-->Wird Sprechen lizenzpflichtig?
Blick aus Zürich
Stellen wir uns einmal folgende Szene vor: Ein Deutscher geht in sein heimisches Reisebüro, um sich über einen Ferienaufenthalt in der Schweiz zu informieren. Der Angestellte sagt:"Bitte schön. Aber haben Sie denn auch Ihren Begleiter aus der Schweiz dabei?" Wenn der Befragte sagen würde:"Sie sind wohl verwirrt", würde er erfahren, daß es jetzt eine"Touristendienstleistungsaufsicht" in Deutschland gäbe, die deutsche Urlauber davor schützen soll, daß sie draußen betrogen werden. Auslandsrepräsentanten aus der Reisebürobranche würden zwar direkte Kontakte zu deutschen Reisenden in Deutschland gestattet bleiben, aber nur mit einer Lizenz von der deutschen Touristendienstleistungsaufsicht.
Was wir da schildern, ist natürlich ein schlechter Witz. Aber so ähnlich geht es tatsächlich in einer anderen Branche heute schon zu: Da gibt es die neue deutsche Finanzdienstleistungsaufsicht. Sie ist vom Bundesfinanzministerium angewiesen worden, Schweizer Banken oder andere Finanzdienstleister, die nicht in Deutschland über eine Niederlassung oder Tochterbank verfügen,"Gespräche zur etwaigen Geschäftsanbahnung in Deutschland" zu verbieten, es sei denn, sie würden eine Sprechgenehmigung der deutschen Aufsichtsbehörde in Händen haben. Eine - nicht lizenzierte - Unterhaltung über Geld wäre dagegen Schweizern in Deutschland verboten. Jeder Bundesbürger, der im Heimatland in Kontakt mit Schweizer Finanzleuten kommen würde, müßte also vorsorglich erst einmal danach fragen, ob der Gesprächspartner auch eine amtliche deutsche Erlaubnis zum Sprechen über Geld besitze.
Der Sinn dieser unglaublichen Geschichte: Die deutschen Behörden meinen es mit den deutschen Sparern gut. Sie sollen vor kriminellen Verkäufern von Finanzprodukten zu Hause geschützt werden, auf Kosten der Steuerzahler. Die Schweizer Banken und die Berner Regierung waren ob dieser Fürsorglichkeit erschüttert. Sie gingen nach Berlin und suchten das Gespräch. Der Erfolg: Die deutsche Aufsichtsbehörde kommt den Schweizern großzügig entgegen. Jeder Schweizer Finanzdienstleister könne nach Belieben einen Deutschen besuchen,"wenn er einen Freistellungsbescheid zum Sprechen erwirbt". Die deutsche Aufsichtsbehörde verlangt zur Prüfung auch noch Jahresabschlußunterlagen der Schweizer und die Revisionsberichte Schweizer Buchprüfungsgesellschaften. Ist es weit hergeholt, zu vermuten, daß auf diese Weise deutschen Behörden obendrein noch intime Kenntnisse über den Finanzplatz Schweiz frei Haus geliefert werden? Zum Trost verspricht die Berliner Behörde den Schweizern:"Wir wollen schnell arbeiten." Sprecherlaubnis vielleicht schon nach fünf Wochen, es sei denn,"ihr Schweizer würdet bei uns in Berlin Schlange stehen".
Von so viel Entgegenkommen tief beeindruckt, hat der Finanzplatz Schweiz begonnen, über die Realisierbarkeit dieser merkwürdigen"Sprechlizenzen" nachzudenken. Der Chef der Geschäftsleitung der Schweizer AIG Privat Bank ließ in einer Schweizer Zeitung wissen:"Was die Deutschen da ausgeheckt haben, ist doch für die Praxis völlig untauglich." Ein anderer Banker erboste sich:"Das ist doch typisch für die deutschen Behörden: Erst schießen und dann zielen." Die Schweizer fragen sich, ob nicht die ganze Übung auf Heimatschutz und damit auf ein Kartell zugunsten der deutschen Banken hinauslaufe?
Man wird wohl auf der Welt vergebens nach Parallelen suchen. Die Schweizer können auch noch darauf verweisen, daß ja bei jedem Gespräch über ihre Bankgeschäfte letztlich ihr gesetzlich geschütztes Bankkundengeheimnis tangiert werden könnte. Dabei hatte die Schweiz von der EU gerade ausdrücklich den Schutz des Bankgeheimnisses bestätigt bekommen, zu dem hohen Preis jener"Zinsmaut" auf Zinseinkünfte deutscher Kunden bei Schweizer Banken ab Mitte kommenden Jahres.
In Schweizer Zeitungen wird der Faden noch weitergesponnen: Glücklicherweise gäbe es ja Autos, Eisenbahnen und Flugzeuge, mit denen man die Grenze zur Schweiz überwinden und in Freiheit über Geld sprechen könne. Aber sei es auszuschließen, daß die deutschen Behörden eines Tages auf den Geschmack kommen würden, ihren Reisenden an der Schweizer Grenze einen Vordruck unterschreiben zu lassen, womit sie sich verpflichten, in der Schweiz nicht über Geld zu sprechen? Es sei denn, sie erhalten dazu eine deutsche Lizenz.
Ihr Heinz Brestel
Text: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 31.07.2004, Nr. 176 / Seite 21
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