-->Hallo,
naja, ich vermute mal, MarkXzzz hat sich in einer heftigen, emotionalen Gefühlsaufwallung den ganzen Frust von der Seele geschrieben und ist ein wenig über das Ziel hinausgeschossen.
Aber je nachdem, wie nah der Einzelne an der bröckelnden Fassade steht, sieht er die Situation hier im Land mit anderen Augen.
Man muß doch gar nicht selbst betroffen sein, es reicht, jemanden zu kennen, der gesellschaftlich nach unten durchgereicht wird, ohne eigenes Verschulden, oder es reicht aus, einfach die Augen und Ohren aufzuhalten und auf die immer deutlicher sichtbar werdenden Risse in der Fassade zu achten.
Natürlich wird man wie üblich als Schwarzseher und Miesmacher bezeichnet, aber ich bin sicher, diese Stimmen werden mit der Zeit immer leiser werden.
Wie sagte Dottore neulich doch so schön: Zur Zeit geht es uns doch noch Gold!
Du schreibst:
>ich empfehle einen einjährigen Aufenthalt in einem Slum eines Drittweltlandes Deiner Wahl. Danach bist Du GARANTIERT von Deiner Schwarzseherei kuriert.
Dieses Argument ist auch eines dieser berühmten Totschlagsargumente.
Uns geht es doch noch gut!
Gemessen an was?
Diesem Land geht es zunehmend schlechter, die Schuldenuhr rast, die Osterweiterung erlaubt mittlerweile völlig ungeniert den Angriff auf die Einkommen, mit denen unser ganzes gesellschaftliches Gefüge zusammengehalten wird, und die große Frage bleibt: Wie lange wird das alles noch halten?
Die Slums der Dritten Welt werden in den Medien immer als Vorhof zur Hölle dargestellt.
Ich habe schon immer gerne"Weltspiegel" und"Auslandsjournal" gesehen und habe gezeigt bekommen, unter welchen harten und unmenschlichen Bedingungen viele Menschen auf diesem Planeten leben müssen.
Und mit welchen furchtbaren Geschichten einige Hilfsorganisationen hausieren gehen, um an Spendengelder zu kommen, weiß ich auch. Und diese Organisationen sind bei weitem nicht so selbstlos, wie sie gerne vorgeben.
Es ist in erster Linie ihr Geschäft!
Und deshalb soll ich die Augen schließen, den Kopf ausschalten und den Mund halten, obwohl ich sehe, welch unheilvolle Entwicklung in meinem Land der Ersten Welt begonnen hat?
In vielen jetzt armen Ländern sah es früher auch einmal anders aus.
Was wird geschehen, wenn die sozialen"Sicherungsnetze" (die ich schon gar nicht mehr als solche ansehe) reißen und keiner mehr die Masse Menschen aus dem Mittelstand"aufhängt", die ohne Job dasteht, weil es ums Verrecken keine Arbeit mehr gibt, mit der man seine Familie durchbringen kann?
Ja, Schwarzseherei ist das, schon klar.....
In unserem Bekanntenkreis haben wir ein paar Freunde, die bei einer Zeitarbeitsfirma arbeiten - eine gute Möglichkeit, hinter die Fassade zu blicken.
Eine junge Frau arbeitet dort für 6 €/h brutto. Wenn sie Glück hat, bekommt sie demnächst (wie die Männer) 7 oder 8 € brutto.
Wie soll man damit bitte schön eine Familie ernähren?
Diese junge Frau ist letztes Jahr mit der Schule fertig geworden und konnte trotz immenser Bemühungen keinen Ausbildungsplatz finden.
Sie wohnt in einem Dorf bei Waldkirch, bei den Eltern, eine eigene Wohnung könnte sie sich von diesem Lohn im Leben nicht leisten. Ihr Luxus ist ihr Auto - schon schlimm diese"Anspruchshaltung", nicht wahr? Und sie hat auch ein Handy!
Aber ich bin sicher, wenn sie nicht bei den Eltern wohnen könnte, dann hätte sie weder ein Auto noch ein Handy, weil das Geld dafür nicht da wäre, so einfach ist das.
Irgendwie glaube ich nicht, daß sie mehr als 6 €/h brutto bekommen wird - warum denn auch?
Wenn Hartz IV demnächst mit voller Wucht aufschlagen wird, dann wird ihr Lohn wohl eher fallen..... weil immer mehr Menschen händeringend nach den immer spärlicher vorhandenen, schlecht bezahlten Jobs suchen müssen.
Und wenn ihr das nicht paßt, dann kann sie ja gehen!
Das wird sie natürlich nicht tun können, weil Geld verdienen muß man ja.
Wo ist da der Unterschied zu Sklavenlöhnen?
Kost und Logis - für was sonst arbeiten denn mittlerweile viele Menschen hier in Deutschland?
Und zu allem Ja und Amen sagen - sonst ist man den Job los.
In den Medien werden immer nur die extremen Fälle gezeigt: ein Florida-Rolf oder ein Ackermann-Josef, vom Mittelstand und seinen zunehmenden, wahren Problemen bekommt man wenig gezeigt.
Ich will die Not eines Menschen nicht vergleichen, aber kennen wir wirklich das Leben in einem Slum der Dritten Welt, unabhängig von instrumentalisierten Horrorbildern?
Dort und hier meistert man dann sein Leben mehr schlecht als recht.
Auch wenn es viele nicht wahr haben wollen: Würde meine Bekannte, die 6 €/h brutto verdient, mit ihrer Familie in einer kleinen Wohnung in Freiburg-Weingarten (teilweise Horror pur) sitzen, ohne (!) jeglichen sozialen Zuschuß (!), dann würde ich sagen, sie lebt auch nicht viel anders. Und wenn sie die Arbeit verliert?
Eine Woche krank und sie hat die Kündigung auf dem Tisch.
Ab 2005 wird das immer mehr Menschen klar werden!
Geht es um Existenzerhalt oder um fließendes Wasser, Strom und ein gemauertes Haus?
Wenn diese Bekannte Glück hätte, dann gäbe es einen Partner, der noch Arbeit hat und noch"normal" verdienen würde. Was für ein Glück! Aber dann sollte sie besser nicht auf die Idee kommen, ein Kind zu bekommen, es sei denn, ihr Partner steht finanziell gesichert da. Das gibt es ja.
Dieses Beispiel funktioniert auch mit vertauschten Rollen, wohl bemerkt.
Aber, und das stimmt, uns geht es ja noch Gold, wie Dottore so schön gesagt hat.
Es macht wenig Sinn, den Mitmenschen immer wieder aufs Neue vom bröckelnden Fundament zu erzählen, wenn sie selbst noch zufrieden in den oberen Stockwerken sitzen und sich den schönen Tag nicht mit einem solchen"Geschwätz" verderben lassen wollen.
Über kurz oder lang werden sie es schon mitbekommen, da bin ich mal sicher.
Ich versuche auch immer öfter, nicht so genau draufzustarren, es reicht, wenn ich´s rieseln höre.
Man kann das alles ja leider nicht ändern, also sollte man zumindest das Leben genießen, solange es geht.
Schönes Wochenende
A.
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