-->Aktionäre können Vorstände künftig leichter verklagen
Hauptversammlungen werden beschleunigt / Kleinanleger erhalten amtliches Forum im Internet
jja. FRANKFURT, 9. Februar. Das Bundesjustizministerium bereitet einschneidende Änderungen der Aktionärsrechte und Hauptversammlungsregeln vor. So werden Schadensersatzklagen gegen Vorstandsmitglieder deutlich erleichtert; Sonderprüfungen von Aktiengesellschaften können einfacher durchgesetzt werden. Minderheitsaktionäre erhalten zudem ein staatliches Forum, um sich im Internet zu gemeinsamen Gegenanträgen zusammenschließen zu können.
Im Gegenzug werden Anfechtungsklagen, mit denen"räuberische Aktionäre" unterderhand Unternehmen vor wichtigen Geschäftsmaßnahmen erpressen, wesentlich erschwert. Da diese Zahlungen mittlerweile häufig als"Vergleich" getarnt werden, sind solche Vereinbarungen künftig nichtig, wenn sie nicht vollständig im"elektronischen Bundesanzeiger" veröffentlicht werden. Auch wird die Tagesordnung von Hauptversammlungen gestrafft, um Berufsklägern das Wasser abzugraben, die mit stundenlangen Fragenkatalogen Formfehler provozieren wollen.
Die Bundesregierung will dieses"Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts" (Umag) noch vor der Sommerpause verabschieden; in Kraft treten soll es im kommenden Jahr (F.A.Z. vom 20. Januar). Es geht zurück auf Empfehlungen der Regierungskommission"Corporate Governance", die bislang erst zum kleinen Teil umgesetzt sind. Die Neuregelungen sehen konkret so aus:.
Wenn eine Minderheit von Anteilseignern meint, Vorstände oder Aufsichtsräte hätten ihrem Unternehmen durch"Unredlichkeit oder grobe Pflichtverletzungen" einen finanziellen Schaden zugefügt, kann sie künftig bereits dann eine Haftungsklage einreichen, wenn sie ein Prozent der Aktien oder 100 000 Euro vertritt. Bislang lag diese Schwelle zehnmal so hoch; außerdem mußte das Gericht einen"besonderen Vertreter" ernennen. Mißbräuchliche Prozesse sollen die Gerichte durch ein spezielles Zulassungsverfahren aussieben. Außerdem darf der Kläger seine Aktien nicht erst nach Bekanntwerden des angeblichen Rechtsbruchs gekauft haben. Zugelassene Klagen muß das Unternehmen bezahlen. Wenn die Kläger das Verfahren gewinnen, müssen die Manager in die Kasse der von ihnen geschädigten Aktiengesellschaft einen Ersatz zahlen (Binnenhaftung). Zugleich arbeitet das Bundesfinanzministerium an Plänen für eine persönliche Haftung der Unternehmenslenker.
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Damit könnten Anleger von der Unternehmensführung Geld für sich selbst verlangen (Außenhaftung). Unternehmerische Entscheidungen, die"nach bestem Wissen und Gewissen" getroffen wurden, bleiben ausdrücklich vom Regreßrisiko ausgenommen. Dieselbe Schwelle von einem Prozent oder 100 000 Euro wird für Sonderprüfungen gegen den Willen des Managements oder der Mehrheit der Investoren eingeführt. Bislang lag auch dafür die Hürde zehnmal so hoch.
Kleinanleger können im Internet Mitstreiter suchen, um die gesetzlichen Quoren für Klagen und Anträge zu überspringen. In der elektronischen Ausgabe des amtlichen Bundesanzeigers wird dafür ein eigenes"Aktionärsforum" eingerichtet. Damit eine Aktiengesellschaft gegen beleidigende oder geschäftsschädigende Stellungnahmen vorgehen kann, muß der Investor ihr seinen Text drei Tage vorher übermitteln. Bei erfolgreichen Anträgen muß das Unternehmen deren Veröffentlichung bezahlen, wenn sie nicht mehr als 5000 Zeichen umfaßt.
Massiv eingeschränkt werden dagegen die Anfechtungsklagen, mit denen beispielsweise Kapitalerhöhungen, Fusionen oder der Abschluß von Beherrschungsverträgen blockiert werden können. Deshalb wird das sogenannte Freigabeverfahren, das es bereits im Umwandlungsgesetz gibt, ausgeweitet. Eine Aktiengesellschaft kann danach beim Gericht in einem Eilverfahren beantragen, daß ein angefochtener Beschluß einer Hauptversammlung trotz einer Klageandrohung ins Handelsregister eingetragen wird. Dann kann die Transaktion dennoch bereits durchgeführt werden. Das Gericht muß dabei die Interessen der Kläger und des Unternehmens abwägen. Es soll seine Entscheidung spätestens nach drei Monaten treffen. Wann immer es um Bewertungsfragen geht - etwa bei der Höhe einer Entschädigung für einen Zwangsausschluß -, ist statt der Anfechtungsklage nur ein gerichtliches"Spruchverfahren" möglich; dieses kann die Unternehmensführung nicht lahmlegen.
Hauptversammlungen sollen von langwierigen Formalien befreit werden. Der Versammlungsleiter - meist der Aufsichtsratsvorsitzende - darf in Zukunft nicht nur die Redezeit begrenzen, sondern auch die Fragezeit. In der Praxis mißbrauchen bislang einzelne Berufskläger dieses Recht auch bei großen Publikumsgesellschaften stunden- oder tagelang (und halten so manche anderen Aktionäre von einer Teilnahme ab), um Vorstand und Aufsichtsrat zu Formfehlern zu verleiten. Die Hauptversammlung darf schriftliche Fragen zulassen (aber nicht vorschreiben). Auch die Antworten müssen dann nicht mehr während der Veranstaltung vom"Back Office" recherchiert und anschließend vorgelesen werden, sondern können auf der Webseite des Unternehmens und im Versammlungsraum veröffentlicht werden - auch mit elektronischen Terminals. Häufig gestellte Fragen können dort schon vorab beantwortet werden. So will das Bundesjustizministerium erreichen, daß die Versammlung der Strategiediskussion dient statt dem"lästigen und zeitraubenden Verlesen von Listen und Tabellen".
Erleichtert wird die Teilnahme am Aktionärstreffen. Wer sich sieben Tage vorher anmeldet, gilt als Anteilseigner, ohne daß seine Aktie gegen Verkäufe gesperrt wird. Besitzer von Inhaberaktien brauchen überdies eine Bestätigung ihrer Depotbank.
Text: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.02.2004, Nr. 34 / Seite 21
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