-->Hi Reinhold,
>Der Punkt ist folgender:
>Wenn ich eine Münze oder eine Tonscherbe im Boden finde, kann ich beliebige Geschichten dazu erfinden.
Warum dann die Geschichte, dass die Münzen irgendeinen"Tausch" hätten erleichtern sollen?
Wenn die Münze größer ist als irgendetwas, was den Tausch hätte erleichtern können, kann sie zu diesem Zweck nicht gedient haben.
Wenn die Münzen standardisiert sind, kann die Geschichte, dass diese Standardisierung"privat" gelaufen ist, bzw."erfunden" wurde, nicht stimmen. Dazu hätten sich sonst die Menschen aus unendlichen Weiten zusammenfinden und sich auf den Standard einigen müssen.
Abgesehen davon: Wozu hätten sie es tun sollen? Tauschen kann man jede beliebige Sache in jedem beliebigen Zustand.
Das"Tauschmittel" Silber hat es in unbearbeiteter Form nicht gegeben. Es kommt in der Form, in der es gefunden wurde, in der Natur nicht vor. Im Gegensatz zu ein-, zwei- drei- oder 10-jährigen Pferden.
Die Tonscherben gibt es als beschrieben oder als unbeschriebene. Sind sie beschrieben, gibt es einen Text. Diesen kann man übersetzen. Zum Beispiel gibt es in Alt-Assyrien zwei verschiedene, auf Tontafeln festgehaltene Leih-Kontrakte: Der eine Gruppe heißt ebuttum und ist zinsfrei, die andere hubullu und ist zinstragend.
Also muss überlegt werden, warum es diesen Unterschied gibt. Die simple Feststellung,"Kredit" habe es"immer gegeben", reicht dazu nicht aus.
Also: Woher kommt der Zins?
Dass er ein Derivat der Macht ist, kann unmöglich bestritten werden. Ganz abgesehen davon, dass sowohl Rückgabe des Geliehenen als auch der Zins zwingend Vollstreckungsmöglichkeit, also Macht, voraussetzt.
>Niemand kann sagen, was wirklich geschehen ist - wir können nur Mutmaßungen anstellen.
Wir reden nicht von Schlachten, Sagen oder Mythen, sondern von Geschäftsvorfällen. Die ältesten schriftlichen Dokumente sind Geschäftsdokumente (Piktogramme, aus denen sich, auch unschwer nachzuvollziehen, die erste"Schreibschrift" entwickelt hat). Diese Geschäftsdokumente unterscheiden sich in nichts von heutigen. Die ältesten behandeln allerdings Geschäfte zwischen Herrschaft und Abgabenschuldner (Soll/Ist-Rechnungen wie sie bis heute jeder Finanzminister anstellt). Was ist daran"Mutmaßung"?
Die Mutmaßung, dass es vor den öffentlichen Geschäften private gegeben habe, ist mit keinem einzigen Dokument belegt: in keiner Schrift (selbst die Inka-Quippus sind Abgabendokumente), in keiner Ausgrabung - nirgends.
>Genau das ist es was Du machst mit Deiner Abgabentheorie. Du erfindest originelle neue Geschichten. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. So kann es gewesen sein, oder auch nicht.
Da die ältesten Dokumente Abgabendokumente sind, siehe eben, stehen wir in diesem Punkt auf sicherem Boden. Da es nirgends gleich frühe private Geschäftsdokumente gibt, müssen die privaten Geschäfte später entstanden bzw. abgelaufen sein. Abgaben sind unschwer auch dann zu erheben, wenn es keinerlei private Geschäfte gibt (Tribute usw.).
Private Geschäfte sind nur dann vorstellbar, wenn sie auf rechtsfester Basis ablaufen, da z.B. niemand etwas zum oder vom Markt trägt, wenn er damit rechnen muss, beraubt zu werden. Es gibt überhaupt keinen Zweifel demnach, dass Macht- und mit Hilfe der Macht besicherte Eigentums- und Eigentumsübertragungsphänomene den"wirtschaftlichen" Tausch- und/oder Marktphänomenen vorangegangen sind. Was sollte daran erfunden sein?
Bis heute ist es so: Ohne Grundbuch, ohne HR, ohne sonstigen"Dokumente", ohne Polizei und Militär sind weder nationale noch internationale Geschäfte vorstellbar. Würde das alle fehlen, würde jeder ins Blaue hinein operieren. Und da er sein Risiko auch nirgends versichern könnte, bleibt er halt zu Hause und wirtschaftet für eigene Subsistenz, im Familien- oder Stammesverband.
Deine Weltsicht ist der seit Anbeginn existente Gutmensch. Nur leider widerspricht diesem Bild die überall nachvollziehbare Geschichte, die Gewalt- und Zwangsgeschichte war, in Kriegs- und in Friedenszeiten.
>Aus Deinem geschichtlichen Ansatz willst Du die Wahrheit ableiten, aber Du hast die „Wahrheit“ schon in Deinem Kopf und pflügst jetzt die Geschichte nur noch um, nach Bestätigungen für Deine Wahrheit, genau wie es Karlchen Marx gemacht hat. Das ist es, was ich sagen wolllte.
Die Geschichte widerlegt die Gutmensch-Theorie. Als ehemals eingefleischter Gutmensch-Theoretiker habe ich dies in einem schmerzlichen Umdenkungsprozess erst lernen müssen. Die Wahrheit war eben nicht schon im Kopf, aber es hat keinen Sinn, vor ihr die Augen zu schließen. Also muss man checken, ob es nicht doch so ist wie man es selbst jahrzehntelang nicht"wahr" haben wollte. Und siehe da, jeder Check führte mehr zur traurigen Gewissheit.
>Raub (Zwangsabgabe) ist sicher ein historisches Phänomen, das eine große Rolle spielt, aber eben nicht der einzige Beweger.
Zweifelsfrei beginnt, was wir nach den Nomaden- und Jäger-Kulturen aus der Geschichte wissen, mit Raub und Zwang - rätselhafterweise startete es obendrein in"affluent societies", die es"eigentlich" nicht nötig gehabt hätten (Kelly-These).
Dagegen hat sich bei den Beraubten bzw. Gezwungenen Widerstand geregt - auch das ist bis heute Standard in allen"Gesellschaften". Aus diesem"challenge & response" besteht die gesamte Geschichte der letzten 5000 Jahren. Dass die jeweils von beiden Seiten angewandten Methoden subtiler wurden, versteht sich von selbst, siehe Steuern - Steuerberater.
>Es besteht auch gar kein Grund, die Welt und die Geschichte auf ein einziges Phänomen zu verkürzen, sie wird dadurch nicht genauer, oder besser erklärt.
Die einzige Alternative wäre der "Gesellschaftsvertrag", der eine komplett lächerliche Fiktion ist. Hätte es ihn je gegeben, hätte er sich von selbst verstanden und niemand hätte ihn"entdecken" müssen. Warum wurde diese Fiktion erst so spät aufgetischt?
Ich bitte zu beachten, dass selbst der hochgelobte Gutmensch-Theoretiker David Hume ANONYM publizieren musste. Was hat er wohl befürchtet? Dass er eine Selbstverständlichkeit veröffentlicht?
>Ja - es gibt Raubtiere in der Natur - aber das ist nicht die ganze Natur.
Übertragen auf den Menschen? Es gibt Zwingende und Gezwungene. Die zu Zwingenden müssen zuerst da gewesen sein. Ohne Galianis Untertanen keine Herrschaft. Wenn aber Herrschaft, dann muss es Untertanen geben. Gibt es keine, entfällt die Herrschaft. Also muss es im Interesse der Herrschaft liegen, Untertanen zu haben und zu behalten.
Und zwar besteuerbare (ergo machterhaltende) Untertanen. Deshalb wird das Arbeiten selbst bestraft, sobald es kein Arbeiten ist, das zu Abgaben führt ("Schwarzarbeit"). Das sind doch die letzten Zuckungen des völlig perversen staatlichen Zwangssystem.
Oder nehmen wir ein zentrales Beispiel der deutschen Geschichte. Den Umfall der Liberalen bei Bismarcks Indemnitätsgesetz. Bismarcks Haushalt war verfassungswidrig - also hätten die Untertanen (Liberale vorweg) zum Steuerstreik aufrufen müssen. Doch ihnen war die Herrschaftsinstitution "Nation" wichtiger ("Nationalliberale" seitdem). Völlig klar, dass die Macht bzw. der Machtwunsch den Lauf der Geschichte bestimmte und nicht das Recht.
>Die Macht als organisierter Raub (Staat, Zentralbanken, Offenbarungsreligionen, Mafia etc.) verdient sicher größere Aufmerksamkeit, aber es ist zum Glück nicht das ganze Leben.
Dann stell Dir bloß mal das"ganze Leben" ohne Staat und seine Zwangswirtschaft vor.
Gruß!
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