--><h3>Adecco weckt Skandal-Ängste </h3>
Meldung über «materielle Schwächen» im internen Kontrollsystem lässt Aktien einbrechen
Adecco, weltgrösster Vermittler von Temporärarbeit, hat den Termin zur Publikation der Jahresergebnisse 2003 auf unbestimmte Zeit verschoben. Viele Anleger befürchten, dahinter könnte ein weiterer Bilanzskandal stecken.
Daniel Zulauf/Zürich
Die Parmalat-Krise ist noch lange nicht ausgestanden, und schon haben die Investoren einen weiteren Schock zu verkraften. In einem spröden Communiqué, das nur in englischer Sprache verfügbar war, teilte Adecco gestern die Aufdeckung grosser Schwächen in ihrem internen Kontrollsystem in Nordamerika mit. In verschiedenen Ländergesellschaften bestünden möglicherweise Probleme im Rechnungswesen und in der Aufsicht. Die Probleme müssten erst ergründet und die finanziellen Effekte auf die konsolidierte Jahresrechnung ermittelt werden. Adeccos für die Rechnungslegung zuständiges Verwaltungsratskomitee unter Führung des Zürcher Universitätsprofessors und NZZ-Verwaltungsratspräsidenten Conrad Meyer hat eine unabhängige Revisionsgesellschaft mit einer Untersuchung beauftragt.
Milliarden in Luft aufgelöst
Unter Verweis auf die restriktive Börsengesetzgebung in Amerika lehnt Adecco jede weitergehende Erklärung ab. Die Adecco-Aktien werden seit vielen Jahren auch an der New Yorker Börse gehandelt. Trotz der diffusen Informationslage brachen die Aktien gestern an der Schweizer Börse SWX gegenüber dem Schlusskurs von Freitagabend zeitweise um bis zu 48% und bis zu Handelsschluss um gut 35% ein. Damit schmolz Adeccos Börsenkapitalisierung von 15,3 Mrd. Fr. zeitweise um 7 Mrd. Fr. und bis Handelsschluss um 6,4 Mrd. Fr. auf 9,9 Mrd. Fr. zusammen.
Olsten als ein Stolperstein?
Offensichtlich rechnen die Investoren mit gravierenden Vorkommnissen. Im Vordergrund der Spekulationen stehen Fragen um die Werthaltigkeit des Goodwills (Aufpreis bei Übernahmen), der mit 1,4 Mrd. 2 (2,1 Mrd. Fr.) beinahe gleich gross ist wie das per Ende September ausgewiesene Eigenkapital von 1,49 Mrd. 2. Ein gewichtiger Anteil am Goodwill entfällt auf die amerikanische Olsten Corp., die von Adecco im Sommer 1999 für 1,6 Mrd. $ übernommen worden war. Dass die Geschäfte in Nordamerika und besonders im wichtigen US-Markt für Adecco nicht wunschgemäss laufen, deutete vorige Woche Verwaltungsratspräsident John Bowmer gegenüber der US-Agentur Market News International an: «Diese Erholung des Stellenmarktes ist ziemlich zahm.»
Mysteriöse Aktienverkäufe
Ein schlechter Geschäftsgang in Amerika erhöht das Risiko, dass der Olsten-Goodwill weiter abgeschrieben werden muss. Dies würde das ohnehin schon relativ knappe Eigenkapital (23% der Bilanzsumme) weiter schmälern. Viele Analysten haben die Titel vorsorglich herabgestuft. Vor dem Hintergrund des Einbruchs der Aktienkurse muten die verschiedenen jüngst von der Grossaktionärin KJ Jacobs gemeldeten Aktienverkäufe etwas sonderbar an. Die KJ Jacobs hat ihre Beteiligung im Dezember um 6,5 Mio. Aktien auf 22 Mio. Aktien respektive 11,75% des Kapitals reduziert. 6,4 Mio. Aktien hätten im Rahmen der Erbteilung innerhalb der Familie Jacobs die Hand gewechselt, sagte Ekkehard Kuppel, operativer Leiter der KJ Jacobs AG, auf Anfrage. Die Erben seien ihrerseits berechtigt, ihre Aktien zu verkaufen, weil ein Aktionärsbindungsvertrag nicht mehr bestehe.
Wörtlich «Unabschätzbar»
Die Zürcher Kantonalbank hat die Adecco-Aktie von «Übergewichten» auf «Untergewichten» herabgestuft. Angesichts des Informationsstandes bestehen grosse, unabschätzbare Unsicherheiten. Bilanzfälschungen können nicht ausgeschlossen werden. Die Goodwill-Positionen von Adecco sind gefährdet. Es ist wohl mit einer grösseren Verfehlung zu rechnen, sonst wäre Adecco nicht an die Ã-ffentlichkeit getreten. ZKB-Analyst Claude Zehnder
Quelle http://www.tagblatt.ch/index.cfm?pass_id=864197&liste=863992,863988,863995,863994,863996,864024,864028,864022,864023,864030,864029,864197,864063,864158,864162
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