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I N V E S T O R ' S D A I L Y
Der E-Mail-Dienst für Investoren, Ausgabe vom 17. Mai 2004
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* Wann platzt die Schuldenblase?
* Parallelen zwischen der Wall Street und Las Vegas
* Viva Las Vegas!
* Happy End und ewiger Sonnenschein
* Über den Investor Verlag
* Empfehlen Sie"Investor's Daily" weiter
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Montag, 17. Mai 2004
Wann platzt die Schuldenblase?
von unserem Korrespondenten Bill Bonner
Der Dow Jones geht auf dem schmalen Grat der Marke von 10.000 Punkten.
Er könnte nach rechts oder nach links abstürzen... wer weiß das
schon? Aber ich würde mir das nicht so ruhig ansehen können, wenn mein
Depot aus Aktienfonds bestehen würde.
"Die Sache ist", so ein Investor bei der Las Vegas Money Show, an der
ich gerade teilnehme," dass sich jeder fragt, wann die Aktienkurse
einbrechen werden... und wann der Goldpreis endlich durchstarten
wird. Das macht kaum einen Unterschied. Denn früher oder später wird
es passieren. Und je länger wir noch warten müssen, desto schlimmer
wird die schließliche Zerstörung sein, denn diese Wirtschaft (die
amerikanische) wird nur durch Kredite am Wachsen gehalten. Die Leute
müssen sich verschulden, um weiterhin Dinge kaufen zu können. Je mehr
sie sich leihen, desto stärker verschuldet sind sie. Deshalb wird sich
die Situation weiter verschlechtern, je mehr Zeit vergeht. Und desto
mehr müssen sie danach zurückstecken."
Ich sehe die Blase; die Schulden sind in den USA auf ein unverschämt
hohes Niveau gestiegen.
Wonach ich Ausschau halte? Nach der Nadel, die diese Schuldenblase zum
Platzen bringt.
So ist z.B. der Ã-lpreis auf neue Rekordwerte gestiegen, auf über 40
Dollar je Barrel. Die Amerikaner müssen mehr für Benzin ausgeben, und
sie haben deshalb weniger Geld für andere Dinge.
Der US-Produzentenpreisindex ist im April um 0,7 % gestiegen - dieser
hohe Anstieg wurde hauptsächlich den steigenden Preisen für Erdöl und
Nahrungsmittel zugeschrieben.
Auch die Zinsen könnten die Nadel für die Schuldenblase sein. Jeder
scheint zu denken: Wenn die Zinsen steigen, dann könnten sie die
Schuldenblase jederzeit platzen lassen. Die gesamte amerikanische
Volkswirtschaft hat nicht nur so hohe Schulden wie nie zuvor; sie hat
diese Schulden auch zu den niedrigsten Zinsen seit den 1950ern
aufgenommen.
"Niemals zuvor waren die Renditen der Anleihen so niedrig, wenn der
Dollar nicht durch Gold gedeckt war", so Porter Stansberry in einer
Podiumsdiskussion letzten Freitag.
Niemals zuvor haben die Gläubiger so bereitwillig Geld verliehen, ohne
zu wissen, welchen Wert das Geld haben wird, das sie zurückerhalten
werden. Das letzte Mal, dass die Zinsen in den USA so niedrig waren,
da wurde der Dollar durch das Vertrauen in die Golddeckung gestützt.
Jetzt wird er nur noch durch das Vertrauen alleine gestützt.
Das Vertrauen der Anleihenkäufer muss schwächer werden; die Renditen
steigen.
Natürlich kann man die Nachricht von steigenden Zinsen gut oder
schlecht auffassen. Der Dollar ist deshalb gestiegen; denn die
Investoren scheinen zu denken, dass steigende Zinsen ein Zeichen für
eine stärkere Wirtschaftserholung sind. Deshalb rechnen sie mit einer
Leitzinserhöhung der Fed.
Ich bin mir da nicht so sicher. Soweit ich das sehen kann, folgt die
amerikanische Volkswirtschaft dem japanischen Weg der 1990er. Und der
bestand aus einem langsamen, zähen Abschwung mit fallenden Preisen.
Steigende Zinsen werden die Aktienkurse, die Anleihenkurse und die
Immobilienpreise unterminieren - das sind die Kollateralschäden der
Schuldenblase. Kredite werden platzen. Die Zinsen werden nicht
steigen... sondern fallen. Die Preise werden fallen.
Jetzt zu Addison mit mehr News:
Montag, 17. Mai 2004
Parallelen zwischen der Wall Street und Las Vegas
von unserem Korrespondenten Addison Wiggin, derzeit in Las Vegas
Auch ich bin derzeit in Las Vegas, wie Bill Bonner. Und zwar bei der
"Money Show" und beim"FreedomFest 2004".
Ich habe festgestellt, dass der Las Vegas Boulevard eine Menge mit der
Wall Street gemeinsam hat. Beide Straßen sind auf den Prinzipien von
Risiko, Ertrag, Wahrscheinlichkeit und Zufall begründet... und beide
Straßen verdienen ihr Geld damit, dass Dummköpfe ausgenommen werden.
Die Terminologie mag anders sein, aber die Funktionsweise ist dieselbe
- Gebühren und Kommissionen werden hier Trinkgelder genannt, während
die Croupiers aus Las Vegas an der Wall Street"Broker" und"Market
Maker" genannt werden. Las Vegas hat sogar seine eigene Version von
"fiskalischen und monetären Stimulierungen" - hier werden die
kostenloser Alkohol und mit Sauerstoff angereicherte Luft genannt. Die
Investment Banker und Analysten der Wall Street sind das, was die
Stripper und Prostituierten für Las Vegas sind - sie tun alles, um an
Ihr Geld zu kommen.
In Las Vegas boomen die Geschäfte. Im letzten Jahr erzielte die Stadt
einen Glücksspiel-Umsatz von 7,67 Milliarden Dollar. Tatsache: Las
Vegas ist die am schnellsten wachsende Stadt in den USA, und das schon
seit mehreren Jahren. Aber an der Wall Street sehen wir das umgekehrte
Bild... die Erholung könnte vorbei sein, jetzt, wo die Zinsen es mit
einer Inflation zu tun haben.
Die"risikofreie" reale Rendite, die man mit 30jährigen
US-Staatsanleihen erzielen kann, ist trotz der jüngsten Korrektur der
Anleihenkurse vielleicht immer noch negativ. Auf der anderen Seite
rechnen die Aktienmarkt-Investoren immer noch mit durchschnittlich
real 7 % Plus pro Jahr mit Aktien. Sie haben weiterhin die Illusion,
dass die Wall Street dazu da wäre, ihnen zu helfen, reich zu werden.
Wie ein freundlicher Nachbar mit einem heißen Aktientipp. Deshalb
kaufen sie weiter.
In Las Vegas muss man für solche Illusionen direkt bezahlen. Aber der
durchschnittliche Kasino-Besucher verliert Geld - und hat dabei
wenigstens eine gute Zeit. Er nimmt Geld mit, von dem er aber schon im
vorneherein einplant, dass er es verlieren wird. Er will es"an den
Tischen verbrennen", und wenn er gewinnen sollte - umso besser. Aber
viele Leute wollen ihr Geld regelrecht verlieren, und sie sind nicht
zufrieden, wenn sie das nicht getan haben. Die Kasino-Betreiber mögen
gierige Gauner sein... aber zumindest sind sie über die Art des
Spiels ehrlich: Sie bieten keine falschen Versprechen und keine
scheinbaren Garantien.
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Montag, 17. Mai 2004
Viva Las Vegas!
von unserem Korrespondenten Bill Bonner, derzeit in Las Vegas
Ich bin derzeit in Las Vegas, bei der"Money Show" und beim
"FreedomFest 2004". Ich hielt dort gestern eine Rede - deren Text ich
im nächsten Beitrag wiedergebe. Ein Teilnehmer erzählte mir:"Mein
Nachbar in Florida hat für sein dortiges Haus vor ein paar Jahren
200.000 Dollar bezahlt. Jetzt ist es 800.000 Dollar wert. Deshalb hat
er seine Hypothek etwas erhöht und dieses zusätzliche Geld genommen.
Seine Schulden sind damit gestiegen. Und jetzt denkt er, dass der Wert
seines Hauses im nächsten Jahr auf über 1 Million steigen wird... und
dann wird er das nochmal machen. Seine Hypothek erhöhen."
"Deshalb fragte ich ihn: Machst Du Dir über die Rückzahlung keine
Sorgen?" Er antwortete:"Nee, ich werde es einfach verkaufen."
"Aber an wen wird er verkaufen? Ich weiß nicht, aber für mich sieht es
immer verrückter aus. Und wenn sich die Lage verschlechtert, dann wird
das für ihn nicht schön sein..."
Glücklicherweise verschlechtern sich die Dinge im Amerika des Jahres
2004 nicht. Wir genießen alle die ewige Sonne... mehr dazu im
nächsten Beitrag!
Montag, 17. Mai 2004
Happy End und ewiger Sonnenschein
von unserem Korrespondenten Bill Bonner
Anmerkung in eigener Sache: Warum Hollywood unglückliche Enden mag,
warum geschiedene Paare noch einmal heiraten und warum Investoren
US-Anleihen mögen... dies ist ein Auszug der Rede, die Bill Bonner
letzte Woche in Las Vegas hielt:
Wie clever, dachte ich: Der neue Film von Jim Carrey.
Laut den Kritiken geht es in diesem Film darum, dass sich ein Ehepaar
scheiden lassen will... und sie wollen alle unangenehmen Erinnerungen
an ihre Ehe verdrängen. Ich kann mir vorstellen, was als Nächstes
passieren wird... der Weg ist frei dafür, dass die beiden sich wieder
ineinander verlieben.
Eine ähnliche Story gab es schon einmal in einem britischen Film aus
den 1930ern - mit Ronald Coleman und Greer Garson. In diesem älteren
Film verlor der Mann seine Erinnerungen allerdings nicht absichtlich,
sondern eher durch einen Unfall... er bekam im Ersten Weltkrieg eine
Kriegsneurose. Deshalb konnte er neue, glückliche Erinnerungen
schaffen, mit Greer Garson. Als er aber dann von einem Bus angefahren
wurde, kam die Erinnerung an sein früheres Leben zurück... und er
vergaß alles über sein neues Leben. Seine Frau, die sich ihm nicht
aufdrängen wollte, arbeitete fortan als seine Sekretärin und sagte ihm
nicht, dass sie verheiratet seien.
Wie man erwarten konnte: Es endete so, wie alle Filme in den 1930ern -
glücklich. Die beiden verliebten sich wieder ineinander.
Die Jahre der Weltwirtschaftskrise waren hart, wenn man Arbeit suchte
- aber leicht, wenn man Filme liebte. Das reale Leben war voll von
traurigen Geschichten. Die Aktienmarkt-Investoren waren ruiniert.
Zehntausende Banken waren untergegangen. Ein Viertel der
arbeitsfähigen Bevölkerung war arbeitslos. Und überall auf der Welt
wurden die Menschen von diversen Formen des Wahnsinns ergriffen. Sie
zogen Uniformen an und marschierten. Und kaum 10 Jahre später befand
sich die Welt im Krieg... mit Millionen von Toten... und ganze
Volkswirtschaften pulverisierten sich. Aber was im realen Leben
schlecht ausging, schien im Film besser zu sein.
Jetzt befinden wir uns natürlich in einer neuen Ära des Films. Man
kann nicht mehr damit rechnen, dass jeder Film ein Happy End hat; denn
mit Happy Ends rechnen wir jetzt ja in unsren realen Leben!
Die Erinnerungen an die unangenehmen Dinge der 1930er, 1940er, 1950er,
1960er und 1970er... und eines Teils der 1980er und 1990er sind
weggewaschen worden. Unsere Erinnerungen daran sind weg.
Das ist zu schade. Denn wir brauchen die Geschichte. Von kaum jemandem
ist die Fantasie wild genug, um mit dem mithalten zu können, was
tatsächlich passiert ist.
Ein deutsches Magazin hatte letzte Woche als Titelstory: Die
katastrophalsten Fehler des 20. Jahrhunderts. Es ging um die alten
Geschichten der Hyperinflation; der ruinösen, teuren Kriege; der
barbarischen, inhumanen Folterungen und der medizinischen Experimente;
und um absurde Ideen. Deutschland ist ein Experte, wenn es um
Katastrophen geht - das Land lebte schließlich ein Jahrzehnt unter dem
Nazi-Wahnsinn... und Ostdeutschland musste weitere 40 Jahren mit
kommunistischem Geschwätz leben.
Während die Amerikaner keine Geschichte haben, hat Deutschland soviel
davon, dass es nicht weiß, was es damit anfangen soll.
Ich war überrascht über die Reaktion, die mein Buch (in den USA)
auslöste. Interviewer wollten von mir wissen, wann der Kollaps kommen
würde, wie tief der Dow Jones fallen würde, und wo der Goldpreis im
Sommer stehen würde.
(Anmerkung: Sie wissen, dass ich zusammen mit Addison Wiggin ein Buch
geschrieben habe, das sowohl wirtschaftliche als auch historische
Themen behandelt. In den USA ist es bereits erschienen - in
Deutschland wird es hoffentlich nächsten Monat auf den Markt kommen.)
"Woher sollte ich das wissen", war meine Antwort."Und wenn ich es
wissen würde, warum sollte ich es Ihnen sagen?"
Meine Prognosen sind so gut wie die von jedem anderen. Was
schockierend ist, ist die Tatsache, dass die amerikanische
Finanzpresse sie ernst nahm.
Aber dann las ich diese Woche über mein Buch:"Die Aphorismen sind
brillant."
Ich gebe diesen Kommentar wieder - nicht, weil ich eingebildet bin,
sondern in Demut. Denn wie Sie wissen ist Bescheidenheit meine einzige
Tugend, und selbst das ist unehrlich. Denn die Aphorismen in meinem
Buch sind nicht mehr als kleine, kondensierte, destillierte Stücke der
Erfahrungen von anderen Menschen... mit anderen Worten: Geschichte.
So habe ich zum Beispiel geschrieben, dass"die Investoren nicht das
bekommen, was sie von den Märkten erwarten - sondern das, was sie
verdienen." Das wurde vor Generationen festgestellt; meine Beobachtung
hat keine Originalität.
Die Geschichte der Märkte zeigt, dass dieser Satz stimmt. Aber wer
glaubt das schon? Welcher Investor denkt wirklich, dass er das
verdient, was die Märkte liefern (das wären ungefähr 3 % Plus pro
Jahr, wenn man sich die letzten 200 Jahre ansieht)?
Oder nehmen Sie meinen Rat: Niedrig kaufen, hoch verkaufen.
Jeder Investor gibt vor, dem zu folgen. Aber wer tut das wirklich?
Die Erinnerung der Investoren scheint ausgelöscht zu sein; sie denken,
dass die Kurse nur steigen können. Die Aktienkurse stehen in der Nähe
ihrer Allzeithochs, und dennoch kaufen die Investoren. Auch die
Anleihenkurse sind sehr hoch. Aber auch die werden von den Investoren
noch gekauft. Und Häuser? Wer kann sich schon vorstellen, dass die
Immobilienpreise nicht nur steigen, sondern auch fallen könnten?
Soweit wir uns erinnern, hat sich alles immer verbessert. Jede
Geschichte des realen Lebens hat ein Happy End.
Und dennoch haben sich die Dinge auch im realen Leben nicht immer gut
entwickelt. Gehen wir einmal 25 Jahre zurück... das war, als ob wir
auf einem anderen Planeten gelebt hätten.
Wer erinnert sich noch daran, dass vor rund 2 Jahrzehnten sowohl das
KGV als auch die Dividendenrendite in den USA fast die gleiche Zahl
hatten: 6?
Wer erinnert sich noch daran, damals der Preis für eine Feinunze Gold
und der Stand des Dow Jones fast identisch waren - bei fast 800?
Jetzt liegt die Dividendenrendite der Aktien bei weniger als 2 %, und
das KGV liegt bei rund 25.
Gibt es immer ein Happy End? Erinnert sich jemand daran, was der
Goldpreis in den letzten 2 Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts gemacht
hat? Er ist natürlich kollabiert.
Wer erinnert sich daran, was passiert ist, wenn man in den frühen
1980ern US-Staatsanleihen gekauft hat? Da konnte man Zinsen von 15 %
erhalten. Hier halte ich kurz an und atme tief durch. Was passierte,
frage ich mich? Auf welche Weise hat sich die Welt so dramatisch
verbessert, dass die Gläubiger ihr Geld jetzt für ein Drittel dieses
Wertes verleihen? Ist die Welt soviel sicherer geworden? Ist der
Dollar soviel sicherer geworden? Sind die amerikanischen
Staatsfinanzen soviel gesünder geworden? Ist die Fed soviel besser
geworden, wenn es um den Schutz der amerikanischen Währung geht?
Die Investoren tun etwas, das atemberaubend ist.
1980 hatten die USA eine positive Handelsbilanz, und die Amerikaner
waren Netto-Gläubiger gegenüber dem Rest der Welt. Das Land war
friedlich. Die Republikaner sagten, dass sie an ausgeglichene
Haushalte glaubten. Die Leute gaben noch eine Party, wenn sie ihre
Hypotheken abbezahlt hatten. Der damalige Fed-Vorsitzende Paul-Volcker
sagte, dass er die Inflationsraten senken würde... und er meinte das
auch so. Ronald Reagan war Präsident. Man konnte eine Aktie mit einem
KGV von 6 kaufen... und man konnte sein Geld der US-Regierung für
15 % pro Jahr verleihen. Die Gläubiger verlangten soviel, weil sie
sich noch an die Inflation der 1970er erinnerten. Sie wussten, dass
nicht jede Investment-Story ein Happy End hat.
Ein Vierteljahrhundert später hat sich alles verändert. Unser
Gedächtnis ist um alle negativen Erinnerungen bereinigt worden. Die
Leute halten es nur noch für ein Drittel so riskant wie vorher, Geld
zu verleihen... als ob sie in ewigem Sonnenschein leben würden.
Wieder einmal haben sich die Investoren verliebt.
Demnächst mehr...
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