--><font size="5">Der Kampf gegen die Inflation ist bereits gewonnen, aber... </font>
...bei einer durchaus möglicher Deflation in Europa ist nur der dann glücklich, der möglichst große Bestände Festversinzliche hat.
Paradisische Rendite von 1,27 % im Dauerdeflationsland Japan.
Keiner rechnet da mit Inflation: 20jährige erbringen stolze 1,8 Prozent
Gibt es eigentlich irgendwelche Anzeichen dafür, dass die Preise bald wieder einmal stärker steigen könnten? Ist das nicht längst überfällig? Die Aktienmärkte befinden sich weltweit im Aufschwung, die Wirtschaft expandiert in fast allen Ländern so kräftig wie seit Jahren nicht mehr, die Notenbanken geizen nicht mit Liquidität und halten die Zinsen auf äußerst niedrigem Niveau. Trotzdem sind die Zahlen, die uns von der Inflationsfront erreichen, fast durchweg niedriger als erwartet.
Selbst in den USA, wo die Wirtschaft brummt, das reale Sozialprodukt inzwischen mit einer Rate von vier Prozent wächst und der Dollar im gewogenen Mittel seit Anfang 2002 etwa 24 Prozent an Wert verloren hat, zieht die Inflation nicht an - sie sinkt. Bei den Verbraucherpreisen ist sie sogar niedriger als in den Ländern der europäischen Währungsunion. Im Vorjahresvergleich liegt die so genannte Kernrate bei nur 1,1 Prozent, der BIP-Deflator bei 1,3 Prozent.
Die Anleger haben ebenfalls keine, oder fast keine Inflationssorgen: wenn die mittelfristige Wachstumsrate des realen amerikanischen Sozialprodukts bei drei Prozent liegt - manche meinen, es sei mehr - bedeutet die jetzige Rendite von vier Prozent auf zehnjährige Staatsanleihen, dass im Durchschnitt mit einer Inflationsrate von einem Prozent gerechnet wird. Das ist deutlich unterhalb der Marke, die die US-Notenbank für erstrebenswert hält.
Extremer ist das Preisklima bekanntermaßen in Japan, wo seit 1998 Deflation herrscht. Realistischerweise sollte man davon ausgehen, dass sich daran auf absehbare Zeit nichts ändern wird. Vor allem über die Außenschiene kommt Deflation ins Land, so lange der Yen unter Aufwertungsdruck bleibt - was angesichts des gewaltigen Leistungsbilanzüberschusses wahrscheinlich ist. Die Exportpreise lagen zuletzt um 6,3 Prozent, die Einfuhrpreise um 3,6 Prozent unter ihren Vorjahreswerten. Der BIP-Deflator, das breiteste Inflationsmaß, ist um 2,2 Prozent niedriger als vor Jahresfrist. Bei den Verbraucherpreisen sieht es nicht so dramatisch aus: ihre Inflationsrate liegt lediglich bei minus 0,4 Prozent. Bei all dem sollte aber bedacht werden, dass wegen systematischer Messfehler schon bei etwa plus 0,7 Prozent auch in Japan absolute Preisstabilität herrscht.
Anders ausgedrückt, die"wahre" Deflationsrate der Verbraucherpreise beträgt 1,1 Prozent. So lohnt es sich, in Form von unverzinslichem Bargeld zu sparen, weil sich dessen Kaufkraft ständig erhöht. Die gegenwärtige Rendite von 1,27 Prozent auf zehnjährige Staatsanleihen halten viele Japaner für nachgerade üppig. Auf zwanzig Jahre geben sie sich zurzeit mit 1,8 Prozent zufrieden und signalisieren damit, dass sie auch über einen so langen Zeitraum nicht mit Inflation rechnen.
Hier zu Lande sieht es ebenfalls nicht nach einer Beschleunigung der Inflation aus, ganz im Gegenteil. Seit einiger Zeit importiert Euroland, ähnlich wie Japan, Deflation. Die Importpreise sind im vergangenen Jahr um etwa 4,5 Prozent gesunken. Zwar liegt die Inflation bei den Verbraucherpreisen noch bei zwei Prozent, also knapp über dem Ziel der Europäischen Zentralbank.
Das ist aber ganz wesentlich darauf zurückzuführen, dass der Staat angesichts leerer Kassen immer mehr darauf verfällt, sich Einnahmen über höhere indirekte Steuern und Gebühren zu verschaffen. Rechnet man diese Effekte heraus, läge die Inflationsrate in der Währungsunion kaum über ein Prozent, in Deutschland kaum über 0,5 Prozent. Es gibt keine Inflationsmentalität mehr. Abzulesen ist das beispielsweise daran, dass die deutschen Gewerkschaften mit einer Forderung von nur vier Prozent in die Lohnrunde ziehen.
Noch nie waren sie so bescheiden. Wenn schließlich zwei Prozent herauskommen, werden sie sich freuen
In diesem Umfeld ist der Kampf gegen die Inflation zunehmend ein Scheingefecht. Er ist nämlich schon gewonnen. Der Hauptgrund für die niedrige Geldentwertung besteht darin, dass es sowohl am Arbeitsmarkt als auch in der Produktion allgemein große ungenutzte Kapazitäten gibt, wodurch - vorläufig jedenfalls - es möglich ist, eine Zunahme der Nachfrage ohne Neueinstellungen und Investitionen zu befriedigen. Auch ohne Preiserhöhungen lassen sich nämlich die Gewinne steigern. In den USA versucht immerhin der Staat, die Lücke durch eine aggressive Geld- und Finanzpolitik zu füllen. Im Euroland gilt das als Tabubruch. Daher ist das Risiko nirgends so groß als hier, dass eines Tages aus der Disinflation Deflation wird und nur der sich glücklich schätzen kann, der über einen großen Bestand an festverzinslichen Anleihen verfügt. Dieter Wermuth
Der Autor war Jahrzehnte Europa-Chefvolkswirt verschiedener japanischer Grossbanken. Jetzt ist er Partner bei Wermuth Asset Management
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