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12.02.2004
Titel
Rüdiger Göbel
Rumsfeld in Nöten
Führende US-Militärs warnen im Kongreß: Geld für Irak-Besatzung geht aus. Schwerer Anschlag in Bagdad
Der anhaltende Widerstand im Irak treibt die Kosten der US-Besatzung immer weiter in die Höhe. Führende amerikanische Militärs schlugen nun Alarm. Wenn der Kongreß keine zusätzlichen Mittel freigebe, werde das Geld für den Irak-Einsatz bis September ausgehen, warnte US-General Peter Schoomaker am Dienstag (Ortszeit) vor dem Streitkräfteausschuß des Senats in Washington. Mittlerweile koste die amerikanische Militärpräsenz im Irak rund 3,7 Milliarden Dollar, monatlich. Hinzu kämen weitere 800 bis 900 Millionen Dollar für den Truppeneinsatz in Afghanistan.
Die von der US-Regierung derzeit veranschlagten Mittel reichen laut Schoomaker noch bis Anfang September. Vor dem Kongreß zeigte er sich besorgt, wie die Zeit zwischen dem Ende des Haushaltsjahres am 1. Oktober und 2005 überbrückt werden solle. Schoomakers Dienstherr, US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, wußte beim Pressebriefing im Pentagon auch nicht weiter. Der maßgebliche Kriegsplaner verwies auf die Zuständigkeit des Weißen Hauses. Dieses und das dort angesiedelte »Büro für Management und Haushalt« hätten die Entscheidung getroffen, bis 2005 keine zusätzlichen Mittel zur Verfügung zu stellen. Immerhin stehen im November Präsidentschaftswahlen an, und der um seine Wiederwahl bemühte George W. Bush wird sich hüten, von den Amerikanern noch mehr Geld für die Kriegskasse zu fordern.
Im Irak wurden unterdessen bei zwei schweren Anschlägen auf sicherheitsrelevante Einrichtungen der Besatzungsbehörden in den vergangenen zwei Tagen wahrscheinlich mehr als 100 Menschen getötet. Am Mittwoch morgen brachte ein Selbstmordattentäter ein mit etwa 200 Kilogramm Sprengstoff beladenes Fahrzeug vor einem Rekrutierungsbüro der irakischen Armee in Bagdad zur Explosion. Bis zu 47 Menschen wurden dabei nach irakischen Behördenangaben getötet, mehr als 50 weitere verletzt.
Nach Angaben des von den US-Besatzungsbehörden eingesetzten stellvertretenden irakischen Innenministers Ahmed Ibrahim befanden sich zum Zeitpunkt des Anschlags etwa 300 Iraker vor dem Gebäude im Zentrum der Hauptstadt. Die einen wollten sich für eine Anstellung bei den neuen irakischen Streitkräften bewerben, die zur Zeit von der US-Armee für den Kampf gegen irakische Widerstandsgruppen aufgestellt wird, andere warteten auf ihre Abfahrt in ein Trainingslager in Jordanien.
Erst am Dienstag waren 53 Iraker einem Autobombenanschlag vor einer Polizeiwache in Iskandarija südlich von Bagdad getötet und bis zu 100 verletzt worden. Viele der Opfer wollten sich in der Polizeistation um einen Job bewerben.
Der Rat der sunnitischen Religionsgelehrten im Irak weigerte sich am Mittwoch, Angriffe gegen die Besatzungstruppen zu verurteilen. Das Gremium verurteilte allerdings Selbstmordanschläge auf Iraker. Der Rat machte hierfür ausländische Kämpfer verantwortlich.
Irakischen Angaben zufolge wurden in den vergangenen Monaten bei Anschlägen rund 300 Polizisten wegen ihrer Zusammenarbeit mit den US-Besatzungstruppen getötet. Bewaffnete Amerikaner igeln sich derweil auf ihren Stützpunkten hinter hohen Betonmauern ein.
Gleichzeitig werden immer mehr Iraker rekrutiert, die gegen die Widerstandsgruppen vorgehen sollen. Nach Angaben von Rumsfeld stehen zwischen 150 000 und 210 000 Iraker bei der US-Armee in Lohn und Brot. Die könne nun einmal nicht alle Anschläge verhindern. »Es ist unmöglich, jeden Ort gegen jeden denkbaren Anschlag zur jeder Zeit bei Tag und Nacht zu schützen«, erklärte Rumsfeld. »Ich meine, schauen Sie die Städte auf der ganzen Welt an. Alle sind gegen das Töten und trotzdem gibt es in jeder größeren Stadt auf der Welt jede Woche Mord und Totschlag. In jeder Stadt gibt es davon jährlich Hunderte.« Weiter fügte er hinzu: »Warum ist das so, obwohl wir doch überall die Polizei haben und jedermann gegen Morde ist? Die Antwort ist: weil Menschen Menschen sind.«
Auch sonst hatte der US-Verteidigungsminister wieder Bonmots für die Presse parat. Demnach ist Rumsfeld angeblich die 45-Minuten-Behauptung der britischen Regierung zum irakischen Waffenprogramm nicht geläufig. »Um ehrlich zu sein: Ich erinnere mich nicht an diese Stellungnahme«, sagte er beim Briefing im Pentagon. Auf die Frage, ob er an diese von Blair vor dem Irak-Krieg verbreitete These geglaubt habe, sagte der amerikanische Verteidigungsminister: »Ich müßte diese Erklärung sehen. Und um eine Meinung zu haben, müßte ich die Geheimdienstler fragen, was sie damals dachten. Denn was sie dachten, ist sehr wahrscheinlich auch das, was ich damals dachte.«
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