-->manager-magazin.de, 19.02.2004, 17:14 Uhr
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L E B E N S V E R S I C H E R U N G
"Die Fronten weichen auf"
Von Lutz Reiche
Noch ist der Stab über die Kapitallebensversicherung nicht gebrochen. Politiker und die Versicherungsbranche arbeiten an Lösungen, um die Steuervorteile zumindest teilweise zu retten.
Hamburg/Berlin - Der Widerstand gegen die Pläne der Bundesregierung, das Steuerprivileg für die Kapitallebensversicherung abzuschaffen, wächst. Nach verschiedenen Zeitungsberichten arbeiten Politiker aus SPD und Grünen hinter den Kulissen emsig daran, dass die Privilegien für das beliebteste Vorsorgeprodukt in Deutschland zumindest teilweise erhalten bleiben. Die Versicherungswirtschaft warnt zugleich davor, einen funktionierenden Vorsorgemarkt"kaputt zu regulieren".
[M]DPA;mm.de
Altersvorsorge: Die Deutschen setzen auf die Lebensversicherung. Rund 90 Millionen Policen haben sie bislang gekauft
Der Gesetzentwurf der Regierung zur Besteuerung von Alterseinkünften sieht vor, dass Einzahlungen in Kapitallebensversicherungen künftig nicht mehr als Sonderausgaben steuerlich geltend gemacht werden können. Zudem soll die Steuerfreiheit der Erträge für neue Policen ab dem 1. Januar 2005 gestrichen werden.
Produkte, die keine Einmalzahlung bei Fälligkeit sondern eine regelmäßige Rentenauszahlung vorsehen, sollen dagegen ihre steuerlichen Privilegien behalten. Anfang April geht der Gesetzentwurf in die zweite und dritte Lesung des Bundestages. Im Mai entscheidet dann der Bundesrat darüber.
Die Versicherungswirtschaft läuft gegen diese Pläne seit Jahresbeginn Sturm. Gerhard Rupprecht, Vorstandschef des Marktführers Allianz Leben warnte in dieser Woche vor einer massiven Diskriminierung der Lebensversicherung. Würden die Pläne umgesetzt, sei dieses Vorsorgeprodukt gegenüber reinen Kapitalanlagen steuerlich sogar schlechter gestellt.
Bundesfinanzministerium bleibt hart
Kompromissmodelle, die jetzt die Versicherungswirtschaft und die Politik diskutieren sehen wie folgt aus: Zum einen könnte das Steuerprivileg für jene Policen beibehalten werden, bei denen es im Rentenalter von 60 oder 63 Jahren zur Auszahlung kommt. Vorstellbar sei auch, dass die steuerfreie Auszahlung für Verträge gewährt wird, die 18 Jahre oder länger laufen. Um in den Genuss der Steuerfreiheit zu kommen, müssen solche Verträge bislang zwölf Jahre laufen.
Das Bundesfinanzministerum indes winkt ab, sieht keinen Nachbesserungsbedarf. Es gebe einen Kabinettsbeschluss und der müsse jetzt auch umgesetzt werden. Finanz-Staatssekretärin Barbara Hendricks (SPD) riet deshalb den Lebensversicherern, ihre Werbung für Kapitallebensversicherungen einzustellen.
GDV: Ein funktionierender Markt wird kaputt gemacht
Für den Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) ist dies das falsche Signal."Die Regierung sollte von den Besteuerungsplänen der Kapitallebensversicherung abrücken", forderte Gabriele Hoffmann im Gespräch mit manager-magazin.de. Die Bürger seien ja zu 90 Prozent bereit, mehr Eigenverantwortung bei der privaten Altersvorsorge zu tragen. Wenn sie sich dabei überwiegend für die Lebensversicherung als Vorsorgeprodukt entscheiden, sei es schlicht kontraproduktiv, hier mit neuen Regulierungen den Spielraum einzuschränken.
Damit werde nicht nur ein noch funktionierender Markt kaputt gemacht, sondern der Staat riskiere zugleich, dass die Menschen nichts mehr für ihre Vorsorge tun, sagte Hoffmann. Die Zurückhaltung gegenüber der Riester-Rente könne nun einmal nicht wegdiskutiert werden. Diese Produkte stellten offenbar keine Alternative für die Bürger dar. Bislang seien 500.000 Riester-Verträge neu abgeschlossen worden, dagegen aber 7,5 Millionen Lebensversicherungen im vergangenen Jahr.
Verband fordert vorgelagerte Besteuerung der Beiträge
Dass es Ungleichgewichte zwischen der Kapitallebensversicherung und anderen Kapitalanlageformen gibt, stellt der GDV dabei gar nicht in Abrede."Im Idealfall zahlt man jetzt die Beiträge aus unversteuertem Einkommen und hat noch die Erträge steuerfrei. Das wird sicherlich so nicht bleiben", räumte die Sprecherin ein.
Der Verband ist aber der Auffassung, dass die geplante nachgelagerte Besteuerung der Alterseinkünfte eben nicht für jede Art der privaten Altersvorsorge gelten dürfe. Der GDV votiert vielmehr dafür, dass die Beiträge für Lebensversicherungen aus versteuertem Einkommen zu bezahlen sind, die Leistungen dann aber steuerfrei gestellt werden sollten.
Jetzt durch staatliche Überregulierung eine Säule der Altersvorsorge einzureißen, ohne dass die andere, nämlich die betriebliche oder private Altersvorsorge nach dem Modell Riester aufgebaut ist, sei schlicht grob fahrlässig und drohe, die Versorgungslücke der künftigen Rentner noch zu vergrößern.
Gleichwohl zeigte sich Hoffmann zuversichtlich, dass bei der geplanten Besteuerung von Kapitallebensversicherungen noch ein Kompromiss gefunden wird."Die Fronten sind aufgeweicht."
Die Attraktivität der Lebensversicherung schwindet
Sollte sich jedoch die Bundesregierung mit ihrer Vorstellung durchsetzen, dürfte die Attraktivität der Lebensversicherung deutlich sinken. Denn seit Beginn dieses Jahres zahlen die Anbieter nur noch 2,75 Prozent Garantiezins. Zugleich hat die gesamte Branche ihre Überschussbeteiligung auf die Verträge kräftig gesenkt.
Überdies wird im Zuge der Gesundheitsreform auf Direktversicherungen und Betriebsrenten, die als Einmalbetrag ausgezahlt werden, seit Beginn dieses Jahres der volle Krankenkassen- und Pflegebeitrag fällig.
Auf diese Betriebsrenten fielen vor der Neuregelung keine Kassenbeiträge an, nun sind es 16 Prozent der ausgezahlten Versicherungssumme. Bei einer Lebensversicherungssumme von beispielsweise 100.000 Euro behält der Staat künftig etwa 16.000 Euro ein. Das letzte Wort ist hier allerdings noch nicht gesprochen. Sozialverbände haben bereits Klagen gegen diese Regelung angekündigt.
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