--><font sie="4">Forscher warnen vor einem Beben der Stärke 6,4 auf der Richter-Skala </font>
Erstmals wird in Kalifornien offiziell ein Erdbeben vorhergesagt. Bis zum 5. September soll es passieren
Kalifornien ist gewarnt. Erstmals wagen Wissenschaftler die offizielle Vorhersage eines schweren Erdbebens. Seismologen um Vladimir Keilis-Borok von der University of California in Los Angeles prophezeien Südkalifornien ein schweres Beben bis zum 5. September von mindestens der Stärke 6,4. Es werde etwa 150 Kilometer nordöstlich von Los Angeles unter der Mojave-Wüste entstehen und könne unabsehbare Folgen haben. Die letzten Wochen der Vorwarnzeit laufen also.
Der Geologische Dienst der USA erklärte, die Warnung sei ernst zu nehmen; sie beruhe auf seriöser Wissenschaft - eine solche Erklärung gab es noch nie."Wir nehmen die Los-Angeles-Prognose ernst", sagt auch Stefan Wiemer vom Schweizerischen Erdbebendienst der ETH Zürich.
Kaliforniens Medien berichten ausführlich über die Vorwarnung."Das Undenkbare wird denkbar", hofft die"Los Angeles Times" - und meint die Vorhersagbarkeit von Erdbeben. Die"San Diego Union-Tribune" bangt hingegen:"Kommt jetzt das große Beben?" Seit Jahren erwarten die Kalifornier"The Big One". Es muss nicht jetzt kommen."Möglich wäre es aber", betont Keilis-Borok.
Sollte sich"The Big One" in der Nähe von Los Angeles ereignen, sagt ein Regierungsbericht für die Stadt bis zu 15 000 Tote und 50 000 schwer Verletzte voraus - wenn das große Beben während der Rush-Hour ausbricht. 8000 ältere Gebäude und auch Autobahnbrücken würden zusammenstürzen, 200 000 Menschen obdachlos werden. Es könne Brände durch geborstene Gasleitungen geben und Engpässe bei der Krankenversorgung.
Das Ausmaß der Schäden hängt nicht nur von der Stärke des Bebens ab, sondern auch davon, in welcher Tiefe es passiert.
Die"North County Times" aus San Diego wettete darauf, dass Keilis-Borok Recht hat. Die Quote sei"1000:1", orakelt das Blatt. Der Grund: Bereits zwei schwere Beben hat der 82-jährige Keilis-Borok vorhergesagt.
Im Juni 2003 prognostizierte er für Zentralkalifornien innerhalb von neun Monaten ein Beben der Stärke 6,4 oder mehr. Am 22. Dezember bebte die Erde bei San Simeon mit einer Stärke von 6,5. Im Juli sagten die Forscher für den Norden Japans bis zum 28. Dezember ein Beben mit mindestens der Stärke 7 voraus. Am 25. September erschütterte ein Beben der Stärke 8,1 die Region. Beide Gebiete sind nur dünn besiedelt.
Erstaunlich gelassen erwarten die Kalifornier das große Beben. Das Dorf Parkfield etwa brüstet sich, seiner gefährdeten Lage wegen, mit dem Titel"Erdbebenhauptstadt der Welt" und fordert Besucher auf:"Seien Sie hier, wenn es passiert!" Biersorten der San-Andreas-Brauerei heißen Seismic-Ale oder Richter-Scale-Ale. Als Partyspaß gibt es das"Kalifornien-Erdbeben in der Dose": Sie wabbelt hin und her, wo immer sie steht. Appelle der Behörden, man möge Medikamente, Kleidung, Batterien und Konserven für den Ernstfall bereithalten, werden kaum beachtet."Man muss das nicht so ernst nehmen", sagt etwa Tal Sharabi, Student in San Diego.
Skeptiker fragen allerdings nach dem Sinn von Prognosen Monate im Voraus: Wie sollen die Anwohner reagieren? Um Häuser zu befestigen, bleibt zu wenig Zeit. Andererseits wird kaum jemand für längere Zeit die Stadt verlassen und den Beruf aufgeben. Und die Katastrophenhilfe müsse ohnehin jederzeit einsatzbereit sein.
Der Schweizer Seismologe Wiemer hält längerfristige Warnzeiten für nützlich, weil sie den Sinn von Vorsorgemaßnahmen klar machten. Schulen, Kindergärten und Betriebe in Kalifornien sind zu regelmäßigen Erdbebenübungen verpflichtet. Per Hauswurfsendung werden die Menschen aufgerufen, die"Duck dich, deck dich, halt dich"-Übung zu trainieren: sich ducken und unter einem Tisch Deckung suchen.
Vorwarnungen ermöglichen es Wissenschaftlern, die gefährdete Gegend mit Sensoren zu verkabeln, um das Beben zu studieren. Doch selbst eine genaue Analyse von Erdbebenzonen sei sinnlos, meint der Erdbebenforscher Robert Geller von der Universität Tokio, der Beben für unvorhersagbar hält."Das Problem ist, dass die Berührungsflächen der Gesteinsplatten übersäht sind mit instabilen Zonen." Daher ruckelt es ständig irgendwo, und die Erde bebt, zumeist unmerklich. Wenn sich Gestein in Bewegung setzt, könne alles Mögliche passieren, so Geller."Das Beben kann sofort wieder abklingen oder es setzt Nachbarbereiche in Bewegung und wird so größer und stärker." Wie stark ein Beben am Ende sein wird, sei demnach bei seiner Entstehung noch völlig unklar - und damit auch nicht vorhersehbar.
Keilis-Borok stützt seine Prognose-Methode nicht auf physikalische Indikatoren wie das Brechen von Gestein, sondern auf Statistik: auf eine bestimmte Verteilung von Mikro-Beben, die anscheinend eine bevorstehende große Spannungsentladung ankündigen können. Statistik hat freilich ein Manko, wie jeder bei der Wettervorhersage überprüfen kann: Es gibt keine absolute Sicherheit - Fehlalarm ist nie ausgeschlossen.
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