-->Es ist etwas sehr faul an den optimistischen Konjunkturerwartungen - Der Weltwirtschaft droht akut ein neuerlicher synchroner Abschwung - Die sinkenden Kapitalmarktzinsen sind ein Fanal
(30.03.2004)
Wir müssen seit einiger Zeit im Abstand von nur wenigen Tagen vernehmen, wie enttäuschend die konjunkturelle Erholung im Euroraum verläuft. Wir müssen ferner feststellen, dass die britische Wirtschaft die Flügel hängen zu lassen beginnt. Wir müssen auch und vor allem zur Kenntnis nehmen, dass die amerikanischen Konjunkturzahlen mehr und mehr nicht erfüllen, was sich die Auguren zunächst von ihnen erwartet hatten.
Das klingt nicht nur nicht gut, sondern es ist außerordentlich beunruhigend. Es beginnt sich zu bestätigen, was kritische Ã-konomen bereits seit einiger Zeit zu erkennen glauben: Die Frühindikatoren für die Weltwirtschaft kippen.
In letzter Zeit sind zuhauf Darstellungen erschienen, die davon sprechen, dass die japanische Volkswirtschaft, die zweitgrößte der Welt, in eine dauerhafte, sich beschleunigende Erholung eingetreten sei. Daran knüpfen sich Hoffnungen, dass sich Japan unter anderem wegen aufgestauten Bedarfs zu einer Ersatz- Lokomotive für die Weltwirtschaft erweisen könne, die in der Lage sei, den Konjunkturzug nach Ausfall der amerikanischen Ã-konomie weiterzubefördern. Dabei darf nicht vergessen werden, dass die japanische Wirtschaft in bedeutenden Teilen eine Exportwirtschaft ist und bleibt.
Schon zuvor wurde behauptet, das" boomende" China sei zu einer bedeutenden treibenden Kraft für die Weltwirtschaft geworden. Das kann im Grunde nicht bestritten werden, doch beschränkt sich der Einfluss dieses Landes, wie übrigens der japanische auch, auf eine verhältnismäßig kleine Palette von Erzeugnissen, für die dort Nachfrage herrscht. Das sind vorwiegend Rohstoffe.
Auf den ersten Blick verbleiben also nur zwei bedeutende Volkswirtschaften, nämlich die japanische und die chinesische, um die Weltkonjunktur auf Trab zu halten. Bedenkt man, dass die Konjunktur in Japan stark von Exporten in die USA abhängt und dass die amerikanische Wirtschaft auf zunehmend wackeligen Beinen steht, so ist es mit den in Japan gesetzten Erwartungen wohl nicht weit her (siehe"Wussten Sie schon …? vom 30.3.2004).
Und wenn wir auf China blicken und feststellen müssen, dass die Führung in Peking die monetären Bedingungen Schritt für Schritt verschärft, um den gefährlich ausufernden Konjunktur-Boom zu dämpfen, bleibt nicht mehr viel, was von dort in überschaubarer Zukunft an zusätzlich belebenden Impulsen für die Weltwirtschaft erwartet werden kann.
Wohin kann das alles laufen? In einen synchronen, sich von allen Seiten her wechselseitig verstärkenden Abschwung der Weltwirtschaft. Mit neuen deflationären Tendenzen, versteht sich.
Zur Erinnerung: Es ist noch nicht lange her, da traten die Optimisten und die opportunistischen Politiker mit der These auf den Plan, es stünde ein synchroner, sich dynamisch ausbreitender Aufschwung der Weltkonjunktur bevor.
Es ist immer gut, solche Visionen oder Phantasien kritisch zu hinterfragen. Selbst Zweiflern hätte ein Blick auf die Märkte für Staatsanleihen in der westlichen Hemisphäre beziehungsweise auf die Kapitalmarktzinsen schon vor Monaten zeigen können, wohin die Reise geht.
Doch kaum jemand hat hingeschaut, ganz abgesehen davon, dass vielerorts aus Unkenntnis oder Überheblichkeit ignoriert wird, wie stark die prognostischen Fähigkeiten der Märkte für Staatsanleihen gewöhnlich sind. Bereits im August 2003 begannen die Kapitalmarktzinsen nach einem kurzen, heftigen Anstieg wieder zu sinken. Dieser Rückgang fügt sich nahtlos in die Abwärtsbewegung ein, die Anfang 2000 einsetzte und nunmehr als"säkular" bezeichnet werden kann.
Fazit: Die Anleihemärkte sagen uns schon seit längerem, dass etwas sehr faul ist an den optimistischen Konjunkturerwartungen. Jetzt werden die fundamentalen Begründungen erst in dünnen und dann in immer dicker werdenden Scheiben nachgereicht.
Arnd Hildebrandt
Quelle: www.taurosweb.de
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