-->>Hi,
>sorry, dass ich mich etwas zu kurz gefasst habe. Unter wirklich freier Marktwirtschaft verstehe ich das, was von den krassesten"libertären" Ludwig von Mises und Co. Anhängern darunter verstanden wird: Es gibt keinen Staat, wirklich alles ist privat und"frei". Und darunter fallen wie gefordert dann auch Ordnungsaufgaben wie Polizei und sonstiger Eigentumsschutz. Mit anderen Worten: eigentlich schon eher Faustrecht.
Diese Art von Freiheit, würde ich wiederum schon eher als Anarchie bezeichnen. Es gibt natürlich unterschiedliche Ausprägungen von staatlicher Gewalt, aber grundsätzlich bin ich unabhängig vom Wirtschaftssystem für einen Staat, der sich auf seine vornehmsten Aufgaben konzentriert und diese dann auch erfüllt: Äußere und innere Sicherheit sowie Bewahrung des Rechtsfriedens und Unterstützung derjenigen, die sich nicht selbst helfen können - aber bitte nur dieser. Verbrechen und Korruption blühen keineswegs nur in Marktwirtschaften, sondern auch in (Partei-)Diktaturen, wobei verbrecherische Handelsweisen dort mitunter fester in die eigentlichen staatlichen Organe integriert sind, ebenso wie die Korruption.
>Wenn Du den Staat als Wächter gegen solche Unbilden bestehen lässt, dann sieht es zugegebenermaßen anders aus. Aber die Geschichte des Kapitalismus und seiner Marktwirtschaft sah eben meist wie Faustrecht aus und läuft auch momentan wieder in den meisten Regionen der Welt in diese Richtung; ein Wächterstaat kostet etwas und das will man nicht zahlen, man flüchtet in Steuerparadiese, die betrtiebswirtschaftliche Rentabilität fordert das zwecks Konkurrenzfähigkeit: das ist marktwitschaftliche Logik.
Bislang lief die Entwicklung doch eher umgekehrt. Aus den ungezügelten"Manchester"-Kapitalisten, wurden mehr oder weniger gesittete, verfeinerte und reifere Marktwirtschaften, manche sogar mit besonderem sozialem Touch. Dass der Wächterstaat etwas kostet ist vollkommen unbestritten, hat aber mit der Flucht in Steuerparadiese nichts zu tun. Geflohen wird aus Staaten, die weit über die oben genannten Funktionen hinaus, sich für alles und jedes zuständig erklären und dabei ihren eigenen Apparat ins absurde aufblähen. Die Regelungswut und der Steuerhunger ersticken jegliche Initiative und sind die eigentlichen Fluchtgründe für diejenigen, die sich jenseits der Grenzen ein besseres Leben erhoffen. Toby hat hier gestern unter"ein Hellmeyer Highlight" einmal wiedergegeben (blieb hier ohne jede Reaktion), wie der Staat die Leute in den letzten Jahrzehnten durch das Wirken der Inflation kalt enteignet hat und sich immer weiter ausgedehnt hat. Der Spitzensteuersatz greift heute bereits bei einem Einkommen, das nur rund einem Viertel(!) des realen Grenzeinkommens der 1960er Jahre für den Spitzensteuersatz entspricht. Während laut über ein Reförmchen hier und eines da getrommelt wird, beißt sich der Staat heimlich still und leise immer tiefer in die Börsen der Bürger.
>Übrigens arbeiten in den USA nicht gerade wenige Kinder trotz(?) dort guter(?) Marktwirtschaft und es sitzen nicht umsonst so viele Leute im Knast trotz angeblicher marktwirtschaftlicher Wendung des Lebens zum Besseren für fast alle.
Du wirst lachen, insbesondere auch Kinder aus der sog. Oberschicht, werden früh ermuntert zu arbeiten, oder sich zu engagieren, gerade um ihnen einen Sinn im Leben zu geben, nicht jeder Reiche wünscht sich eine Paris Hilton als Tochter. Kinderarbeit ist dennoch kein"typisches" US-Phänomen, ebenso wie es für unsere Wirtschaft nicht typisch ist. Häufiger sind in unseren Landstrichen mithelfende Kinder in größeren Familienverbänden zu finden (Familienbetriebe, Landwirtschaften, Restaurants,...). Die organisierte Kinderarbeit ist dagegen sicher kein Wesensmerkmal der Marktwirtschaften des"Westens".
Warum Leute straffällig werden, steht wieder auf einem ganz anderen Blatt. Eigentumsdelikte setzen voraus, dass irgendwo auch etwas lohnendes zu holen ist. Aber aus der bloßen Quote der einsitzenden Leute etwas über das Wirtschaftssystem ableiten zu wollen, halte ich für mutig. Da spielen noch ganz andere Faktoren eine Rolle. Beispielsweise gibt es länderspezifisch unterschiedliche Schwerpunkte zwischen Bestrafung und Resozialisierung. Wer in den USA in einem Bootcamp ist, sitzt ein, wer in Deutschland mit seinem Betreuer eine Reise antritt, nicht.
>Dass der Zwang der Mafiosi hier kriminell ist, ist klar. Aber der eigentliche Zwang liegt in der Notsituation der Kinder. Und diese Notsituation ist marktwirtschaftlich verursacht, da die Eltern unrentabel, deswegen arbeitslos und ohne Einkommen sind.
Ich halte wie gesagt Albanien für keine Marktwirtschaft, sondern für eine Chaoswirtschaft mit mafiösen Strukturen bis in die Spitze. Dennoch ist es wohl kaum von der Hand zu weisen, dass Länder mit marktwirtschaftlicher Ordnung tendenziell einen höheren Wohlstand der Bevölkerung aufweisen, als Länder mit anderen Wirtschaftssystemen. Deutschlands relativer Abstieg ist auch(!) mit der zunehmenden Abkehr von der Marktwirtschaft und der Hinwendung zu einer lähmend überregulierten Staatswirtschaft zu erklären. Wanderungsbewegungen der Menschen gehen schon seit Jahrzehnten in Richtung der Länder, die ihnen verprechen, dass sie dort ihr Glück machen können und das sind praktisch ausschließlich Marktwirtschaften - ob sie es im Einzelfall dann auch schaffen steht auf einem anderen Blatt. Freiheit bedeutet auch die Freiheit zu scheitern. Dennoch greift es viel zu weit, Not als marktwirtschaftliches Phänomen zu definieren - wirkliche, existenzielle Not herrscht in Regionen, die mit Marktwirtschaft nicht das Geringste zu tun haben und die liebend gerne die"Not in der Marktwirtschaft" erdulden würden. Mir ist beispielsweise auch kein Fall bekannt, dass ein notleidender Westbürger unter Einsatz seines Lebens versucht hätte, die Grenzanlagen in Richtung DDR zu überwinden, weil er sich dort ein besseres Leben erhoffte. Alles Verblendete?
>Unrentabel sind sie nur in betriebswirtschaftlicher Hinsicht, sie könnten sich selbst versorgen, wenn man sie ließe. Aber der Reiche lässt sich auf seinem Riesengrundstück lieber einen Golfplatz bauen als z.B. eine Obstplantage von den Unrentablen anlegen zu lassen, die auch Überschüsse produzieren würden, aber eben relativ gesehen nicht genug. Das ist die Kriminalität der Marktwirtschaft, sie ist verdeckt und beschönigt unter dem Mantel des Eigentumsschutzes. Nur ist sie dadurch, nicht selten sogar ungewollt, weil alles so verworren ist, einfach unsozial.
Das kommt jetzt schon ein wenig sozialromantisch rüber. Hier der"Reiche" mit"Riesengrundstück" und was spielen"Reiche"? - Natürlich Golf! Bingo. Dort die braven Familien, die liebend gerne leckeres und gesundes Obst produzieren wollen. Was spricht gegen den Golfplatz, wenn er tatsächlich die relativ bessere Nutzung ist? Der Markt ist keine moralische oder soziale Instanz, seine entscheidende Messkategorie ist Effizienz. Der Grundbesitzer verhält sich insofern marktgerecht, wenn der Golfplatz höhere Erträge verspricht, als der Obstanbau, das ist aber völlig unabhängig davon, wem der Grund nun gehört, denn für die beispielsweise 20 Familien wäre es natürlich auch verlockend, sich zusammenzutun, einen Golfplatz zu bauen und das Obst im Supermarkt zu kaufen (das anderswo wesentlich effizienter produziert wurde), wenn der Golfplatz tatsächlich soviel höhere Erträge verspricht.
>Gruß
>mario
Schönen Tag
JLL
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