-->Tag der Entscheidung für Parmalat - Dokumente gefälscht
Dienstag 23 Dezember, 2003 15:03 CET
Mailand (Reuters) - Im milliardenschweren Bilanzskandal um den italienischen Lebensmittelkonzern Parmalat wollten Management und Regierung am Dienstag über entscheidende Schritte zur Rettung des Unternehmens beraten.
Es wurde erwartet, dass das italienische Kabinett auf einer am Mittag begonnenen Sitzung den Weg für einen maßgeschneiderten beschleunigten Gläubigerschutzplan bereitet. Auf dieser Grundlage könnte der Parmalat-Verwaltungsrat bei seinem Treffen am Abend den Insolvenzantrag beschließen. Dessen Ziel wäre es, einen Zusammenbruch der achtgrößten italienischen Industriegruppe mit weltweit rund 35.000 Beschäftigten zu verhindern.
Unterdessen bestätigten Ermittler, dass Dokumente einer Parmalat-Tochterfirma gefälscht wurden, um Bilanzwerte in Höhe mehrerer Milliarden Euro vorzutäuschen. Das Engagement deutscher Banken bei dem in finanzielle Schieflage geratenen Milchverarbeiter ist offenbar vergleichsweise gering. Die Parmalat-Aktie wurde nach einem drastischen Kurseinbruch in den vergangenen Tagen vom Handel ausgesetzt.
Zeitungsberichten zufolge wollte das Kabinett von Ministerpräsident Silvio Berlusconi eine Verordnung erlassen, die ein beschleunigtes Verfahren bei der so genannten"Sonderverwaltung" von Firmen ermöglicht, die Schutz vor ihren Gläubigern suchen. Experten zufolge könnte der Fall Parmalat dazu führen, dass das Insolvenzrecht in Italien nach dem Vorbild der Gläubigerschutzverfahren in den USA reformiert wird. Berlusconi hatte dem größten Lebensmittelkonzern des Landes am Wochenende die Hilfe der Regierung zugesagt, damit der Geschäftsbetrieb aufrechterhalten und die Arbeitsplätze gerettet werden können. Die Krise bei Parmalat betrifft auch zahlreiche Landwirtschaftsbetriebe, da die Gruppe rund acht Prozent der in Italien produzierten Milch aufkauft.
Die Gesellschaft hatte die Finanzmärkte am Freitag mit dem Eingeständnis einer Bilanzlücke von rund vier Milliarden Euro geschockt und Erinnerungen an den Fall des bankrotten US-Energieriesen Enron geweckt. Presseberichten zufolge könnte das Loch in der Buchführung tatsächlich sogar bis zu zehn Milliarden Euro betragen. Bereits jetzt steht Parmalat für eine der größten Unternehmenskrisen in Europa.
BANK-DOKUMENTE MIT SCANNER GEFÄLSCHT
Das Unternehmen hatte in der vergangenen Woche mitgeteilt, dass die Bank of America Dokumente der auf den Kaiman-Inseln ansässigen Parmalat-Tochter Bonlat Financing Corp, die Barmittel und Wertpapierbestände im Volumen von 3,95 Milliarden Euro ausweisen, als gefälscht erklärt hatte. Das US-Bankhaus legte der italienischen Staatsanwaltschaft nach Angaben eines Rechtsanwalts dazu inzwischen eine detaillierte Erklärung vor. Nach Angaben von Ermittlern wurden mit Hilfe eines Scanners Dokumente der Bank of America gefälscht, um den Wirtschaftsprüfern Bilanzwerte in Milliardenhöhe vorzuspiegeln. Die Mailänder Staatsanwaltschaft sieht eindeutige Belege für eine gefälschte Buchführung und ermittelt in diesem Zusammenhang Justizkreisen zufolge gegen Firmengründer und Ex-Konzernchef Calisto Tanzi sowie gegen drei frühere Finanzvorstände.
Parmalat vertreibt Lebensmittel wie haltbare Milch oder passierte Tomaten. Das Unternehmen ist in 30 Ländern tätig. Vor Bekanntwerden des Bilanzskandals hatte Parmalat eine Marktkapitalisierung von 1,8 Milliarden Euro. Seitdem haben drastische Kursverluste die Aktien des Unternehmens nahezu entwertet.
NUR GERINGES ENGAGEMENT DEUTSCHER BANKEN
Die Deutsche Bank hält 5,1 Prozent an dem italienischen Lebensmittelriesen, der Großteil davon dürfte aber mit Sicherheiten unterlegt sein. Der Branchenprimus hat nach Angaben aus Bankenkreisen keine Kredite an Parmalat und hält auch keine Anleihen des Unternehmens. Die Commerzbank hat nach Angaben eines Sprechers überhaupt kein Engagement bei Parmalat. Die HVB beschreibt ihr Kreditengagement ebenfalls als gering, da es sich nur auf eine Tochtergesellschaft von Parmalat erstrecke."Wir sind bei Parmalat marginal engagiert und haben keine Kreditverbindung mit der Muttergesellschaft", sagte ein Sprecher. Sprecher der Dresdner Bank und der WestLB wollten keinen Kommentar abgeben.
Quelle: Reuters
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