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Friedman hält nichts vom Stabilitätspakt
Der Nobelpreisträger Milton Friedman im Handelsblatt-Interview zur Wirkung von Steuersenkungen, zur Zukunft des Stabilitätspakts und zu seinen größten Irrtümern. Das Gespräch führte Michael Backfisch.
Handelsblatt: Es gibt in letzter Zeit fast nur gute Nachrichten über die US-Wirtschaft: Wachstum, Produktivität, Verbraucher- und Unternehmervertrauen gehen kräftig nach oben. Bleibt das so?
Friedman: Das sind alles bemerkenswert gute Indikatoren. Es gibt keinen Grund, warum dies nicht nachhaltig sein sollte.
Vorausgesetzt, die US-Konjunktur steht weiter unter Dampf: Wie ernst ist die Gefahr, dass die Inflation angeheizt wird?
Die Zeiten haben sich geändert: Die Zentralbanken sind wesentlich besser geworden. In den 70er-Jahren ist das Preisniveau noch in vielen Ländern auf breiter Front nach oben geschossen. Dann gab es den scharfen Wirtschaftsabschwung der 80er-Jahre. Ich habe daher die Federal Reserve 1988 scharf kritisiert: Ich sagte damals, es gebe keine Institution in den USA, die so blendend in der Ã-ffentlichkeit dastehe und eine derartig schwache Vorstellung hinlege wie die „Fed“. Zu jener Zeit hat das zugetroffen, heute stimmt es nicht mehr.
Was ist heute anders?
2003 genießen wir ein extrem stabiles Preisniveau in einer äußerst gefestigten Wirtschaft. Das ist nicht nur das Verdienst der Fed, sondern auch der Bank of England und der EZB. Es gibt viele Zentralbanken auf der ganzen Welt, die sich der Idee verschrieben haben, die Preisstabilität zu wahren.
Sie gelten als Vater des Monetarismus. Mit Ihrem Rezept, die Geldmenge nach einer vorab festgelegten Rate zu erhöhen, haben Sie insbesondere den Kurs der früheren britischen Premierministerin Thatcher beeinflusst. Fed-Chef Greenspan ist der Linie nicht gefolgt: Macht er trotzdem einen guten Job?
Man muss die Menschen nach ihrer Leistung beurteilen. Und wenn man diese Messlatte anlegt, besteht kein Zweifel, dass Alan Greenspan der erfolgreichste Fed-Chef aller Zeiten ist.
Obwohl er Ihrer Formel nicht gefolgt ist?
Ich erhebe nicht den Anspruch auf Unfehlbarkeit. Ich habe immer gesagt, dass das im Vorhinein festgelegte Geldmengenwachstum keine Ideallösung ist. Bereits vor rund 50 Jahren habe ich darauf hingewiesen, dass wir mit fortschreitendem Wissen den Pfad eines stabilen Geldmengenwachstums verbessern werden. Ich würde es so formulieren: Greenspan ist zwar nicht meiner Lehre gefolgt, aber seine Linie ist mit meiner Lehre vereinbar. Die zentrale Rolle der Fed besteht darin, die Preisstabilität aufrechtzuerhalten und nicht mit kurzfristigen Mechanismen die Konjunktur zu beeinflussen.
In welchem Maß haben die Steuersenkungen von Präsident George W. Bush das US-Wachstum gefördert?
Steuersenkungen bieten kaum Anreize, das Wachstum kurzfristig anzukurbeln. Wenn die Regierung die Steuern senkt, muss sie sich mehr Geld leihen, um ihre Ausgaben zu finanzieren. Erst wenn die Steuersenkungen an eine gleichzeitige Reduzierung der Staatsausgaben gekoppelt sind, bekommt die Wirtschaft zusätzliche Impulse.
Heißt das, dass die 8,2 Prozent US-Wachstum im dritten Quartal nicht auf Bushs Steuersenkungen zurückzuführen sind?
Stimmt.
Die drei Steuersenkungsrunden sind also konjunkturpolitisch verpufft?
Ich rede von kurzfristigen Effekten in einer Zeit von ein bis drei Jahren. Über eine Strecke von zehn bis 20 Jahren sind Steuersenkungen dagegen äußerst wirksam.
Die Wirtschaft wird bei den Präsidentschaftswahlen 2004 eine entscheidende Rolle spielen. Wie hat Bush abgeschnitten?
Negativ auf Wachstum und Wohlstand wird sich der Anstieg des Protektionismus auswirken - etwa bei den Subventionen für die Landwirtschaft oder bis vor kurzem bei den Stahlzöllen.
Die neueste Protektionismus-Keule der US-Regierung richtet sich gegen China. Ist das fürs heimische Publikum vor den Wahlen?
Nein. Das hat eher damit zu tun, dass die chinesische Volkswirtschaft - vor allem der Export - sehr schnell gewachsen ist. Das ist eine wunderbare Sache, wenn man die Welt als Ganzes sieht. Aber es ist natürlich weniger erfreulich für einzelne Firmen, die dem Wettbewerb durch die Chinesen ausgesetzt sind.
Was würden Sie Präsident Bush raten?
Meine Empfehlung ist klar: freie Fahrt für den Freihandel.
Auch wenn dadurch einige US-Unternehmen dichtmachen müssen?
Die Sache hat doch immer zwei Seiten. Einige Betriebe werden geschlossen, dafür werden an anderer Stelle neue gegründet. Außerdem kommen amerikanische Verbraucher durch die Importe in den Genuss billigerer Waren und Dienstleistungen. Es ist sehr schwer, ein Omelett zu backen, ohne Eier zu zerschlagen. Sie können nicht stetiges Wachstum und Wohlstand schaffen, ohne dass dabei einzelne Bereiche leiden.
Die Republikaner sind traditionell die Partei, die hohe Staatsausgaben ablehnt. Dagegen dreht die jetzige Regierung den öffentlichen Geldhahn voll auf - siehe Rüstung, Sicherheit oder Gesundheit. Ist Bush zum Keynesianer mutiert?
Ich glaube nicht, dass er zu einem Keynesianer geworden ist. Aber ich beklage den schnellen Anstieg der Staatsausgaben. Dadurch wurde stabiles Wachstum verhindert. Die Hauptstoßrichtung der amerikanischen Fiskalpolitik besteht in anschwellenden öffentlichen Ausgaben. Damit wird aber das Geld absorbiert, das für wirtschaftliches Wachstum eingesetzt werden könnte.
Wann wird das US-Wachstum am Arbeitsmarkt zu einer spürbaren Entlastung führen?
Die positive Konjunktur hat sich doch bereits auf den Arbeitsmarkt ausgewirkt.
Die Arbeitslosenrate ist in den letzten Monaten nur um wenige Zehntelprozentpunkte gesunken.
Ohne Wachstum wäre die Rate spürbar höher. Es besteht kein Zweifel, dass kontinuierliches Wachstum neue Jobs bringt.
Warum ist der Dollar in den vergangenen ein bis zwei Jahren derart abgesackt?
Die Attraktivität Amerikas als Standort für Kapitalanlagen hat wegen der Rezession nachgelassen.
Ein schwacher Dollar bedeutet Gegenwind für die USA-Exporteure in Europa. Wo sehen Sie die kritische Marke, bei der die Lieferungen aus Europa einbrechen?
Eine kritische Marke lässt sich schwer definieren. Aber meiner Einschätzung nach ist der Euro überbewertet.
Sie waren von Anfang an gegen die Einführung des Euros. Sind Sie erstaunt über seine Stärke?
Ich habe mir niemals über den konkreten Wert des Euros Gedanken gemacht. Der entscheidende Punkt ist doch, ob der Euro jemals ein wünschenswerter Währungsverbund sein wird. Das muss sich erst noch erweisen. Die Frage ist: Findet die EZB das richtige Maß für 12 unabhängige Länder? Oder kann es nicht sein, dass geldpolitische Vorgaben, die für Irland leicht zu erfüllen sind, für Deutschland zu streng ausfallen?
Sie haben Ihre Skepsis gegenüber der Europäischen Währungsunion um keinen Deut abgelegt?
Ich würde sagen, das Ganze ist ein sehr interessantes Experiment. 12 Länder sitzen in der EZB und haben vereinbart, dieselbe Währung zu benutzen. Der Rest der Welt - Großbritannien, die USA, Japan und so weiter - verfügt über flexible Wechselkurse. In den nächsten 20 Jahren wird sich entscheiden, welches System sinnvoller ist.
Europa wurde gerade von heftigen Turbulenzen wegen des Stabilitäts- und Wachstumspakts erschüttert: Deutschland und Frankreich müssen keine automatischen Sanktionen mehr befürchten, wenn sie das Defizitkriterium von drei Prozent überschreiten. Fühlen Sie sich bestätigt?
Der Stabilitäts- und Wachstumspakt mag bei der Einführung des Euros ja durchaus Sinn gemacht haben. Aber auf lange Sicht ist der Pakt nicht vernünftig. Die einzelnen Länder sollten in ihrer Fiskalpolitik ebenso frei sein wie in ihrer Geldpolitik.
Was steht der EU mit der Erweiterung ins Haus?
Mehr Ärger.
Sie haben berühmte Politiker wie Ronald Reagan oder Margaret Thatcher beraten. Was würden Sie Bundeskanzler Schröder in der jetzigen Situation empfehlen?
Begrenzt die Staatsausgaben und nehmt dem Markt so viele Fesseln wie möglich. Mit einer Arbeitslosenrate von rund zehn Prozent befindet sich Deutschland in keiner beneidenswerten Lage. Das Land wird durch einen rigiden Arbeitsmarkt gelähmt: Unternehmen stellen kaum Leute ein, weil es so schwer ist, Kräfte zu entlassen. Als Erstes müssten meiner Ansicht nach die Regulierungen heruntergefahren werden.
Eine Frage noch: Sie sind Nobelpreisträger und genießen den Ruf, einer der bedeutendsten Wirtschafts- wissenschaftler zu sein. Was war Ihr größter Irrtum?
Die Bemerkung, die ich 1988 über die Fed gemacht habe, trifft nicht mehr zu. Aber eigentlich ist das nicht mein Irrtum: Die Fed ist einfach besser geworden.
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Vielleicht sollte der kluge Kerl hier ein wenig mitlesen?! We live to learn!
Tobias
<ul> ~ Milton Friedman</ul>
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