-->Es ist davon auszugehen, dass Europa einen schärferen Ton gegenüber Moskau anstrebt und eine Verstaatlichung kritisieren würde. Dies dürfte nicht im Interesse Russlands sein. Zumindest müssen sich die russischen Gerichte an ihr eigenes Recht halten, was bislang nicht der Fall zu sein scheint.
Auf jeden Fall ist die Besorgnis des Europarates ein klares Zeichen an den Kreml, der sich etwas zurücknehmen sollte. Vielleicht müssen wir einfach den Gerichtsauftakt gegen Chodorkowski abwarten und erhalten dann vielleicht mehr Klarheit.
Aus der FTD vom 1.6.2004
Europarat sieht Yukos-Prozess skeptisch
Von Nils Kreimeier, Berlin
Die Europarats-Beauftragte Sabine Leutheusser-Schnarrenberger geht davon aus, dass im Gerichtsverfahren um den russischen Ã-lkonzern Yukos auch politische Beweggründe eine Rolle spielen. Damit würde auch der Kreml in die Kritik geraten.
" Ich habe den Eindruck, dass dieser Prozess einen deutlichen politischen Hintergrund hat", sagte die FDP-Politikerin und frühere Justizministerin der FTD. Sie könne jedoch noch nicht beurteilen, ob es sich um einen" politischen Prozess" handele.
Leutheusser-Schnarrenberger war in der vergangenen Woche im Auftrag des Europarats nach Moskau gereist, um mit Beteiligten des Strafverfahrens gegen den ehemaligen Yukos-Chef Michail Chodorkowskij zu sprechen. In einem Bericht an den Rechtsausschuss des Europarats will die Bundestagsabgeordnete Anfang kommender Woche ihre Sicht der Dinge darlegen. Eine Anhörung zum Prozessauftakt gegen den Ã-lmilliardär Chodorkowskij wurde am Freitag vertagt und soll am 8. Juni fortgesetzt werden.
Russland muss juristische Grundsätze einhalten
Angesichts der Eindrücke Leutheusser-Schnarrenbergers ist zu erwarten, dass ihr Bericht eine deutliche Kritik des Europarats an den rechtsstaatlichen Bedingungen in Russland nach sich ziehen wird. Aufgabe der früheren Ministerin ist es herauszufinden, ob es bei der Festnahme Chodorkowskijs im vergangenen Oktober sowie den Verfahren gegen einen ehemaligen Yukos-Großaktionär und einen Mitarbeiter zu Rechtsverstößen gekommen ist. Russland ist als Mitglied des Europarats verpflichtet, dessen juristische Grundsätze einzuhalten.
Chodorkowskij werden Steuerhinterziehung, Betrug und Bildung einer kriminellen Vereinigung in den 90er Jahren vorgeworfen. Viele russische und ausländische Beobachter vermuten jedoch politische Motive hinter dem Verfahren, da der Milliardär Kreml-kritische Parteien finanziell unterstützt hatte.
Staatlicher Zugriff auf das Ã-lgeschäft
Zudem wird der russischen Führung vorgeworfen, sie sei bestrebt, das lukrative Ã-lgeschäft wieder unter staatliche Kontrolle zu bringen. Nahrung erhielt diese These in der vergangenen Woche durch eine Steuernachforderung an Yukos in Höhe von 3,5 Mrd. $ für das Jahr 2000 - Bußgeld eingerechnet. Die Unternehmensleitung warnte danach vor einer drohenden Insolvenz.
Leutheusser-Schnarrenberger kritisierte, dass das Gericht ihr den Zugang zu den Untersuchungshäftlingen in Moskau verwehrt hatte." Es klang durch, dass man meinen Besuch in Russland als Einmischung in innere Angelegenheiten betrachtet", sagte sie. Die FDP-Abgeordnete traf nach eigenen Angaben mit den russischen Anwälten der Gefangenen, Vertretern der Staatsanwaltschaft und der Frau von Alexej Pitschugin, des inhaftierten früheren Sicherheitschefs von Yukos, zusammen. Pitschugin hatte behauptet, ihm sei im Gefängnis Rauschgift verabreicht worden.
Nachdem die Yukos-Führung eine mögliche Insolvenz angekündigt hatte, fielen die Aktien des Unternehmens an der Moskauer Börse am Freitag auf den niedrigsten Stand seit zwei Jahren. Im Tagesverlauf verloren die Yukos-Papiere 9,5 Prozent und zogen auch den Moskauer RTS-Index mit nach unten. Am Montag erholte sich der Markt hingegen wieder und auch Yukos konnte leicht zulegen.
Angesichts der labilen Situation des zweitgrößten russischen Ã-lproduzenten wird in Russland über einen Wechsel an dessen Spitze spekuliert. Nach einem Bericht der Moskauer Wirtschaftszeitung" Wedomosti" erwägen die Hauptaktionäre, den derzeitigen Vorstandsvorsitzenden Semjon Kukes abzulösen. Danach könnte Kukes bereits im Juni durch den derzeitigen Chef der Moskauer Firmenzentrale, Steven Theede, ersetzt werden.
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