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WOZ
19.02.04
Südafrikanische Söldner im Irak
Alte Soldaten sterben nicht
Von Ruth Weiss
Sie sind gut ausgebildet, kampferprobt und einsatzbereit: In keinem anderen Land lassen sich so viele Kriegsfreiwillige rekrutieren wie in Südafrika. Wie kommt das - und was tun sie im Irak?
Die Bombe, die in den frühen Morgenstunden des 28. Januar vor dem Schaheen-Hotel in Bagdad explodierte, traf auch fünf südafrikanische Staatsangehörige. Einer starb sofort, die anderen wurden verletzt. Die fünf hielten sich nicht zufällig im Irak auf, sondern gingen dort ihrem Handwerk nach - als Beschäftigte des US-amerikanischen Unternehmens SAS International, das im Auftrag der südafrikanischen Firma Erinys International handelt. Ihre Vergangenheit hatte sie für den Job prädestiniert, dem sie im Irak nachgingen.
François Strydom zum Beispiel, den die Bombe zerriss, war zu Apartheid-Zeiten Mitglied der berüchtigten Koevoet («Brecheisen») gewesen, die während der südafrikanischen Besatzung von Namibia als «Antiterror»-Einheit agierte. Dieser 3000 Mann starken Gruppe werden zahlreiche Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen, Folter und Mord gehörten zu ihrem Geschäft.
Später, kurz vor der Unabhängigkeit Namibias, erklärte das Apartheid-Regime Koevoet zur Polizeitruppe. Diesem Umstand ist es zuzuschreiben, dass Strydom auch nach seinem Tod als Expolizist bezeichnet wurde. Strydoms Freund Deon Gouws, den die Bombe des Selbstmordattentäters schwer verletzte, war während der Apartheid ebenfalls Polizist gewesen. Er diente im Civil Cooperation Bureau (CCB), dem die Ermordung von mindestens 200 Anti-Apartheid-KämpferInnen zur Last gelegt wird.
Strydoms Tod löste in Pretoria grosse Hektik aus. Die Regierung reaktivierte das fast schon vergessene und bisher kaum angewandte Gesetz gegen das Söldnertum aus dem Jahre 1998 und liess kurz danach den 49 Jahre alten Carl Frederick Alberts am Flughafen verhaften. Alberts, früher Pilot in der südafrikanischen Armee, kehrte gerade aus der Elfenbeinküste zurück, wo er Helikopter geflogen hatte. Seine Verhaftung war erst die zweite Festnahme seit der Verabschiedung des Söldnergesetzes, für das die Regierung einst hoch gelobt worden war.
Diese Vorkommnisse führten zu heftigen Spekulationen. Könnte es sein, dass im Irak südafrikanische Söldner kämpfen? In den Medien war sogar von 1500 Mann die Rede, die aufseiten der US-amerikanischen und britischen Truppen im Einsatz seien. Doch diese Zahl ist ebenso übertrieben wie die Vermutung, dass südafrikanische Söldner am Kampfgeschehen teilnehmen. Fest steht jedoch, dass südafrikanische «Sicherheitsfirmen» - sie nennen sich selbst Private Military Companies (PMC), also private Militärunternehmen - mittlerweile nicht nur in Afghanistan, sondern auch im Irak tätig sind.
Strydom arbeitete für Erinys International. Das Unternehmen (es nennt sich nach einer griechischen Göttin, die einen Schuldigen verfolgte, dessen Taten nie bestraft wurden) unterhält Büros in Johannesburg und Dubai und wird von vier Direktoren geführt, von denen drei in Südafrika wohnen. Im vergangenen Jahr eröffnete Erinys auch eine Niederlassung in Britannien und bewarb sich erfolgreich um einen Vertrag zur Ausbildung von irakischem Sicherheitspersonal, das Ã-l-Pipelines schützen soll. Wert des Auftrags: 39,5 Millionen US-Dollar.
Erinys verfügt über Erfahrung auf diesem Gebiet. Die Firma war bereits im Nigerdelta, in Angola und in Ghana tätig; ausserdem kümmerte sie sich im Auftrag von British Petroleum (BP) um den Schutz von BP-Pipelines in Kolumbien. Im Irak arbeitet das Unternehmen, das sich auf seiner Website als internationale Beratungsfirma in Sachen «business intelligence and security risk» mit den Schwerpunkten Afrika und Nahost bezeichnet, für den US-Baukonzern Bechtel und für eine Tochtergesellschaft von Halliburton. Beide Firmen unterhalten gute Beziehungen zur US-Regierung; US-Vizepräsident Dick Cheney war bis vor vier Jahren noch Direktor von Halliburton. Von daher ist verständlich, dass das Interesse, das Strydoms Tod in Südafrika weckte, den Direktoren von Erinys nicht passte. Die südafrikanische Zentrale habe mit dem Irak nichts zu tun, erklärte eine Sprecherin, alle diesbezüglichen Geschäfte würden von Dubai aus abgewickelt.
Laut einem Bericht der südafrikanischen «Sunday Times» vom Dezember gehört zu den Erinys-Direktoren auch Sean Cleary. Cleary, ein eifriger Verfechter des Apartheid-Regimes, arbeitete jahrelang unter Pik Botha im südafrikanischen Aussenministerium und unterstützte nach dem Fall der Apartheid die angolanische Rebellenorganisation Unita und deren inzwischen getöteten Führer Jonas Savimbi. Später gründete er ein Bauunternehmen in Sandton, Johannesburg. Im Mai vergangenen Jahres wurde Cleary Mitglied des Verwaltungsrats der Zürcher Firma Think Tools - das Unternehmen offeriert Analysen von Optionen und Risiken für Firmen und Regierungen und befindet sich gerade in Fusionsverhandlungen mit dem IT-Dienstleister Redit (Zug).
Eine Lücke im Gesetz
Das südafrikanische Söldnergesetz von 1998 schreibt vor, dass alle Firmen, die im Bereich der internationalen «Sicherheit» tätig werden wollen, eine Erlaubnis des Nationalen Komitees für Konventionelle Waffenkontrolle benötigen. Erinys hat nie einen Antrag gestellt. Zwei andere PMC haben hingegen um die Erlaubnis gebeten, im Irak tätig werden zu dürfen: Meteoric Tactical Solutions (MTS) und Grand Lake Trading. MTS bildet im Irak bereits Soldaten und Polizisten aus, obwohl die Genehmigung noch nicht vorliegt. Doch dies dürfte nur eine Formsache sein.
Denn das Gesetz definiert den Begriff «Söldner» recht schwammig. Es hält lediglich fest, dass südafrikanische Staatsangehörige und Firmen, die im Ausland militärisch tätig sein wollen, eine Genehmigung brauchen. Aber gehören auch Firmen dazu, die ihre Tätigkeit als Massnahme zur Aufrechterhaltung der Sicherheit beschreiben? Es gibt ja Firmen, die sich tatsächlich darauf beschränken und lediglich Personen, Anlagen und Gebäude schützen - Firmen wie beispielsweise das südafrikanische Unternehmen Mechem, das im Nordirak (gegen Bezahlung) Landminen unschädlich macht. Die Existenz solcher Firmen erlaubt es aber anderen Unternehmen mit ganz anderen Zielen, durch diese Lücke des Gesetzes zu schlüpfen.
Privatarmee, Privatkrieg
Söldner sind - so die international akzeptierte Definition - Personen, die sich militärisch an einem Krieg beteiligen, ohne Bürger des Landes zu sein, in dem der Krieg ausgetragen wird und ohne einer regulären Armee anzugehören. Ein weiteres Merkmal besteht darin, dass sie mehr Sold erhalten als die Truppen ihrer Auftraggeber. Söldner haben seit den sechziger Jahren immer wieder in die Konflikte Afrikas eingegriffen. Damals kämpften französische, belgische, britische und südafrikanische Exsoldaten im Kongo, in Sierra Leone, in Moçambique. Die meisten waren Veteranen anderer Kriege, die ihren Halt in der bürgerlichen Gesellschaft verloren hatten, neue Abenteuer suchten und sich samt ihrer Erfahrung und manchmal auch ihrer Kampfausrüstung neuen Arbeitgebern andienten. Sie waren die «dogs of war», die Kriegshunde.
Inzwischen aber begrenzt sich das Söldnertum nicht mehr auf ein paar tausend desolater Gestalten. Es ist Business geworden, grosses Business. Die Private Military Companies (PMC) sind Wirtschaftsunternehmen, die aus Kriegen, Konflikten, Unruhen enorme Gewinne schlagen und jede Funktion einer Regierungsarmee ausführen können. Dazu gehört die Lieferung von gut ausgebildetem, gut ausgerüstetem Personal samt Waffen, Munition und Transportmitteln. Selbst «Intelligence», also Spionage, wird von PMCs wie Erinys oder Sandline (einem britischen Söldnerunternehmen mit Sitz auf den Bahamas) angeboten. Sie arbeiten für Regierungen («vorzugsweise demokratisch gewählte», wie es Sandline auf seiner Website formuliert) und für Grosskonzerne (Erinys war nach Eigendarstellung bisher für 51 Firmen tätig; die Kundenliste reicht vom Diamantenkonzern De Beers bis zu Siemens, von Motorola bis zu Unilever). Ein profitables Geschäft. In Afrika, wo viele Kriege wegen der Bodenschätze geführt werden, fordern PMCs für ihre Dienste auch Konzessionen, sodass manche inzwischen auch aus Bergbau und Mineraliengeschäft Profite schlagen.
An Freiwilligen mangelt es nicht. Die meisten südafrikanischen Söldner sind zwischen dreissig und vierzig Jahre alt (François Strydom war 42, als er starb) und wurden während der Apartheid-Zeit im Militär oder bei der Polizei ausgebildet. Sie verdienen gut; ein Job im Irak bringt - so die «Sunday Times» - bis zu 400 US-Dollar pro Arbeitstag, dazu kommt eine Unfallversicherung in Höhe von über einer Million Dollar. In Südafrika hingegen finden sie kaum Arbeit. Deshalb verlangte Na’eem Jeenah, Sprecher der südafrikanischen Antikriegskoalition, vor wenigen Tagen erneut ein Programm zur Re-Integration der alten Pro-Apartheid-Kämpfer.
Doch die glauben weiterhin an die Gültigkeit des Sprichworts «Alte Soldaten sterben nicht». Ausserdem gedeiht das Geschäft. Auch Erinys International kann mit neuen Aufträgen rechnen - die USA und Britannien haben ein Interesse daran, den PMC sicherheitsrelevante Aufgaben zuzuschustern. Der Tod von Privatpersonen ist dem von US-amerikanischen und britischen Soldaten allemal vorzuziehen. Zudem haben George Bushs Vorgänger Bill Clinton, George Bush senior und Ronald Reagan ebenfalls auf Söldner zurückgegriffen, um innenpolitisch heikle Operationen auszuführen (Reagan in Nicaragua, Clinton in Kolumbien). Und verfolgt nicht das Pentagon seit Jahren eine Strategie des Outsourcing, der Privatisierung militärischer Dienstleistungen? Da ist noch mancher Dollar zu holen.
Executive Outcomes
Executive Outcomes ist das bekannteste südafrikanische Söldnerunternehmen. Die Privatfirma (sie hat mittlerweile ihren Sitz nach Britannien verlegt) wurde 1989 von Eeben Barlow gegründet. Barlow war in den achtziger Jahren zweiter Befehlshaber des 32. Buffalo Battalion der südafrikanischen Streitkräfte gewesen (eine Art Fremdenlegion, der auch viele Schwarze angehörten). Ausserdem gehörte er zu den Befehlsgebern der südafrikanischen Spezialeinheit CCB (s. oben). Barlow rekrutierte seine Leute aus dem alten Bekanntenkreis, auch ehemalige Fallschirmjäger der südafrikanischen Armee und Mitglieder der in Namibia agierenden Sondereinheit Koevoet gehörten dazu.
Executive Outcomes (EO) kam 1993 erstmals in die Schlagzeilen: Damals kämpfte die Organisation zuerst aufseiten der rechten Unita-Rebellen gegen die linke MPLA-Regierung von Angola. Kurz danach wechselte EO die Seite. 1995 rief der Präsident von Sierra Leone das Söldnerunternehmen ins Land; als dessen Regierung 1996 den Vertrag mit EO nicht erneuern wollte, wurde sie gestürzt. 1997 kam das Unternehmen erneut ins Gerede, als der Premierminister von Papua-Neuguinea (PNG) die EO-Partnerorganisation Sandline holte, um mit den Rebellinnen der PNG-Insel Bougainville kurzen Prozess zu machen. Die miserabel bezahlte PNG-Armee verhaftete jedoch die gerade ins Land gekommenen Söldner und stürzte den Premier. Seither ist es eher ruhig geworden um das Unternehmen - Schlagzeilen stören das Geschäft.
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