-->Scholl-Latour: Wir erleben heute den Verfall der Demokratie, hin zur Plutokratie. Schauen Sie sich die Schamlosigkeit dieser Manager an, die auch noch fachlich schlecht sind. Die entlassen Arbeiter und reißen sich, wie bei Mannesmann, 60 Millionen Euro unter den Nagel! Gerhard Schröder ist nur von reichen Leuten fasziniert. Von Industriebossen. Mich ärgert immer dieses Geschwätz: Man muß die Wirtschaftsbosse in die Politik bringen. Um Gottes willen!
FOCUS: Welche Auslandberichterstattung im Fernsehen halten Sie für gelungen?
Scholl-Latour: Wenn ich die Wahl habe zwischen CNN und deutschen Sendern, sehe ich lieber CNN. Bei dem Ã-ffentlich-Rechtlichen gibt es ja leider kaum noch Auslandsberichterstattung. Der alte Höfer-Presseclub war phantastisch im Vergleich dazu, was man heute sieht. Dieses Sozialgewäsch! Da sagt mir diese sehr hübsche Frau Reiche (CDU-Bundestagsabgeordnete, d. Red.), die mir physisch ja gut gefällt: Wir jungen Leute haben auch Anspruch auf unsere Rente!
Gott, ich hatte nie eine Lebensversicherung, über meine Pension habe ich mir nie Gedanken gemacht. Wenn man mir in Indochina ein Bein abgeschossen hätte, hätte ich keinen Pfennig bekommen. Meine Generation dachte nicht an Pensionen, sondern ans Überleben. Ich habe lieber Bücher geschrieben, das hielt mich auch jung im Kopf. Wer heute mit 25 Jahren meint, mit der Rente mal für den Lebensabend sorgen zu können, muß bescheuert. Die Leute sollen lieber zusehen, daß sie eine anständige Bundeswehr aufbauen. Damit sie sich verteidigen können. Sonst fließt irgendwann alles in die neuen EU-Länder rein.
FOCUS: Bald vielleicht auch in die Türkei, vor deren EU-Aufnahme Sie warnen…
Scholl-Latour: Ich kenne die Türkei gut. Ich habe mit Professoren in Ankara darüber gesprochen, was freies Niederlassungsrecht bedeutet. Die sagten: Sie glauben, da kommen fünf Millionen Türken nach Deutschland? Zehn Millionen kommen! Dann gibt es Bürgerkrieg. Ich habe nichts gegen die Türken, man kann ihnen auch nicht mit dem blöden Argument kommen: Ihr seid nicht demokratisch genug. Das ist eine Beleidigung. Man muß ihnen sagen: Ihr seid eine Ordnungskultur im Nahen und Mittleren Osten, ihr habt eine ganz andere Perspektive! Aber doch keine Fusion mit der EU! Schröder versündigt sich aus wahlpolitischen Gründen an der Nation.
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FOCUS: Sie bestätigen auch in Ihrem neuen Buch „Weltmacht im Treibsand“ Ihren Ruf als Pessimist. Kein Funken Hoffnung, daß es kluge politische Köpfe gibt, die die Probleme der Welt lösen können?
Scholl-Latour: Nein. In Deutschland sehe ich kaum einen intelligenten Politiker. Außer Helmut Schmidt und Helmut Kohl. Kohl kenne ich seit Ewigkeiten, er hat meine Meinung geschätzt. Er ist eine ganz joviale Persönlichkeit. Mit Schmidt hatte ich immer ein gutes Verhältnis. Er mochte ja keine Journalisten, aber mit mir hat er, wenn er in Paris war, immer ein separates Gespräch geführt. In der Einschätzung der Dummheit der Menschheit stehe ich Schmidt ziemlich nahe.
FOCUS: Konsultiert Sie die Schröder-Regierung?
Scholl-Latour: Schröder kenne ich gar nicht. Er ist ja ohne jeden historischen Instinkt. Das ist das Erschreckendste bei dieser Nachkriegsgeneration: diese Unkenntnis der Geschichte und der Welt! Eine Form von Selbsthaß. Mit Fischer habe ich mal in einer Talk-Show zusammengesessen, als er noch jovial und dick war. Damals hatten wir schon keine Affinität zueinander. Mit seiner Sch…politik, zu meinen, die Deutschen müßten humanitär am Hindukusch wirken und die Demokratie da einführen! Das Schlimme ist, daß er noch im Nebel von 68 hängt. Verteidigungsminister Struck hat mich mal zum Gespräch gebeten, von ihm war ich angenehm überrascht.
FOCUS: Haben Sie mit Ihrer oft isolierten Meinung je hinter dem Berg gehalten?
Scholl-Latour: Nein. Ich hatte die Wahl zwischen Altersmilde und Alterszorn. Ich habe mich für den Alterszorn entschieden. Ich bin immer gegen den Strom geschwommen. Anfangs mit meinen Afrika-Berichten gab’s keine Probleme, keine Ideologiefragen. Nach meinem Buch „Tod im Reisfeld“, das ein immenser Erfolg war, wurde ich für die nächsten Bücher nur noch verrissen. Oder ganz totgeschwiegen. In den Printmedien ist meine Meinung heute auch nicht sehr gefragt. Wenn ich ein junger Journalist wäre und mich so äußerte, wie ich es tue - mit der Karriere wäre es vorbei.
FOCUS: Werden in unserem Medienzeitalter mehr Informationen geheim gehalten als beispielsweise zu Zeiten des Kalten Krieges?
Scholl-Latour: Der Zuschauer bekommt weniger Informationen. Das liegt auch an seinen Interessen. Schauen Sie sich die deutschen Nachrichten an. Als Hauptmeldung läuft das Dosenpfand! Die Wertigkeiten haben sich verschoben…
Tjaja, es gibt keine Systempresse, nein, nein, nein! Bezeichnend, daß ausgerechnet ein 80ig-jähriger Knacker derart dagegenhalten muß. Gibt es den bei den Jungen keine Leute mit Format? Hat man die denn schon alle mundtod gemacht?
Wenn die Deutschen nur noch bestimmte Neuigkeiten hören wollen und damit den Inhalt der Presse schon vordiktieren, warum wird dann ein derartiger Querdenker von so vielen Leuten geschätzt? Es gibt anscheinend doch einen Markt für Systemkristisches, sonst hätte PSL nicht einen derartigen Erfolg. Wo bleiben die kritischen Artikel in den Medien?
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