-->Hallo Dieter!
Hier stimme ich mit Dir überein.
M.E. wird es höchste Zeit, daß die Arbeitszeit wieder angehoben wird. Klar wollen das die Wenigsten. Aber es ist letztendlich wohl noch eine der einfachsten Möglichkeiten - wenn nicht die Einfachste - um die hohen Arbeitskosten in Deutschland etwas günstiger zu machen. Vorteil: Der Lohn der Menschen sinkt wenigstens nicht. Lieber arbeite ich doch drei, vier oder fünf Stunden länger als arbeitslos zu werden oder auf ein Siebtel oder Achtel meines Lohnes zu verzichten. Das Problem, daß Deutschland mittlerweile immer weiter den"Abhang hinunter" fährt sind m.E. sehr vielfältig. Da ist auf der einen Seite sicherlich der Staat mitverantwortlich. Es sind viele Fehler in der Politik gemacht worden. Aber teilweise sind die Fehler auch aus dem natürlichen Verhalten des"Normalmenschen" entstanden. Als noch Geld da war und die ersten Menschen arbeitslos wurden hat man damals gedacht man müsse diesen Menschen in einer Art und Weise helfen, daß das Arbeitslosengeld fast 100 % des vorher erhaltenen Arbeitslohnes ausmachte. Auch die Sozialnetze wurden noch viel zu dicht gespannt. Es war noch Geld da und es gab nur wenige echt unglückliche Fälle von Arbeitslosigkeit, Krankheit o.ä. Die Folge war eine Anreizverzerrung.
Ein weiterer Grund für den Abschwung dürfte aber auch im Wesen des Menschen liegen. Nach dem Krieg gab es Elend, Hunger und Leid. Die meisten waren doch schon froh wenn Sie wieder ausreichend zu essen hatten und ein Dach über'm Kopf. Wenige Jahre später waren die Menschen hochzufrieden wenn Sie einmal nach Spanien konnten, einen VW Käfer bezahlen konnten oder einen Schwarzweiß-Fernseher hatten oder man sich unter Männern einmal im Monat zur gemütlichen Bierrunde traf. Wären die Leute damit heute noch zufrieden? Ich glaube die allerwenigsten wären es wenn wir ehrlich sind.
Nach dem Krieg herrschte m.E. auch auf dem Arbeitsmarkt eine einmalige Sondersituation. Durch den Krieg war mehr Arbeit da als man Arbeitskräfte hatte. Folge war, daß der Staat damals die Gastarbeiter holte. Der Arbeitsmarkt gestaltete sich zu locker und zu lasch. Es wurden Firmenfeste gefeiert, der Sekt wurde getrunken und manche machten 15 Zigarettenpausen und das Arbeitstempo war vielerorts auch nicht gewaltig. Nicht das man mich falsch versteht. Was heute teilweise abgeht ist auch nicht richtig wenn Menschen aufgrund des Stresses umkippen und das Burn-Out-Syndrom immer mehr Aufmerksamkeit in der Ã-ffentlichkeit gewinnt und die Menschen nur noch Angst haben um ihren Arbeitsplatz und manche Arbeitgeber ihre Angestellten mobben und nur noch Forderungen stellen. Aber der Arbeitsmarkt der 70er war das andere Extrem. M.E. ist solch ein Arbeitsmarkt wie er damals existierte und wie viele Ihn sich heute wieder zurückwünschen eine Wunschvorstellung die auf Dauer nicht haltbar ist. Solch ein Arbeitsmarkt hält kaum einer ausländischen Konkurrenz statt. Es würden sich immer irgendwelche Staaten finden in denen die Menschen viel ärmer sind und aus dieser Motivation heraus bereit wären wesentlich härtere Arbeitsmarktbedingungen zu akzeptieren als die herrlichen hiesigen Arbeitsmarktbedingungen der 70er Jahre.
M.E. ist es daher nicht sinnvoll diese Zeiten der 70er Jahre ohne Schulden, ohne Arbeitslosigkeit, mit Wirtschaftswachstum und Wohlstandszuwachs für alle Schichten und sehr guten Arbeitsmarktbedingungen als realisierbaren Dauerzustand darzustellen da ein solcher Zustand auf Dauer einfach realitätsfern ist. Das was wir jetzt erleben ist alles zwar nicht unbedingt ein Grund zur Freude aber irgendwo wohl auch nur eine Gegenbewegung gegen die extremen Wohlstandszuwächse der Zeit bis mindestens 1970. Auch danach hatten wir noch lange Wirtschaftswachstum und ein Wachstum des Wohlstandes. So sind beispielsweise die durchschnittlichen Wohnflächen je Person jedes Jahr bis 2003 angestiegen. Quer durch alle Bevölkerungsschichten hat sich der Wohlstand vergrößert. Auch nach 1970 hat sich der Wohlstand noch vergrößert.
Auch was die Familien angeht ist der Wohlstand gestiegen. Hier jedoch wesentlich geringer als beispielsweise bei Singles. Ich denke letztendlich ist das Wohlstandsniveau sowohl bei Singles als auch bei den Familien angestiegen. Die Verringerung der Kinderzahl hängt m.E. nicht vom absoluten Wohlstand der Familien ab sondern vom relativen Wohlstand der Familien zum Rest der Gesellschaft. Eine Familie zu ernähren ist nicht unbedingt härter oder schwieriger geworden. Das Problem ist eher, daß der"andere Weg" (ohne Kinder) attraktiver geworden ist und wesentlich mehr Möglichkeiten bietet von großen Autos, schönen Häusern im Grünen und tollen Urlauben ringsherum um die Welt. Der zweite Grund dürften moderne Verhütungsmittel sein. Aber auch die Probleme bei der zu geringen Zahl der Kindergartenplätze trägt einen Teil dazu bei wie auch die Einstellung der Gesellschaft gegenüber Kindern. Man braucht keine Studie aufzustellen um schlicht und einfach sagen zu können, daß unsere Gesellschaft einen massiven Wandel der Werteprioritäten miterlebt hat. Helmut Klages hat dazu eine Theorie entwickelt, nach der ab Ende der 60er Jahre Pflicht- und Akzeptanzwerte (Disziplin, Gehorsam, Pflichterfüllung, Treue, Unterordnung usw.) durch Selbstentfaltungswerte (Emanzipation, Partizipation, Individualismus, Autonomie usw.) zurückgedrängt wurden. Betrachtet man diesen Aspekt fällt es nicht schwer eine Begründung zu finden warum die Kinderzahl in Deutschland im Sinkflug ist wenn es zwei Wege gibt bei denen die Möglichkeiten hinsichtlich Selbstverwirklichung, Unabhängigkeit usw. immer weiter auseinandergegangen sind.
Der Abschwung kommt m.E. nicht nur vom Staat sondern - und das muß man auch mal sagen - von einem nicht zu unterschätzenden Teil der Menschen selbst. Die Logik ist ja ganz einfach: Je höher der Wohlstand absolut steigt desto mehr Menschen sind irgendwann an einem Punkt angelangt an dem sie sich sagen:"Ich bin doch so ganz zufrieden wie es mir geht und da kann ich ja einen Gang zurück schalten". Warum auch die 13. Stunde bis tief in die Nacht arbeiten wenn man heute mit 9 Stunden Arbeit schon alles hat was man für sich selbst als wichtig erachtet und selbst durch das Nichtstun noch eine warme Bude und genügend zu essen hat und es sogar noch ab und zu für ein Bier reicht. Wer noch schwarz nebenher arbeitet dem geht es dann sogar besser als einen ehrlichen Arbeitnehmer.
Ich bin der Meinung, daß jede(!) Nation die einen großen Wohlstand erlangt und hierbei Spitzenreiter wird auch wieder die Position des Spitzenreiters abgeben muß weil die Menschen irgendwann anfangen sich an den Wohlstand zu gewöhnen, ihn irgendwann zumindest zu großen Teilen als"selbstverständlich" ansehen und - wenn ich für meine junge Generation mal sprechen darf - gar nicht mehr wissen wie es ist wenn man mal nichts zu essen hat. Die jungen Leute werden heute von Ihren Elter häufig gar nicht darüber aufgeklärt wie hart es in den Nachkriegsjahren war oder wie schwer es ist auf dem Arbeitsmarkt eine Arbeitsstelle zu finden. Eher haben manche Eltern noch ein schlechtes Gewissen und machen das Falscheste was Sie tun können. Sie überhäufen die Kinder mit Taschengeld und geben Ihnen nahezu alle Freiheiten die sie wollen. Das sich dadurch bei den Kindern realitätsferne Vorstellungen der realen Welt ergeben ist ja nur die logische Folge. Und so kommt es dann, daß viele dem Druck nicht gewachsen sind und immer mehr junge Menschen in Alkohol, Cannabis & Co. flüchten.
Letztendlich bin ich der Meinung, daß es Zeit wird, daß wir wieder zurück in die Realität kommen. Wir leben nicht im Schlaraffenland und den Wohlstand für alle mit der 5-Stunden-Woche wird es aufgrund der Globalisierung und des Egoismus und Kapitalismus in den nächsten hundert Jahren nicht geben.
Viele Grüße,
Sascha
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