-->Diese Entwicklung wäre keineswegs verwunderlich. Das Statusdenken ist nämlich ein Resultat von zuviel Freizeit (=Arbeitslosigkeit).
WirtschaftsWoche - Erfolg
Statussymbole erleben ein Comeback
Mittwoch 24. Dezember 2003, 08:01 Uhr
Alles Streben nach Macht, Glanz und Glorie verdichtet sich auf einen entscheidenden Moment in einer unscheinbaren Halle: die Schlange am Mietwagenschalter. Es ist ein ganz normaler Montagmorgen am Frankfurter Flughafen. Wer einen Anzug trägt, darf drängeln, legt Sorgenfalten auf die Stirn, murrt. Das gehört zum Ritus, man hat’s schließlich eilig. Termine warten nicht, Mitreisende schon mal eher.
Alexander Faltin kennt das. Er arbeitet bei Sixt (Xetra: 723132.DE - Nachrichten - Forum) ANZEIGE
: „So geht das jeden Montagmorgen“, sagt er. Und er kennt die meist gleichen Fragen, nach einer Mercedes S-Klasse, einem 7er-BMW (Xetra: 519000.DE - Nachrichten - Forum) oder einem Audi A8, natürlich mit Navigation, mit Ledersitzen auch, vollklimatisiert sowieso. Man ist, was man fährt. Seit kurzem beobachtet Faltin jedoch eine Umkehr des Trends. „Immer öfter fragen Manager nach einem VW Golf oder Ford Mondeo.“ Verstohlen fragen sie, und erst wenn die Firmenlenker ihr Ansinnen begründen, hellt sich ihre Miene auf: ein Besuch beim Kunden, der sehen soll, dass auch sie sparen müssen.
Das Auto ist nicht der einzige Spiegel der Managerseele und -hierarchie. Auch andere Erfolgsattribute stehen bei Führungskräften hoch im Kurs: das Einzelbüro, der Firmenparkplatz, die Senatorkarte der Lufthansa (Xetra: 823212.DE - Nachrichten - Forum). Mehr noch: Symbole werden immer wichtiger. Galten sie in der Ära der New Economy noch als Relikte einer antiquierten Ordnung, so schlägt das Pendel nun zurück: Wo der moderne Manager einst im T-Shirt neben seinen Arbeitskumpeln im Großraumbüro an der Zukunft schraubte, sind Distanz, Hierarchie und Status wieder en vogue.
Kein Brimborium
Das bestätigt auch eine Umfrage der WirtschaftsWoche unter mehreren internationalen Personalberatungen in Deutschland, die dafür mehr als 1550 Managerprofile auswerteten (siehe Tabelle Seite 114). Kernfrage: Welche Symbole genießen bei den Firmenkapitänen derzeit hohes Ansehen? Ergebnis: Der Dienstwagen steht bei allen Führungsebenen ganz oben auf dem Wunschzettel. Auch bei der Marke lässt sich eine klare Rangfolge ausmachen: Solide Klassik dominiert vor sportlicher Dynamik, ein Mercedes beeindruckt mehr als ein BMW, der wiederum höher angesehen ist als ein Audi (Xetra: 675700.DE - Nachrichten).
Gleich nach dem Dienstauto rangiert das Einzelbüro auf Platz zwei. Auch ihm prophezeien die Befragten steigenden Status. Wichtig sind den Bossen auch der schmucke Titel auf der Visitenkarte, eine Sekretärin und ein eigenes Spesenbudget.
Trotz allen Statusdenkens: Besonders imposante Machtinsignien wie ein eigener Firmenjet, Dienstwohnungen oder Mitgliedschaften in noblen Clubs, tauchen auf den vorderen Rängen nicht mehr auf. Zum einen, weil sie ohnehin nur für eine sehr kleine Klientel infrage kommen. Zum anderen, weil sie kaum noch in die Zeit passen. Ausnahme: Bodyguards und eine gepanzerte Dienstlimousine. Hier zu Lande legen Vorstände zwar wenig Wert auf derlei Brimborium, im Ausland dafür umso mehr: Hier lagen die Schutzbeigaben sogar auf Platz zwei und drei. Grund: die gängigere internationale Praxis, etwa in den USA sowie das gesteigerte Sicherheitsbedürfnis, beispielsweise in Osteuropa oder Lateinamerika. Motto: Weil ich es meinem Unternehmen wert bin.
Dass Firmenwagen, Parkplätze & Co. in Deutschland neuerdings so gefragt sind, ist für Experten keine Überraschung. Die Zeiten sind mager: Große Gehaltssprünge sind derzeit kaum drin, mit Aktienoptionen lässt sich nach der Baisse keiner motivieren und in puncto Karriere gibt es allenfalls punktuell Bewegung. In Zeiten der Stagnation gewinnt zwangsläufig alles an Bedeutung, was Aufstieg zumindest vortäuscht.
Überdies besitzen derlei Wertzeichen einen weiteren Vorteil: Sie wirken nach außen - auf Geschäftspartner, auf Kollegen, auf Nachbarn. Allen voran das Automobil. Für das Finanzamt ist es profanes Betriebsmittel und steuerpflichtiges Zusatzeinkommen (siehe Kasten Seite 118), doch in Führungskreisen verleiht der richtige Wagen noch immer Aura von Größe, Macht und Noblesse. „Das Auto verbindet gleich drei Vorteile auf einmal: Es zeigt, wie sich ein Manager selbst sieht, hat den größten praktischen Nutzen und zugleich die stärkste Außenwirkung“, sagt Bernhard Rosenberger, der Unternehmen beim Aufbau einer effektiven Personalarbeit berät.
Entsprechend angesehen sind bei den Firmenkapitänen Privilegien, die mit dem Gefährt korrelieren: Ein Chauffeur signalisiert Macht. Erst recht, wenn man den Luxus genießt, morgens nicht in die muffige Firmentiefgarage hinabfahren zu müssen, a wie etwa die Vorstände bei RWE (Xetra: 703712.DE - Nachrichten - Forum), ThyssenKrupp (Xetra: 750000.DE - Nachrichten - Forum) oder BMW. Sie dürfen direkt bis zur überdachten Hauptpforte vorfahren.
Männer bevorzugen Limousinen
Der mobile Arbeitsplatz ist vielen Managern derart wichtig, dass er in Gehaltsverhandlungen schnell zum so genannten Dealbreaker mutiert: „In 40 Prozent aller Besetzungen ist das Thema sehr kritisch“, beobachtet Karl Bosshard, Partner bei Kienbaum Executive Consultants in Hannover. So manche Vermittlung scheitere an der Frage des Autos und der anderen Extras, obwohl sonst alles gepasst hätte. „Die Manager verbinden extrem viel damit.“
In vielen Unternehmen sind die Nutzungsbedingungen für Dienstwagen exakt geregelt. So können die Vorstände des Logistikers Stinnes zwischen einer S-Klasse, einem 7er-BMW und einem A8 wählen. Auf den Ebenen darunter sind mittlere Audi-Modelle, eine C-Klasse oder ein 3er-BMW drin. Für Bereichsleiter bei Ruhrgas wiederum stehen nur BMW 318, Audi A4 oder VW Passat zur Wahl.
Großzügig handhaben die Kfz-Frage die Düsseldorfer A. T. Kearney-Berater. Wer hier einsteigt, bekommt sofort ein Handy, ein Notebook und ein Budget für einen geleasten Dienstwagen. Rund 95 Prozent nehmen das Autoangebot an, mehr als die Hälfte wählt einen BMW, der Rest vor allem Audi. „Männer bevorzugen Limousinen, die Kolleginnen nehmen am Liebsten ein sportliches Modell“, beschreibt Kearney-Associate Norman Blum die Vorlieben.
Wo alle Freifahrt haben, steht bei den Beratern ein anderes Vorrecht höher im Kurs: das Einzelbüro. In Düsseldorf sind diese Führungskräften ab dem Rang eines Principals vorbehalten. Nach dem Trend zum Großraumbüro in den vergangenen Jahren sind die eigenen vier Wände auch in anderen Unternehmen zunehmend gefragt: Erstens weil sie eben nicht mehr selbstverständlich sind, zweitens weil sie das persönliche Territorium markieren. Im Großraumbüro sitzt auch Post-Chef Klaus Zumwinkel - allerdings allein: Sein Machtsitz im 41. Stock des Bonner Posttowers misst 98 Quadratmeter, die Größe einer Drei-Zimmer-Wohnung.
Wer eigene Gemächer bekommt oder wie die Kemenate augestattet ist, wird ebenfalls meist detailliert geregelt: Bei der Douglas Holding (Xetra: 609900.DE - Nachrichten - Forum) in Hagen zum Beispiel dürfen nur Abteilungsleiter ins Einzelzimmer. Bei Procter & Gamblein Bad Schwalbach wiederum erhalten gehobene Manager Möbel aus Holz, alle anderen müssen sich mit hellem Kunststoff begnügen.
Die Unterschiede gehen noch weiter. Kunst an der Wand gilt bei Spitzenmanagern als hohe Begünstigung, verleiht sie dem Bürobewohner doch eine Aura von Intelligenz, Bildung und Weitblick. Statt matter Patriarchenporträts in Ã-l prangen über den Schreibtischen heute meist farbige und abstrakte Großflächen. „Alles andere könnte als Traditionsverhaftung ausgelegt werden“, meint der Kunsthistoriker Wolfgang Ulrich, der die Vorlieben der Manager analysiert hat.
Auf Akzeptanz achten
So hängt hinter Citibank-Chefin Christine Licci ein „Erdbild“ der Düsseldorfer Künstlerin Ulrike Arnold, EnBW-Boss Utz Claasen schmückt sich mit einem farbenfrohen Durcheinander des Bulgaren Iliya Zhelev, Norbert Walter, Chefökonom der Deutschen Bank (Xetra: 514000.DE - Nachrichten - Forum), zeigt sich gerne vor einem Werk des Schweizer Malers Max Bill.
„Alles was hilft, sich von anderen abzuheben, war schon immer begehrt“, sagt Oswald Neuberger, Professor für Personalwesen an der Uni Augsburg. Die Symbole der Macht erfüllen auch praktische Zwecke: „Sie erleichtern die Kommunikation und machen die Zusammenarbeit effektiver, weil sie klären, wer was zu sagen hat. Gerade in großen Unternehmen sind sie deshalb unverzichtbar“, betont Neuberger.
Männern ist zudem ihr Berufserfolg außerordentlich wichtig „und sie wollen einfach zeigen, dass sie es geschafft haben“, ist Heinz Schuler, Organisationspsychologe an der Uni Stuttgart-Hohenheim, überzeugt. Frauen seien da anders, behauptet Barbara Hartmann, Partnerin bei der Personalberatung Heidrick & Struggles in München, „die achten zunächst mehr auf ihre Akzeptanz im Job“. Wohl auch, weil sie in Führungskreisen eher die Ausnahme sind.
Geiz macht Groll. Beispiel Lufthansa-Senatorkarte. Regulär gibt es die Miles&More-Edelvariante ab 150 000 Meilen oder 60 Business-Class (Mailand: CLE.MI - Nachrichten) -Flügen im Jahr. Die Karte ermöglicht Vielfliegern den Check-in am First-Class-Schalter, garantiert bis 48 Stunden vor dem Flug einen freien Platz, Priorität auf der Warteliste und verschafft Eintritt zu exklusiven Flughafen-Lounges. Vor allem Con- a sultants und Werber kokettieren mit dem Besitz des goldenen Plastikbillets. Udo Klein-Bölting, Partner und Chief Development Officer bei BBDO Deutschland, bescheinigt dem kleinen Club: „Nie hatte der Senator größeren Reiz als heute. Hier will die Karte jeder.“
Umso stärker kratzt es am Ego, wenn deren Besitzer aus Sparzwängen nun erst hinter Wochenendausflüglern anstehen und anschließend neben ihnen in der Holzklasse sitzen müssen. Als etwa die Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG) ankündigte, demnächst auf Billigflieger umzusteigen, mokierten sich prompt erste Berater öffentlich.
Kleiner Dienstweg
Der Klassenkampf treibt mitunter wilde Blüten, wie ein Experiment unter Harvard-Studenten zeigte: Sie wurden nach ihren Gehaltswünschen befragt. Dabei hatten sie die Wahl zwischen (a) einem Jahreseinkommen von 50 000 Dollar, während alle anderen die Hälfte davon verdienen würden oder (b) einem Jahreseinkommen von 100 000 Dollar, während alle anderen das Doppelte verdienen. Die überwiegende Mehrheit entschied sich für Alternative (a).
Mein Büro, mein Auto, meine Karte - bei all dem Streben nach Abzeichen gilt derzeit jedoch auch: Der zur Schau gestellte Lorbeer darf nicht zu protzig ausfallen. Erfolgsinsignien ja - aber bitte zugleich neue Bescheidenheit demonstieren. „Man trägt den Pelz heute eher nach innen“, sagt Kienbaum-Partner Bosshard. Allzu großspuriges Auftreten wirkt im jetzigen Wirtschaftsumfeld ohnehin auf Mitarbeiter und Geschäftspartner unpassend.
Beispiel Hans Schreiber. Der inzwischen geschasste Chef der Mannheimer Versicherung prahlte gern mit seinem „legal scharf gemachten“ (Schreiber) Zwölf-Zylinder-Audi S8, den er sich auf Tempo 300 tunen ließ. Sein Unternehmen aber steuerte er fast in die Pleite. Oder Florian Gerster, Chef der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit. Auch er fiel unangenehm auf, weil er zunächst die Vorstandsetage seiner Behörde für 1,8 Millionen umgestalten, seinen Chauffeur ein paar Extrarunden zwischen Dienst- und Wohnsitz drehen ließ und Imageberater für 1,3 Millionen Euro auf „dem kleinen Dienstweg“ engagierte.
„Wer Leistungsbereitschaft sowie Understatement dokumentieren und Erfolg haben will, setzt seine Erfolgssignale dosierter ein“, rät Marcus Schmidt, Geschäftsführer bei Hanover Matrix in München.
Das gilt auch für den Dienstwagen: lieber unscheinbare Mittelklasse, dafür aber beim Interieur ordentlich hinlangen: belüftete Ledersitze, Echtholzintarsien, TV-Tuner und ordentlich PS unter der Haube, a über die man nicht redet. Reduce to the max.
Selbst BCG-Weltchef Hans-Paul Bürkner betont gern, dass er neben dem Consultingunternehmen lediglich einen dunkelblauen Audi A6 Avant mit Standardmotor und Stoffsitzen lenkt. „Für mich fährt der schnell genug“, sagt Bürkner.
Der Trend zur Zurückhaltung spiegelt sich auch im WirtschaftsWoche-Ranking wider: Beim Firmenparkplatz präferieren die Manager deutlich die Inkognito-Variante mit anonymen Kennzeichen statt der Umwelt den Honneur namentlich zu offenbaren.
Kürzungen verordnen sich die Manager aber auch in anderen Bereichen. Beim Automobilzulieferer Continental etwa wurden rigoros Reisebudgets zusammengestrichen: Seit Sommer 2003 fahren sämtliche Mitarbeiter, Vorstand inklusive, nur noch in der zweiten Bahnklasse. Bei BBDO wiederum galt für Spätarbeiter bis vor kurzem noch: Wer länger als bis 20 Uhr arbeitet, darf sich auf Firmenkosten Essen bestellen und sich mit dem Taxi nach Hause kutschieren lassen. Vor ein paar Wochen wurde die „Happy-Hour“ auf 22 Uhr verlegt.
In Düsseldorf fallen den Beschäftigten dafür andere Privilegien zu, ohne dass sie sich dem Verdacht der Großmannssucht aussetzen müssen: „Ein eigenes Büro zu haben, ist bei uns keine besondere Trophäe mehr“, gibt BBDO-Partner Klein-Bölting zu. „Unsere Branche kommt aus harten Zeiten, da verfügen wir über mehr Büros als Mitarbeiter.“
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