-->Sensationeller Münzfund erzählt von unbekanntem römischen Kaiser
Ein bisher unbekannter, in Deutschland beheimateter Kaiser ist aus den Nebeln der Vergangenheit aufgetaucht - in einem Schlammfeld zehn Meilen südöstlich von Oxford.
Der neueste Rekrut römischer Geschichte ist ein imperialer Herrscher namens Domitianus, über den bislang keine Aufzeichnungen existierten. Er scheint in Trier nach einem Sexskandal die Macht ergriffen zu haben. Seine historische Wiederauferstehung begann vor kurzem, als ein Mann mit einem Metalldetektor über einen Riesenhaufen römischer Münzen stolperte. Sie stammen aus dem dritten Jahrhundert und waren zu einem Klumpen verschmolzen. Die Konservatoren im British Museum mussten jede Münze herauslösen. Dabei fiel ihnen eine besondere Aufschrift auf:"IMP C DOMITIANUS P F AUG"; übersetzt:"Imperator Caesar Domitianus, pflichtbewusster und glücklicher Augustus".
Das Problem: Es gibt keine Aufzeichnungen über einen Domitianus im dritten Jahrhundert. Nachforschungen ergaben indes, dass im Jahr 1900 eine Münze mit just dieser Aufschrift in Frankreich ausgegraben worden war - man hatte sie als moderne Fälschung abgetan. Doch die Münze aus Oxford ist ganz gewiss echt; das heißt für die britischen Numismatiker auch, dass das französische Exemplar nicht länger als Fälschung betrachtet werden kann.
Obwohl die Geschichtsschreibung des römischen Imperiums im dritten Jahrhundert keinen Kaiser Domitianus erwähnt, bezieht sie sich doch mehrmals auf einen General dieses Namens. Und der neue Münzfund beweist, dass es wohl dieser General war, der nur für wenige Wochen im Jahr 271 n.Chr. den Kaiserthron im westlichen Drittel des Imperiums eroberte.
Geschichtlich ist er eine schattenhafte Gestalt, aber zu seiner Zeit war er vielleicht einer der wichtigsten Mitspieler in der römischen Geopolitik. Einer antiken Quelle zufolge behauptete er tatsächlich, er stamme von Kaiser Domitian ab, der Rom im ersten Jahrhundert regierte. Als wichtiger General einer enormen Armee, die Roms Feinde besiegte, taucht er erstmals 261 auf. 265 versuchte er, auf Befehl des Kaisers Galienus ein sezessionistisches römisches Regime in Westeuropa zu besiegen, das die Kontrolle über Frankreich, Britannien, Spanien und Teile von Deutschland an sich gerissen hatte. Jenes Teilimperium nennen Historiker das gallische Imperium.
Doch 268 war es Galienus nicht gelungen, das Imperium wiederzuvereinen; nicht nur in Westeuropa, sondern auch im Westen Asiens. Also übernahm Domitianus eine Führungsrolle in einer Revolte gegen den Kaiser und unterstützte einen neuen Mann, der diese Aufgabe übernehmen sollte. Ende des Jahres 268 war die Revolte zusammengebrochen, und Domitianus scheint nach Frankreich geflohen zu sein, wo er wahrscheinlich an einem erfolglosen Versuch beteiligt war, im Februar 269 die Kontrolle über das westeuropäische sezessionistische Regime zu übernehmen.
Die Aufschrift auf der Oxforder Münze enthüllt aber, dass er später einen weiteren, diesmal erfolgreichen Versuch wagte, die Macht an sich zu reißen, indem er die Kontrolle über das gallische Imperium übernahm. Er hat wohl nur wenige Wochen als Kaiser Domitianus regiert. In einem Machtvakuum, das auf den Tod seines Vorgängers folgte, eines Herrschers, der die Frauen seiner Kollegen verführte und von einem der gehörnten Ehemänner ermordet wurde. Es ist vorstellbar, dass es Domitianus war. Doch seine Herrschaft wurde jäh beendet, als einer der Verwandten seines virilen Vorgängers auftauchte. So floh er nach seinem Sturz wohl nach Italien, wo er von den Behörden des Zentralimperiums festgenommen und wahrscheinlich hingerichtet wurde.
"Wir wühlten uns durch tausende Münzen aus dem Haufen und fanden plötzlich diese eine. In archäologischen Begriffen war es so, als hätten wir die numismatische Entsprechung des Heiligen Grals gefunden", sagt Richard Abdy, der Kurator im British Museum.
Quelle: DIE WELT, 04.03.2004
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