-->HAZ 31.12.2003 S. 11, Schneller dank der einfacheren Technik
Das interessante habe ich fett"gemacht"
Ã-sterreichs Mautsystem für Lastwagen und Busse startet pünktlich / Go-Box an der Windschutzscheibe
Von Paul Kreiner, Wien.
1978 war es, bei der Fußballweltmeisterschaft. Im argentinischen Cordoba besiegte Ã-sterreichs Nationalelf die deutsche mit 3 zu 2. Der Vorfall ist wegen seines Seltenheitswerts in der Alpenrepublik zur Legende geworden. Und jetzt, als sich herausstellte, dass Ã-sterreich ein Mautsystem für Lastwagen und Busse pünktlich hinbekam, das große Deutschland aber an dieser Aufgabe scheiterte, kehrte jenes einzigartige Siegesgefühl wieder. „Das ist ein zweites Cordoba“, jubelt Rudolf Bauer, Geschäftsführer des Fachverbandes Güterbeförderung.
Was Bauer verschweigt - es fällt ja auch nicht in seinen Fachbereich: Während in Deutschland seit Jahren Arztbesucher problemfrei die Patienten-Chipkarte nutzen, scheitern die Ã-sterreicher an dieser Aufgabe. Lkw-Maut hier, Chipkarte dort: In beiden Fällen hat man versucht, ein schlichtes System mit vielen zusätzlichen Aufgaben zu überfrachten. Die Ã-sterreicher wollten aus der Patienten-Chipkarte zwischendurch eine allumfassende „Bürgerkarte“ machen, Bankautomat-Funktion sollte sie auch noch haben. Die Deutschen denken daran, mittels komplizierter Satellitentechnik nicht nur Maut zu kassieren, sondern auch Lkw-Flottenmanagement, Wegweisung oder Verkehrsflussanalysen zu ermöglichen.
Gesiegt hat in beiden Fällen bisher die jeweils simpelste Lösung. Das österreichische Mautsystem ist nichts anderes als die Fortentwicklung jener Mautschleusen, die jeder Italien- oder Frankreichurlauber seit Jahrzehnten kennt. Der Unterschied ist nur, dass Lastwagen und Busse an den Schleusen nicht mehr anhalten müssen. Die Fahrer brauchen sich nicht mehr aus dem Führerhäuschen zu beugen, um unter Verrenkungen ein Ticket aus dem Automaten zu ziehen. Die Erfassung der Fahrzeuge und die Abrechnung der streckenabhängigen Gebühr erfolgen im fließendem Verkehr, berührungsfrei und vollelektronisch.
Gebaut hat das System eine Tochterfirma der italienischen Gesellschaft Autostrade. Innerhalb von nur achtzehn Monaten wurden über Ã-sterreichs Autobahnen rund 400 Mautbrücken gespannt. Sie tragen Mikrowellen-Funkgeräte mit einer Reichweite von nur wenigen Metern, gerade ausreichend, um die durchfahrenden Fahrzeuge zu scannen. Eine Satellitenortung, wie sie in Deutschland vorgesehen ist, braucht man in Ã-sterreich nicht.
Lastwagen und Autobusse von mehr als 3,5 Tonnen sind verpflichtet, vom 1. Januar an eine so genannte Go-Box zu installieren. Das Empfangs- und Sendegerät ist der Dialogpartner für die Funkgeräte an den Mautgalgen. Es übermittelt ihnen das Kennzeichen des Fahrzeugs, die Zahl der Achsen und den Stand der Bezahlung. Es gibt „Pre-paid“-Karten, bei denen jede mautpflichtige Fahrt von einem im voraus gefüllten Konto abgebucht wird. Geht der Betrag zur Neige, wird der Fahrer durch ein Pieps-Signal gewarnt. Möglich ist auch die laufende Abbuchung von Firmenkonten.
Anders als die technisch anspruchsvollen Empfangsgeräte in Deutschland verschlingt der Einbau der österreichischen Go-Box so gut wie keine Arbeitszeit. Das Gerät von der Größe einer Zigarettenschachtel wird einfach an die Windschutzscheibe geklebt. Die österreichische Gesellschaft Europpass verlangt dafür eine Schutzgebühr von 5 Euro.
Technisch kann man an dem „alten“ Mikrowellensystem durchaus herumkritteln. Die österreichische Firma Efkon hat das getan. Sie führt an, dass das System bei einem Fünftel aller Lastwagen nicht funktioniere, weil diese zum Sonnen- und Wärmeschutz für die Fahrer mit metallisierten Windschutzscheiben ausgestattet seien. Efkon hat Strafanzeige gegen Ã-sterreich gestellt, wegen Ungleichbehandlung der Fahrzeuge.
Die staatliche österreichische Autobahngesellschaft Asfinag lässt sich davon nicht beeindrucken. Ein Sprecher erklärt, für metallisierte Scheiben - den von Efkon genannten Anteil von 20 Prozent hält er für „in keiner Weise nachvollziehbar“ - habe man eine geteilte Go-Box vorliegen: Antenne außen, Gerät innen. Und bis die Europäische Union, abgeschreckt vom deutschen Misserfolg, die Satellitentechnik verbindlich einführe, könnten noch neun oder zehn Jahre vergehen. Bis dahin sei das österreichische System auf jeden Fall lange genug gelaufen - und habe Geld in die Kassen gebracht.
Im Durchschnitt zahlen Lastwagen und Busse in Ã-sterreich künftig 22 Cent für jeden Kilometer. Die Autobahngesellschaft Asfinag erwartet Jahreseinnahmen von 600 Millionen Euro. Die Maut ist um 10 Cent höher als in Deutschland. Ã-sterreich begründet das mit seiner bautechnisch schwieriger zu bewältigenden Landschaft, und mit dem im Vergleich zu Deutschland geringeren Verkehrsaufkommen. Die Schweiz verlangt 40 Cent je Mautkilometer. Ã-sterreich wollte schon deswegen mit seinen Preisen nicht allzu weit darunter bleiben, weil es für diesen Fall eine weitere Verlagerung des Transitverkehrs von der Schweiz auf seine Autobahnen befürchtete.
Natürlich beschweren sich Ã-sterreichs „Frächter“ über steigende Kosten. Verbraucherschützer dagegen vermuten, dass die Betriebe die neue Maut dazu nutzen werden, längst geplante Preiserhöhungen durchzusetzen. Denn im Gegenzug wird mit Einführung der Maut die Kraftfahrzeugsteuer zurückgefahren.
Für die klassische Transitstrecke Kufstein-Innsbruck-Brenner erhöht sich die Benutzungsgebühr gegenüber dem bisherigen Stand um etwa 3 Euro. Bisher mussten dicke Brummer pro Tag im Inntal 8 Euro Straßenbenutzungsgebühr und für die Brenner-Strecke (mit Europabrücke) knapp 60 Euro Sondermaut zahlen. Jetzt zahlen sie 20 Euro im Tal, dafür nur knapp 50 Euro auf dem Berg.
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