-->hi
da ich noch nicht das Alter der ält. Generationen (wissen die es denn genau?) habe, waren für mich die Versuche der Definitionen auch mal interessant. Vielleicht für den einen oder anderen auch. deswegen kopiere ich es mal, was ich neulich gefunden habe.
Die letzte Frage des Redakteurs Cramer habe ich nun wiederum nicht verstanden. Ich meine nämlich: Ja, es müsste durchaus eine klare Antwort auf solch eine einfach Frage geben.
Gruß
Cichette
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<font size="5">Wer ist eigentlich Jude?
Ein Leserrief an die Redaktion </font>
Fast jeder hat zum Thema Judentum eine Meinung.
Nicht jeder weiß, wovon er da spricht.
Nirgends finde ich eine klare Definition.
Sehr geehrte Damen und Herren, als ich jüngst Ihr Interview mit Herrn Spiegel las, tauchte wieder eine alte Frage bei mir auf, die ich mir bis heute selbst noch nicht richtig beantworten konnte: Wer ist eigentlich ein Jude? Dauernd taucht in unseren öffentlichen Diskussionen das Wort Jude auf, aber nirgends finde ich die zugehörige Definition. Daher meine Frage an Sie: Wer ist ein Jude?
- Zugehörigkeit zur orthodoxen Religion? (Es gibt auch Juden, die sich davon gelöst haben)
- Zugehörigkeit zur ethnischen Volksgruppe? (Ich habe auch von schwarzen Juden aus Afrika gehört)
- Kann ein Fremder mit ethnisch anderer Abstammung ein Jude werden, wenn er sich zur jüdischen Religion bekennt und zum Beispiel beschneiden lässt?
- Ist ein Jude noch ein Jude, wenn er zum Beispiel zum Christentum konvertiert?
- Wie lange bleiben Kinder von Juden noch Juden, wenn ihre Eltern Mischehen eingegangen sind?
- Sind alle Israelis (Staat Israel) automatisch Juden, oder gibt es auch Israelis, die nicht Juden sind? (z. B. Palästinenser; können sich Fremde in Israel einbürgern lassen und dort Juden werden?)
- Ich erinnere mich an viele bekannte Staatsmänner/-frauen und Entertainer aus jüngster Vergangenheit, von denen ich erst später erfahren habe, dass sie Juden waren. Warum waren sie immer noch Juden und nicht einfach Deutsche, Ã-sterreicher, Amerikaner etc.?
- Können sich Juden in einem Staat (z. B. USA oder Deutschland) einbürgern, assimilieren, deren Staatsbürgerschaft annehmen und einfach Amerikaner oder Deutsche werden (mit vielleicht einer eigenen Religion) und ganz vergessen, dass sie einmal Juden waren? (Ich denke da an die Polen, die einmal zum Kohlenbergbau in das Ruhrgebiet kamen, und die heute keiner mehr als Fremde empfindet.)
Ich hätte noch viele Fragen, aber ich denke, diese Beispiele reichen. Es gibt viele Zeitgenossen wie mich, die ihr Leben lang im Stress des Wirtschaftswunders mit technisch-wirtschaftlichen Problemen so beschäftigt waren, dass sie keine Zeit hatten, derartigen Fragen auf den Grund zu gehen. Steller40989 Erkrath
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<font size="5">Die Antwort</font> Anmerkung von mir: ein Versuch-immerhin
Sehr geehrter Herr Steller, eine einfache, klare und nicht sofort von irgendjemandem widersprochene oder zumindest angezweifelte Antwort auf Ihre Frage gibt es nicht. Auch Lexika helfen nicht weiter. Deren Studium beweist lediglich: es gibt auf diese Frage keine eindeutige Antwort.
In einem dieser Nachschlagewerke heißt es beispielsweise, Juden seien"der in der Landschaft Judäa beheimatete und von dort über die Welt zerstreute Rest des ehemaligen Volkes Israel". Dieser hätte sich nach der Rückkehr aus dem babylonischen Exil (im Jahre 537 vor unserer Zeitrechnung) als autonome Religionsgemeinschaft konstituiert.
Für einen frommen, orthodoxen Juden ist es einfach: Wer die vorgeschriebenen 613 religiösen Pflichten (248 Gebote und 365 Verbote) einhält, ist Jude. Der Zusatz"soweit er eine jüdische Mutter hat" ist jüngeren Datums und in vielen Fällen irrelevant.
Ein Liberaler hingegen sagt: Jeder, der den Glaubenssatz"Höre Israel, der Ewige ist unser Gott; der Ewige ist einzig" anerkennt, ist Jude. Am einen wie am anderen Ende der Betrachtungsskala ist die Beurteilung religiös bestimmt. Es gibt aber auch Juden, die nie eine Synagoge aufsuchen, und viele Agnostiker, die sich als Juden begreifen.
Die meisten Judenchristen, die Judentum und Christentum verschmelzen wollen, bestehen darauf, sie seien nach wie vor Juden.
Geht man das Problem anthropologisch an, wie es recht unwissenschaftlich Rassenexperten der Nationalsozialisten taten, sind die Juden ein Rassengemisch. Eine semitische Rasse gibt es nicht.
Am nächsten kommt man einer Antwort auf Ihre Frage, wenn man sagt, sie bilden in ihrer Mehrheit keine biologische, sondern eine sozio-religiöse, in sich sehr uneinheitliche Gruppe. Die ethnische oder rassische Frage führt in die Irre. Jedermann kann Jude werden; die Aufnahmebestimmungen sind bei Orthodoxen anders als bei Liberalen; eine Beschneidung wird nicht von allen Rabbinern gefordert. Nach der Konvertierung zu einem anderen Glauben ist man kein Jude mehr (obwohl gerade das die Nazis behaupteten).
Was Kinder aus Mischehen anbelangt, so ist da die Erziehung maßgebend; sie können also ebenso Juden wie Christen werden.
Israel ist der moderne Staat der Juden. Aber weder sind alle Juden in der Welt Israelis, noch sind alle Bürger Israels Juden. Jedermann kann sich in Israel einbürgern lassen, muss aber deshalb nicht Jude werden.
In der freien Welt ist es für eine politische Karriere unerheblich, welcher ethnischen oder religiösen Gruppe jemand angehört. Jeder kann (fast) alle öffentlichen Ämter erringen. Juden sind eben Staatsbürger wie jeder andere auch. (Der Vergleich mit den Polen im Ruhrpott passt nicht. Diese legten nach einiger Übergangszeit - ähnlich wie Einwanderer in den USA oder Australien - ihre frühere Nationalität ab. Judentum aber ist, wie oben erklärt, keine Nationalität.)
Mit diesen Zeilen konnten wir Ihnen, wie angekündet, keine klare Antwort vermitteln. Aber muss es wirklich immer eine solche geben? Ernst Cramer
Orginal: http://www.welt.de/data/2003/12/13/209951.html?s=1
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