-->Herrhausen und die Schuldenfrage
Am 15. Februar 2004 strahlte 3Sat einen Dokumentarfilm des Senders Arte von 2002 über die möglichen Gründe des Mordanschlags, dem der der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank Alfred Herrhausen am 30. November 1989 zum Opfer fiel, erneut aus. Darin äußert der Bankier zur lateinamerikanischen Schuldenkrise:"Mir ist damals durch den Kopf gegangen, daß wir hier einen anderen Lösungsansatz wählen mußten und daß es wohl nicht zu vermeiden ist, daß Banken gewisse Opfer bringen, um diesen Ländern zu helfen... Von Anbeginn gab es zwei mögliche Opfer der Krise: die Gläubigerbanken und die Schuldner. Die gibt es immer noch, aber die Stärke der Banken ist größer, die der Schuldner geringer geworden."
1987 hatte Herrhausen in Mexiko City mit dem Präsidenten Miguel de La Madrid über die Schuldenfrage verhandelt, der im Arte-Film sagt:"Als ich Herrhausen im September 1987 empfing, setzte ich ihm unsere Situation auseinander, daß die Regierungen der verschuldeten Länder wie Mexiko ohne Erleichterung nicht länger durchhalten würden. Ich sagte ihm, es lohne sich, die Verschuldeten am Leben zu halten, denn ein toter Verschuldeter kann nichts zurückzahlen."
Dieses Argument habe Herrhausen"sehr bewegt", berichtet ein mit ihm befreundeter Pater. Es könne nicht sein, daß"einige wenige aus der Wirtschaft sehr hohen Profit ziehen und viele andere dabei unter die Räder kommen. Das war nicht seine Vorstellung von einer geordneten Welt. Die fatale Schwierigkeit war, daß es zu viele gegeben hat, denen es ausschließlich um ihre Renditen ging."
Herrhausen arbeitete auf eine Schuldenstreichung auf Kosten der Gläubiger hin und stieß dabei auf unüberbrückbare Widerstände, nicht zuletzt in der eigenen Bank. Sein Vorstandskollege Michael Enders merkt an, Herrhausens Kompetenz als Banker und Fachmann sei damals in Zweifel gezogen worden. Herrhausens Nachfolger Hilmar Kopper sagt im Arte-Interview:"Herrhausen hatte gesagt, daß man ganz oder auf Teile dieser Forderungen verzichtet, dann existieren sie nicht mehr, dann hat sich das Problem aufgelöst. Das war eine typisch intellektuelle Bemerkung - also zu sagen, wenn wir das alles theoretisch durchgehen, kann man ein Problem beseitigen, indem man den Ursprung des Problems nicht mehr weiterbestehen läßt." Dies habe Herrhausen"eine wahnsinnige Unterstützung der schon in die Jahre und Funktionen kommenden 68er eingebracht. Die waren alle für Schuldenvernichtung. Das war ja nicht ihr Geld. Das war das Geld der bösen Banken, das konnte man ja ruhig vernichten. Das haben sie eben davon, daß sie den Brasilianern Kredit gegeben haben."
Dem hält der Pater entgegen, damals sei die viel aufregendere Frage gewesen:"Wieviel ist ein System wert, das in einer entscheidenden Frage zu kurz greift und einfach versagt?" Und natürlich sei ein so wacher Mensch wie Herrhausen auf die Frage gestoßen:"Decke ich vielleicht etwas, was ich nicht decken kann, nicht decken will, nicht decken darf?"
Bei solchen Argumenten zieht Kopper nicht mit:"Ich fand auch, daß er ein bißchen zu sehr abgehoben hatte und daß er in der Gefahr war, und er hat es selbst gemerkt, dabei die Verbindung, das Band zu der Bank und allem, was er mitziehen muß in einen Höhenflug hinein, zu verlieren."
Die Rede ist von der letzten Vorstandssitzung am 29. November 1989. Rolf Breuer, ein weiterer Nachfolger Herrhausens an der Spitze der Deutschen Bank:"Ich weiß noch sehr genau, daß Alfred Herrhausen äußerst deprimiert aus dieser Sitzung schied, die dann seine letzte werden sollte."
Seine Witwe berichtet, daß ihr Mann völlig niedergeschlagen von dieser Sitzung nach Hause kam, sich einsam und von allen verlassen fühlte und überhaupt nicht wußte, wie es weitergehen sollte. Am anderen Morgen habe er beim Abschied zu ihr gesagt:"Ich weiß nicht, ob ich das überlebe". Drei Minuten später erfolgte die Explosion.
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