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CIA sieht neues russisches Selbstbewußtsein als Bedrohung für US-Interessen in Zentralasien
Trotz der Glückwunschtelegramme aus Washington zur Wiederwahl von Präsident Wladimir Putin zeigt das Barometer der russisch-amerikanischen Beziehungen auf »veränderlich bis schlecht«. Denn unter der Präsidentschaft Putins sei es in Moskau zu einer teilweisen Restauration alter sowjetischer Denkweisen und Reflexe gekommen, heißt es in US-Regierungskreisen. Die Wiedereinführung der alten Sowjethymne durch Putin sei mehr als nur Nostalgie.
Sorge bereiten den Amerikanern auch die jüngsten Stellungnahmen aus Moskau, die eine größere Bereitschaft zur scharfen Kritik am weltweiten sicherheitspolitischen Gepolter der Bush-Regierung erkennen lassen. So hatte Anfang Februar Generaloberst Juri Balujewski, erster stellvertretender Generalstabschef Rußlands, erklärt, das seinerzeit stattfindende Großmanöver mit strategischen Waffen sei »zumindest teilweise aus Sorge über die amerikanische Politik« geplant und durchgeführt worden. Andere Militärs nannten den einseitigen Ausstieg der USA aus dem Abkommen zur Begrenzung der strategischen Rüstung (START), aus dem Atomwaffenteststoppvertrag und die Militarisierung des Weltraums durch die USA als bedrohlich.
Besonders scheint Moskau jedoch der von Washington geförderte Coup der Entmachtung von Präsident Eduard Scheardnadse in Georgien zu schaffen machen. Der habe, wie die anderen US-Operationen in der Region auch, die Zurückdrängung des russischen Einflusses in Zentralasien und im Kaukasus zum Ziel, während die USA sich in der Großregion überall militärisch einnisten.
In Moskau scheint inzwischen die Bereitschaft gewachsen zu sein, den US-Hegemonialbestrebungen im eigenen Hinterhof »mit einem selbstbewußteren Vorgehen« entgegenzutreten. Zu dieser Schlußfolgerung ist zumindest die CIA in ihrer jüngsten Einschätzung für den Streitkräfteausschuß des US-Kongresses gekommen. Deren Schlußfolgerungen wurden inzwischen über die New York Times der Ã-ffentlichkeit zugänglich gemacht.
Laut NYT warnt die CIA vor einer »anhaltend unnachgiebigen Haltung Rußlands im Tschetschenien-Krieg« und einer »robusteren Politik gegenüber Nachbarländern wie Georgien und der Ukraine, die von dem zunehmenden Engagement russischer Konzerne in der Energieindustrie dieser Länder unterfüttert wird«. Aber obwohl Rußlands verstärktes Selbstbewußtsein auf seinen verbesserten militärischen Fähigkeiten aufbaute, blieben Moskaus mögliche Ziele »beschränkt«, denn Putin habe »ein deutliches Interesse an relativer Stabilität an Rußlands Grenzen«. Die Wiederwahl des Staatschefs stelle jedoch den Höhepunkt der »Rezentralisierung der Macht im Kreml« dar, einschließlich der »Beherrschung der russischen Medien«. Dies könnte den derzeitigen »Trend zur Beschneidung der Zivilgesellschaft« verstärken und zur »Einmischung des Staates in die Geschäfte der großen Konzerne« führen.
Die Defense Intelligence Agency, der militärische Nachrichtendienst der USA, warnte in ihrem Bericht an den Kongreßausschuß, daß Rußland »dabei ist zu versuchen, seinen Großmachtstatus wiederzuerlangen«. Es gäbe wieder mehr Geld für das Militär aus; im Jahr 2003 habe sich die Zahl der Manöver im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt.
Abschließend habe CIA-Chef George Tenet vor dem Ausschuß bekräftigt, daß unter Abwägung aller Aspekte Rußlands Beziehungen mit den USA derzeit kooperativ seien. Aber angesichts der amerikanischen Präsenz in dem von Rußland für sich reklamierten Hinterhof erwarte er in den kommenden Jahre »ernste Herausforderungen«.
http://www.jungewelt.de/2004/03-18/005.php
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