-->Hi Zandow,
Insbesondere die sich angeblich innerhalb weniger Jahrzehnte vollzogene Christianisierung hat bei mir doch so einige Zweifel und Stirnrunzeln verursacht. Glauben und Kulte schmeißt man nicht so eben mal über den Haufen und betet von nun an den EINEN Gott an. Die Begründung dieses Religionswechsels aus einem Machtinteresse heraus (Erhaltung und Legitimierung der Macht, effizienteres Steuersystem) erscheint mir zwar logisch und richtig, aber irgendwie zu einfach, zu glatt, und vor allen Dingen zu schnell.
Die erfolgreiche"Bekehrung" erst des Mittelmeerraums und danach des Abendlands zum christlichen Glauben ist nicht zuletzt auch auf eine gewisse Flexibilität desselben zurückzuführen (von gelegentlicher"Nachhilfe" durch Machthaber per Strafkatalog mal abgesehen): die alten Götter wurden oft durch"Heilige" ersetzt (formale Wahrung des"EINEN Gottes") und die stillschweigende Duldung mancher heidnischen Bräuche, die weiterhin gepflegt wurden, und heidnischer Bezeichnungen für christliche Feste, z. B. nordisch"Jul" für Weihnachten oder unser"Ostern" (von der germanischen Frühlingsgottheit Ostara abgeleitet) für romanisches"pasqua, pascha" o. ä. - siehe auch die nicht wenigen Kirchen und"Wallfahrtsorte" bei/über alten Kultstätten.
Auf der Suche nach Hinweisen, die mir meine diesbezüglichen Zweifel aus dem Weg räumen könnten, bin ich auf ein hochinteressantes Buch gestoßen, welches ich Euch zur Lektüre empfehle (hier im Forum wohl noch nicht erwähnt):
Uwe Topper,"Die große Aktion. Europas erfundene Geschichte. Die planmäßige Fälschung unserer Vergangenheit von der Antike bis zur Aufklärung."
Nun ja, dieses Buch hatte ich mal (Illigs Mittelalter-These war mir da bekannt) im Buchladen kurz"quergelesen" - und anschließend wieder ins Regal zurückgestellt... ich kann mich daher nur zu folgenden Punkten äußern:
Dieses dünne Buch (ca. 270 Seiten) ist stellenweise recht amüsant und durchgehend auch für den Laien sehr gut verständlich geschrieben. Selbst ohne Vorkenntnisse kann man den Argumentationsketten des Autors leicht folgen. Worum geht's? Topper versucht anhand der Dogmengeschichte (z.B. Fegefeuer), der Symbolik (Kreuz) und der Moralvorstellungen (Sex, gesellschaftliche Stellung der Frau) die Entstehung der Schriften des Christentums und der christlichen Geschichtsschreibung zu datieren. Höchst erstaunlich war für mich dabei zu erfahren, daß die Kritik an der Entstehungsgeschichte der Texte bereits im späten Mittelalter begann, jedoch bis heute keinen Eingang in die Geschichtswissenschaft gefunden hat. Kritiken sind bisher auf wenige Forscher beschränkt geblieben (Kameier, Fermenko, Illig, Heinsohn, Martin,...).
Die immerhin auch ins Detail gehen und, zumindest die letzten Drei, bei ihren Schlußfolgerungen von Rundumschlägen absehen - das hätte Toppers Werk vermutlich auch gut getan (inhaltlich zumindest).
Zusammengefasst bietet Topper folgendes Bild:
Die Bibel (und mit ihr die nahezu gesamte Geschichte vor ca. 1000 AD) wurde im Zeitraum 10. bis 14. Jhh. von christlichen Mönchen geschrieben.
Die, derweil das Publikum und ihren"Nachwuchs" mit Grenzdebil-IQ-Gesülze abfüllend ("Die Erde ist - verdammtnochmal! - eine SCHEIBE!"), sich beim NT natürlich auch mit dem hebräisch-aramäischen Hintergrund so gut auskannten, daß heutige jüdische Forscher, z. B. Pinchas Lapide, gerade diesen attestieren (mit Auflösung von so lustigen Rätseln wie dem"Kamel im Nadelöhr"...)
Vom AT wurden übrigens, wie allgemein bekannt sein dürfte, Texte in den Höhlen von Qumran gefunden - aus der Römerzeit stammend.
Dies erfolgte auf Reaktion auf die Entstehung des Islam als konkurrierende Religion und besonders aus der dringenden Notwendigkeit heraus, ein BUCH vorweisen zu können, welches das Christentum als den älteren Glauben und als SCHRIFTreligion belegt.
Toll - und anschließend wurde die Lektüre dieses Propagandawerkes für das VOLK VERBOTEN?
Dafür gibt's nur e i n Rating:
...These von der Phantomzeit, ca. 613 bis 911, Karl der Große (hier im Forum bekannt), hat mich nicht weiter berührt; aber daß Topper meinen geliebten Tacitus ("Germania") als Erfindung des Spätmittelalters versteht, das ist schon schmerzlich. Und so geht's lustig weiter: Die Evangelien, Bonifacius (eigentlich alle Märtyrer), Roswitha von Gandersheim, Julius Africanus...., alles Kopfgeburten des Spätmittelalters. Marc Aurel, der christliche Kaiser? Nach Topper absolut unmöglich!
Ja, wirklich lustig... alles in die Tonne, den ganzen Kram... hau wech den Sch...
Kommt wohl in Mode, das wüste Rundumschlagen bei"populärwissenschaftlicher" Literatur, siehe auch H. J. Zillmers letztes Buch (ebenfalls im Kielwasser Kammeiers u. a. verfaßt).
Jetzt wird mir auch klar, warum sich auf den Gemälden in den römischen Katakomben (Gräber verfolgter Christen, soso) solche zentralen christlichen Dinge wie das Kreuz, Kreuzigung, Auferstehung und das Christussymbol XP fehlen. Die Leichen in den Gräbern mögen zu Lebzeiten alles mögliche gewesen sein, nur mit Sicherheit keine Christen. Dies alles erklärt mir nun auch dottores Interesse vor einigen Monaten hier im Forum an der Herkunft und Bedeutung des XP. Da sich dieses Symbol eben nicht auf Jesus Christus bezogen haben kann, muß es eine andere Ursache haben. Nur welche??
Wenn das XP-Chonogramm tatsächlich kein christliches Symbol ist (wohl eher ein Herrschaftszeichen - siehe auch Windows XP [img][/img] ), so ist sein Fehlen auf Gemälden u. a. für den Nachweis von Christen irrelevant.
Hier nur ein Beleg für Christen vor anno 1000:"Pro deo amur et pro christian poblo et nostro commun salvament..." (Straßburger Eide, 842)
Natürlich waren die Mönche auch sprachwissenschaftlich weit vor 1800 so begabt, daß sie romanische und andere Dialekte perfekt fälschen konnten...
Topper schließt sein leider viel zu kurzes Buch mit den Worten:
"Damit wird nun schärfstens zum Ausdruck gebracht, daß es unmöglich sein wird, die tatsächliche Geschichte zu erforschen. Mit diesem im wesentlichen psychoanalytischen Erklärungsmuster wird die Chance einer annähernd wirklichkeitsbezogenen Geschichtsforschung verschüttet."
Dann kann auch keiner den Topper mit"Sachargumenten" widerlegen - nicht schlecht...
Ach, wie traurig, wie traurig!
Ja, für alle mit Sachargumenten... [schluchz]
Ich brauch' jetzt 'nen Whisky.
Der sei Dir gegönnt - andere"brauchen" ihn anscheinend vor dem Schreiben...
Herzliche Grüße in die Runde, <font color=#008000>Zandow</font>
Herzlich Grüße zurück
bernor
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