-->Hi bernor,
wieder ein Juwel, danke.
>Privilegien für Neusiedler:
>Der im 18. Jahrh. gebräuchliche Ausdruck"Repöplierung" bezeichnete keine allgemeine"Bevölkerungsauffrischung", sondern die Wiederbesiedlung von bestimmten Gebieten, deren Einwohner durch Kriege und Seuchen dezimiert worden waren, siehe z. B.
><ul> ~ </li>Ostpreußen: Wiederansiedlungen unter Friedrich I. und F. II. in
>Interessant ist, daß die meisten Neusiedler aus dem Südwesten Deutschlands stammten, wo offensichtlich kein Bevölkerungsmangel herrschte (Pfälzer, Schwaben, Alemannen, Elsässer - siehe auch die Besiedlung Südost-Pennsylvaniens schon ab 1710, von ca. 1800 bis 1840 waren fast alle Gouverneure Pennsylvaniens gebürtige Deutsche).
>Von einem allgemeinen Rückgang der europäischen Bevölkerung kann im 18. Jahrh. also keine Rede sein.
Das ist europäisch-regional verschieden. In Frankreich nahm die Bevölkerung nicht zu, eher ab. Ich müsste bei Sée nochmal nachschauen.
Der Bevölkerungsmangel sollte auch vor dem Hintergrund der jeweiligen Erbrechte gesehen werden.
Wo es Realteilung gab (Land und Geräte wurde bis auf 1/32 runter verteilt), war dann der verbliebene Teil für den Einzelnen zu klein - es musste ausgewichen werden. Also weg.
Beim Anerbenrecht (Ältester erbt alles, Jüngere evtl. noch einen Kotten) steigt der Druck genau so. Also weg.
>Bevölkerungszunahme vor/während Industrialisierung:
>Hier muß die Entwickung in Großbritannien (GB) getrennt von der auf dem Kontinent gesehen werden, weil in GB
><ul> ~ </li>keine Leibeigenschaft mehr existierte > ~ </li>sowohl die Zunahme der Bevölkerung (1750: 7,8 Mio, 1820: 14,3 Mio) als auch die Industrialisierung (mit Verfall der Landwirtschaft, dadurch zusätzlicher Antrieb, um mit Erlös Nahrungsmittel importieren zu können) früher einsetzte (ab ca. 1800).</ul>
In GB begann der Adel als erster mit Investitionen, vgl. den Kanal Liverpool / Manchester durch Bridgewater. Die Städte konnten, da unbefestigt leicht expandieren. Ich habe eine Karte von Manchester, wo diese"openness" (das Land wurde den landlords abgekauft) deutlich zu sehen ist. Die Städte in D mussten erst ihre Mauern schleifen.
>Im übrigen Europa (Aufhebung der Leibeigenschaft ab 1789) nahm die Bevölkerung später ebenfalls (überall)zu, z. B.:
><ul> ~ </li>Frankreich, 1820: 27 Mio - 1840: 34 Mio > ~ </li>Italien, 1820: 18 Mio - 1840: 22 Mio > ~ </li>Ã-sterreich-Ungarn, 1820: 29 Mio - 1840: 38 Mio > ~ </li>Preußen/Deutschland, 1820: 24 Mio - 1840: 31 Mio.</ul>
Das war der"große erste Schub", keine Frage.
>Die Industrialisierung setzte erst ab etwa 1840 ein, siehe z. B. die Kohle-Produktionszahlen (in Tonnen) für das Gebiet des Deutschen Bundes (ohne Ost-/Westpreußen und Posen, mit Ã-sterreich und Böhmen-Mähren):
><ul> ~ </li>1840:4 Mio > ~ </li>1855:8 Mio > ~ </li>1870: 33(!) Mio.</ul>
Hier wichtig: 1. Gewerbefreiheit (in Preußen ab 1810), 2. Aktienrecht und damit die Bildung von haftungsbeschränkten Unternehmungen (ab 1840), 3. Möglichkeit, das bis dahin (seit Wormser Konkordat 1122) beim Staat liegende Bergregal privat zu erwerben.
(...)
>Fazit: Die bloße Industrialisierung infolge Aufhebung der Leibeigenschaft muß etwas ganz Seltenes (bisher Verborgenes?) gewesen sein - aus dem oben Dargelegten ist sie jedenfalls nicht zu ersehen...
Urheberschutz (GB 1709), Patenrecht (USA Ende 18. Jh., allmähliche Verbreitung, vgl. den Patentstreit Arkwright in GB und ähnliches in D), sehr wichtig Pfandbrief (Friedrich II.!), damit Beleihungsmöglichkeit von Grund u. Boden, Gründug der Banque in Preußen (Fr. II.), später (ähnlich) Sparkassen ab ca. 1820, BoE mit entsprechendem Vorlauf, insgesamt eine Schaffung von property rights, wie es sie davor nicht gegeben hatte.
Das gegenseitige Sich-Aufschaukeln von Zession von Rechten (Dilution unter den"Untertanen" mit entsprechendem Hebel: mehr Menschen und nicht nur der Souverän können rechtsfest wirtschaften) und Anstieg, entsprechend, der Steuereinnahmen, von denen mehr und mehr zur"Förderung" des Prozesses aufgewendet wurden (Preisgelder für besondere Maschinen, z.B. Münzprägemaschinen Dinnendahl, Dampfmaschinen), Hoflieferanten als Status, Medaillen auf Weltausstellungen, Abtreten des Wegemonopols an private Chausseebau- und Eisenbahn-Unternehmen - das Ganze als ein riesiger Freiraum, der sich nach der Entmachtung der alten Herrschaftsstrukturen ("Tote Hand" der Kirchen verschwand, Klöster konnten als private Etablissements genutzt werden), der unter laufender Konkurrenz zu dem großen, zunächst kostengünstigen und fast steuerfreien Freiraum in Amerika stand von wo aus immer mehr Druck kam, usw.
Oder kurz: Englands Zessions-Vorlauf plus Napoleon plus Amerika, alles verbunden mit dem Höhepunkt der Freihandels (=Zollbefreiungs)-Bewegung plus vereinheitlichtes GZ im GS ab 1860/70. Dieser große Schub ist ein einmaliges historisches Phänomen und läuft nun langsam aus, wobei die Ent-Sozialismusierung im Ex-Ostblock und China (nach Ost- und Südostasien in toto) noch für ein hoffentlich langes Stretching sorgt.
Gruß!
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