ein Fall Merkel. Dessen ist sie sich bewußt - und ihre Fraktion ist es auch.
Geheime Abstimmung
Bisher hat kein einziger Abgeordneter gesagt oder auch nur zu verstehen gegeben, er werde am Freitag gegen Hohmanns Ausschluß stimmen - auch nicht der CSU-Abgeordnete Geis oder Abgeordnete wie Brunnhuber und Kues, von denen man sagt, sie stünden ihm besonders nahe. Aber daraus zu schließen, daß die Zweidrittelmehrheit gesichert ist, die die Geschäftsordnung der Fraktion für solche Fälle vorschreibt, dazu ist am Tag vor der Entscheidung niemand bereit. Der Druck, der intern wie öffentlich auf die Abgeordneten ausgeübt wird, sei so hoch, räumt man ein, daß man aus diesem Verhalten keine Schlüsse mehr ziehen könne. Denn entschieden wird in geheimer Abstimmung.
Wie bereits am Dienstag, so wird auch diesmal wieder unter Ausschluß aller Mitarbeiter getagt. Die erforderliche Dreitagefrist ist beachtet worden. Nur Abgeordnete nehmem am Freitag morgen an der Sitzung teil. Die Stimmkarten werden nach Abstrich auf der Anwesenheitsliste abgegeben. All das soll sicherstellen, daß das Ergebnis nicht gerichtlich wegen Verfahrensfragen als inkorrekt angefochten werden kann. Auch die Aufgabe der Stimmauszähler wird deshalb diesmal von Abgeordneten wahrgenommen.
Ob sich Hohmann oder andere am Freitag noch einmal zu Wort melden, bleibt abzuwarten. Sowohl Merkel als auch Hohmann haben sich vor der Entscheidung noch einmal an die Abgeordneten gewandt und für sich zu gewinnen versucht. In der Wahlkabine aber sind die Abgeordneten mit sich und ihrem Gewissen allein. Da endet jede Einflußnahme von außen.
„Mit der Faust in der Tasche“
Trotz dieser undurchsichtigen Situation gibt es Einschätzungen, die die Kenntnis der Personen und die vorherrschende Stimmung berücksichtigen. Letztere wurde am Donnerstag aus der Fraktion heraus so beschrieben: „Die meisten Abgeordneten entscheiden sich mit einer Faust in der Tasche gegen Hohmann, wenn sie es denn tun, und zwar aus der Einschätzung heraus, daß bei einer Ablehnung des Antrags der Laden auseinanderfliegt und die Merkel dann weg ist". Daß eine Ablehnung für die Vorsitzende ein schwerer Schlag wäre, der ihre Fähigkeiten als Vorsitzende in einem fahlen Licht erscheinen ließe, das bestreitet niemand. Ob das aber für alle ein Grund ist, ihren Antrag zu unterstützen und Hohmann auszuschließen - das muß sich erst noch zeigen. Daß es Fraktionsmitglieder gibt, für die eine Niederlage der Vorsitzenden durchaus verführerische Aspekte hätte, wissen alle Beteiligten.
Daß sich in der CDU-Führung ein Gefühl der Betroffenheit und Ratlosigkeit in den letzten Tagen durchgesetzt hat, ist unverkennbar. Es hat einen Grund, mit dem in diesem Umfang offenkundig niemand gerechnet hatte: die Reaktion „der Basis" und der Bevölkerung. Seit die „Tagesschau" am Donnerstag vor zwei Wochen über Hohmanns Rede berichtete, reißt die Welle der Anrufe, Briefe und e-mails an die Fraktionsführung, die Abgeordneten und die Parteizentrale nicht mehr ab. „Landesweit ist die Hölle los", so lautet die ungeschminkte Situationsbeschreibung, solcher, die das aus der Nähe mitbekommen. Die Empörung - und von solcher müsse man wohl ausgehen - sei nicht etwa nur auf Hessen beschränkt, sondern flächendeckend.
Drei Wellen des Protestes
Zu Wort meldeten sich nicht nur die notorischen „Rechten", auch nicht nur solche, die sich als Parteimitglieder zu erkennen gäben und Hohmanns Standpunkt teilten. Der Kern der Empörung sei vielmehr das Aufbegehen dagegen, daß man seine Meinung - egal wie sie aussehe - nicht freimütig sagen könne, ohne von schwersten Sanktionen bedroht zu sein. „Was ist das für eine Demokratie, in der dem Hohmann die Existenz genommen wird, nur weil er seine Meinung gesagt hat", das wird als eine ebenso typische Einlassung erwähnt, wie der Satz: „Es muß doch mal Schluß sein mit dem gesenkten Haupt und dem Katzbuckeln."
Die Betroffenheit ist groß ob dieses Echos. „So was an Empörung haben wir noch nie erlebt. 95 Prozent der Anrufe und e-mails verteidigen Hohmann", so lautet der Befund von Mitarbeitern der Union, die es wissen müssen. Im Adenauer-Haus, der Bundeszentrale der CDU in Berlin, wo nur ein Teil der Reaktionen aufläuft, spricht man von täglich vielen hunderten „wenn nicht tausenden" von Anrufen, e-mails, Briefen; so gut wie alle protestieren gegen den Beschluß der Partei- und Fraktionsführung.
Drei Wellen des Protestes hat man dort registriert. Die erste kam nach der Veröffentlichung der Rede, die zweite nach der Verurteilung Hohmanns durch Präsidium und Vorstand und nun die dritte in dieser Woche nachdem sich Merkel dazu durchgerungen hatte, der aus dem politischen Umfeld kommenden Forderung zu entsprechen, Hohmann auszuschließen. Noch nie, so urteilt ein Unionspolitiker am Donnerstag kühl, war die Distanz zwischen dem, was die politische Klasse will, und dem was die Bevölkerung - zumindest große Teile davon - für richtig hält, so sichtbar wie hier.
„Die Partei stellt sich tot“
Auf vielen Wegen macht sich der Ärger der Parteibasis Luft. So beklagt der Vorsitzende der CDU in Klitten in der Oberlausitz, die Vorsitzende habe ihm zwar ihre Begründung zugeschickt (wie allen Ortsvorsitzenden), nicht aber den vollständigen Redetext Hohmanns zur Verfügung gestellt. Was sei das für eine Art, Zustimmung zu etwas zu fordern, ohne den Sachverhalt selbst zu vermittelln, um des es gehe? Und dann die These zum Schluß des Schreibens Merkels, „das Wohl der Union habe Vorrang vor den Interessen eines Einzelnen".
Das komme ihm doch fatal bekannt vor. Mit dem Vorrang der Partei, die immer recht habe, habe man in Deutschland seine ganz besonderen Erfahrungen. Nein, da folge er der Merkel nicht. Und warum er das dieser Zeitung sage, und nicht seiner Partei? Weil, so lautet die Antwort aus der Oberlausitz, das nicht möglich sei. Dort habe er es vielfach versucht, aber die Telefone würden dort nicht mehr abgenommen. Die Partei habe stelle sich tot, vermutlich, weil sie dem Ansturm nicht mehr Herr werde, mutmaßt der Ortsvorsitzende.
Wie immer die Fraktion an diesem Freitag entscheidet: Das Urteil „der Basis" steht längst fest.
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Es geschehen noch Zeiten und Wunder. Egal, wie die Abstimmung ausgehen wird: Die Ferkel hat verloren.
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