-->Hallo rocca,
>Der heute als der Gesellschaftstanz schlechthin gültige Wiener Walzer war vor dem Wiener Kongress 1815 verpönt und in verschiedenen Ländern wegen Obszöbnität verboten.
Ist mir bekannt. Was hat das mit Mozarts Entführung aus dem Serail zu tun? Ist in der Komischen Oper (Walter Felsenstein!) etwa eine freie Bearbeitung aufgeführt worden? Und wenn ja, wurde das auf dem Programmzettel kenntlich gemacht? War irgendwo zu lesen"Die Entführung aus dem Serail, in einer Bearbeitung von XY?"
Das wäre das Minimum dessen gewesen, was der Anstand erwarten darf. Warum soll ich von vermeintlichen Starregisseuren nicht verlangen dürfen, was für Franz Liszt, Johannes Brahms, Max Reger, Fritz Kreisler, Moritz Moszkowski, Ferruccio Busoni, Arnold Schönberg, Alban Berg, Anton von Webern, Igor Strawinskij, Pablo de Sarasate und Franz Waxmann (Weintraub Syncopaters, später Hollywood) selbstverständlich war, darauf hinzuweisen, daß man eine gegebene Vorlage nach eigenem Gutdünken bearbeitet d.h. verändert?
Sofern auf den Bearbeitungscharakter nicht deutlich hingewiesen wurde, könnte man sogar davon sprechen, daß das Publikum betrogen wurde, weil nicht das angekündigte Stück zu sehen und zu hören gewesen ist, sondern etwas anderes.
Was würdest Du sagen, wenn am Tag der Einweihung des Holocaust-Mahnmals Beethovens 9. aufgeführt wird, und im Ochester die Hörner durch Autohupen ersetzt sind, und der Chor ("Freude, schöner Götterfunken") von einem Rudel Schäferhunden gekläfft wird - wegen der Authentizität, weil doch in A...witz der deutsche Schäferhund auf die Gefangenen losgelassen wurde, und überhaupt, finden wir nicht auch bei Beethoven antisemidingsdische Äusserungen, so daß wir im Sinne höherer Werte uns die Freiheit der Gestaltung erlauben?
Welchen Kommentar würdest Du abgeben, wenn Du im Restaurant getrüffelte Fasanenbrüstchen bestellst, und Dir statt dessen ein Suppenteller von dem hier [img][/img] hingestellt wird? Zu bezahlen hättest Du selbstverständlich den vollen Preis der Fasanenbrüstchen.
>Bill Haley und später Elvis wurden in den 50ern mindestens genau so verrissen und angefeindet wie das in deinem Kommentar anklingt.
Was hat das mit der Aufführung eines deutschen Singspiels von 1782 zu tun? Wer Mozart zu abgestanden und verkalkt findet, soll halt eine Rock -´n -Roll-Revue aufführen, oder ein brandaktuelles Stück neu komponieren lassen, sich aber nicht an Mozart vergreifen.
>Manchmal brauchts halt einen Skandal, was hier ja mehr ein Skandälchen ist, um etwas voranzubringen.
Voranbringen ist gut. Kannst Du mir bitte sagen, wohin das deutsche Singspiel von 1782 hätte gebracht werden sollen? Sollen sie doch ein neues Stück schreiben und aufführen lassen, dann können sie machen, was sie wollen, von mir aus Hühnerfi... auf offener Bühne, oder in Eimer pi... wie bei Frank Castorf.
>Oder ist Kultur eine feststehende Grösse die nicht veränderbar und experimentell sein darf?
Natürlich nicht. Aber wer verändern und experimentieren will, soll, verdammt noch mal, neue Stücke aufführen, aber sich nicht an Mozart oder sonstwem vergreifen. Ich bedaure im Moment, daß es nicht auch das Delikt des Mißbrauchs von Kulturgütern gibt. Der Herr Bieito hätte gute Chancen, als Marc Dutroux des Musiktheaters berühmt zu werden.
Warum geben wir hier uns noch die Mühe, aus alten Wälzern möglichst genau und korrekt zu zitieren, wenn der Umgang mit den Werken der Vergangenheit dem Gut-, besser, Schlechtdünken anheimgestellt ist? Warum soll nicht auch für die Wissenschaft der gleiche barbarische Unmgang mit gegebenen Texten und Quellen gelten, der mittlerweile in der darstellenden Kunst selbstverständlich scheint?
Tempranillo
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