--><font size="5">Streit um angemessene RisikoprÀmie </font>
Nach den AnschlĂ€gen stehen die Bewertungen fĂŒr Aktien auf dem PrĂŒfstand - Drei Szenarien mit Kurszielen: Horror-Szeneario / Status Quo-Szenario / Sonnenschein-Szeneario
Daniel Eckert
Holger ZschÀpitz
Berlin - FĂŒr Börsianer ist die Sache klar. Der Al-Qaida-Terror ist mit den AnschlĂ€gen von Madrid in Europa angekommen - und damit auch das Risiko. Postwendend senkte die US-Investmentbank JP Morgan ihre Gewichtung fĂŒr europĂ€ische Aktien in ihren globalen Portfolios von"Ăbergewichten" auf"Neutral".
Statt neuer JahreshöchststÀnde, wie am vergangenen Montag gesehen, markieren die MÀrkte nun JahrestiefstÀnde. Der Dax rutschte zu Wochenbeginn fast drei Prozent ab und damit unter die psychologisch wichtige 3850-Punkte-Marke. Seit Jahresanfang hat das Kursbarometer inzwischen nicht nur sÀmtliche Gewinne abgegeben, sondern notiert sogar drei Prozent im Minus. Im Gegenzug schnellte der Angstindikator VDax zuletzt um 30 Prozent in die Höhe.
"Investoren sind in den vergangenen Monaten ein zu starkes Risiko eingegangen. Nun nimmt das Risikoempfinden wieder deutlich zu", sagt Roger Nightingale, Stratege bei Sarasin Investors in London.
Unter Strategen ist die Diskussion um die adĂ€quate RisikoprĂ€mie entbrannt. Die Profis streiten darĂŒber, welchen Bewertungsabschlag Aktien gegenĂŒber risikolosen Investments wie Staatsanleihen aufweisen mĂŒssen, um die gestiegenen geopolitischen Gefahren ausreichend zu reflektieren. Als ein Anhaltspunkt fungiert der Irak-Krieg, der vor einem Jahr begann. Damals lag die RisikoprĂ€mie mit 3,5 Prozent deutlich ĂŒber dem aktuellen Niveau von rund drei Prozent. WĂŒrde jetzt ein Ă€hnlicher Unsicherheitsabschlag genommen, mĂŒsste der Dax kurzfristig bis auf 3650 Punkte fallen, was Experten wie Anais Faraj von Nomura nicht ausschlieĂen wollen.
Doch noch Schlimmeres droht. Im apokalyptischen Fall könnte der Dax bis auf 1700 Punkte stĂŒrzen und damit nicht nur die im MĂ€rz vergangenen Jahres markierten Langzeittiefs bei 2188 ZĂ€hlern unterschreiten, sondern die Gewinne der vergangenen zehn Jahre ausradieren.
Das ergibt eine Berechnung der WELT. Da die Entwicklung des internationalen Terrorismus und dessen Auswirkungen fĂŒr die Profis nicht absehbar ist, hat diese Zeitung einmal drei Szenarien entwickelt. Diese geben wieder, welche Folgen verschiedene Konstellationen auf den Dax haben. Um die KomplexitĂ€t zu reduzieren, wurde dabei lediglich die RisikoprĂ€mie als variabel angenommen, andere GröĂen wie die Gewinndynamik dagegen beibehalten.
Zwar ist das wahrscheinlichste Szenario, dass es im GroĂen und Ganzen nicht zu einer VerschĂ€rfung des Terrorismus kommt. Dann könnte sich der jetzige AbwĂ€rtstrend als kurzfristige Korrektur und sogar als Kaufgelegenheit entpuppen. Denn der Dax hĂ€tte Potenzial bis auf 4500 Punkte. Interessanterweise stimmt dieses Niveau mit dem Dax-Kursziel der meisten Strategen fĂŒr die kommenden zwölf Monate in etwa ĂŒberein.
Dass die Diskussion um die RisikoprĂ€mie nicht rein akademischer Natur, sondern fĂŒr Anleger von handfester Relevanz ist, zeigt die langfristige Historie. Letztendlich ist die RisikoprĂ€mie neben der Gewinnentwicklung bei den Unternehmen das maĂgebliche Kriterium bei der Aktienperformance.
Das apokalyptische Szenario
Das Zeitalter des Mega-Terrorismus hat begonnen. Die westlichen IndustrielĂ€nder werden immer hĂ€ufiger zum Ziel verheerender AnschlĂ€ge. Abgesehen haben es die Fanatiker vor allem auf so genannte weiche Ziele wie Bahnhöfe, FlughĂ€fen oder SportstĂ€tten. Und nicht nur das. SchlieĂlich gelingt es den Terroristen, an Massenvernichtungswaffen zu kommen. New York, das Herz der kapitalistischen Welt, und der Vatikan, das Zentrum des Christentums, werden von MegaanschlĂ€gen mit Tausenden von Toten heimgesucht. Die Konsum- und Reiselust der Verbraucher kommt fast zum Erliegen. Doch nicht nur die private Nachfrage bricht ein. In den globalen Volkswirtschaften werden immer mehr Ressourcen in ökonomisch gesehen unproduktive Sektoren wie Sicherheit, Verteidigung und Ăberwachung gesteckt. Gleichzeitig nimmt auch der grenzĂŒberschreitende globale Handel Schaden. FĂŒr AktionĂ€re verheiĂt dies nichts Gutes. Die Berechenbarkeit von Unternehmensgewinnen nimmt ab. Angesichts einer unsicheren Welt nimmt die Neigung der Anleger, ĂŒberhaupt noch in Aktien zu investieren ab. Die RisikoprĂ€mien erklimmen Allzeithochs wie zu kritischen Phasen des Kalten Krieges oder der Ă-lkrise Ende der 70er-Jahre von annĂ€hernd zehn Prozent. WĂ€hrend die KrisenwĂ€hrung Gold eine nie gesehene Renaissance erlebt, brechen die weltweiten AktienmĂ€rkte ein und liegen ĂŒber lange Zeit danieder. Faires Dax-Niveau: 1700 Punkte dde/hz.
Das Status-quo-Szenario
Es geht weiter wie bisher. Der Kampf gegen den Terrorismus wird fortgesetzt. Nichtsdestotrotz gelingt es Al Qaida und anderen Gruppen immer wieder, AnschlĂ€ge auf politische und wirtschaftliche Knotenpunkte in der westlichen Welt zu verĂŒben. Wie im Kalten Krieg lernen die Menschen mit dieser permanenten Bedrohung zu leben. Zwar brechen die Börsen nach jedem Anschlag erneut ein, wobei besonders Urlaubs- und Luftverkehrsunternehmen in Mitleidenschaft gezogen werden. Langfristig werden Dividendenpapiere aber nicht mit einer RisikoprĂ€mie belegt, weil sich nĂ€mlich herausstellt, dass die Verbraucher ihre Konsumgewohnheiten allenfalls kurzfristig anpassen, aber nicht langfristig auf Reisen oder VergnĂŒgungen wie Sportveranstaltungen, Konzerte oder Restaurantbesuche verzichten. In den Augen der Investoren sind TerroranschlĂ€ge zwar jeweils eine menschliche Tragödie, bringen die Volkswirtschaften der fĂŒhrenden Industriestaaten aber nicht aus dem Takt. Damit kehren die RisikoprĂ€mien an den Börsen nach vorĂŒbergehendem Hochschnellen zum langfristigen Mittel stets innerhalb weniger Wochen zurĂŒck. Seit Anfang der neunziger Jahre wurden Aktien mit einem Bewertungsabschlag gegenĂŒber nahezu risikolosen Wertpapieren wie Anleihen von 2,5 Prozent belegt. Unter Schwankungen haben die AktienmĂ€rkte damit weiteres moderates Kurspotenzial nach oben. Faires Dax-Niveau: 4500 Punkte dde/hz.
Das Sonnenschein-Szenario
Die geopolitische Lage wendet sich zum Besseren. Osama Bin Laden wird im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet festgenommen. Mit ihm gehen den US-Truppen weitere fĂŒhrende Al-Qaida-Aktivisten ins Netz, das Milliardenvermögen der Terrororganisation wird beschlagnahmt. Damit ist das komplette Terrornetzwerk zerschlagen. Erfolg auch auf anderer Linie. Im Nahen Osten unterzeichnen Israelis und PalĂ€stinenser ein Friedensabkommen. Der Iran, Nordkorea und Syrien folgen dem Beispiel Libyens und verzichten auf die Entwicklung oder Weitergabe von Massenvernichtungswaffen. Auf einem Weltsozialkongress wird die Kluft zwischen Arm und Reich in der Welt thematisiert, und die gröbsten MissstĂ€nde werden mit umfangreichen Hilfsprogrammen beseitigt. Dem globalen Terror in der Welt ist die Grundlage entzogen worden. Keine neuen AnschlĂ€ge erschĂŒttern mehr Menschen, Wirtschaft und Börse. Damit steigt die politische StabilitĂ€t, und auch der internationale Handel kann florieren. Das ist besonders gut fĂŒr die Anleger. Die RisikoprĂ€mie fĂŒr Dividendenpapiere muss keine geopolitischen Gefahren mehr spiegeln, sondern lediglich konjunkturelle Schwankungen. Sie kann auf ein Niveau von einem Prozent sinken - wie zu Anfang der 90er nach dem Zusammenbruch des Kommunismus oder den New-Economy-Boomjahren zur Jahrtausendwende. Faires Dax-Niveau: 6100 Punkte dde/hz.
v
<ul> ~ Quelle</ul>
|