Hallo, Josef,
solange unter Globalisierung vorrangig ein fairer Wettbewerb und Zugangschancenverbesserung zu verstehen wäre, wäre das tatsächlich ein Fortschritt.
Daß es zu Auswüchsen kommt, ist mir auch klar, wir sehen sie ja zur Zeit.
Nur, ob das primär mit dem Internet zu tun hat, oder mit einer Monopolisierung von Polit&Wirtschaftsmacht, ist die Frage.
Je mehr Infos es im Internet gibt, umso mehr Alternativen lassen sich finden, zumindest mehr als ohne, umso mehr läßt sich auch Globalisierung unterlaufen und Lokales besser vermarkten.
Und weltweite Pornographie auf Schul-Internetzugängen ist sicher auch kein Fortschritt.
Was ich allerdings als fortschrittlich empfinde, das ist halt meine persönliche Meinung, ist, daß man sich über alle möglichen und unmöglichen Dinge aus"beiderlei" Sicht informieren kann.
Lese ich einen Artikel, sagen wir, aus dem rechten Spektrum, und ich habe wenig Infos von außerhalb, dann sehe ich im linken Spektrum vorbei, und bilde mir aus beiden eine sicher ausgewogenere Meinung, als ohne Möglichkeit dieses Vergleichs.
Umgekehrt natürlich genauso.
Geht es um eine Erfindung, die öffentlich als unsinnig gebranntmarkt wird, nehmen wir Dr.Hamer (dort halt Entdeckung oder Theorie), oder alternative physikalische oder technische Ansätze, interessiert es mich schon, was der Entdecker dazu meint, selbst wenn er in der Presse verrissen wird.
Aus beidem kommt die Meinungsbildung näher an den Kern, als nur von einer Seite aus.
Das Beispiel der Pornographie sollte nur aufzeigen, daß die Bewertung einer Verwerflichkeit außerordentlich unterschiedlich sein kann, daß wir in der mitteleuropäischen Hemisphäre kein Maßstab für die ganze Welt sein können und sollten.
Sicher gibt es Übereinstimmungen überall auf der Welt, die in der menschlichen Ethik begründet sind (hoffentlich!), was überall und zu jeder Zeit als untragbar angesehen wird.
Konkreter Aufruf zum Mord fällt sicherlich auch in jedem Land darunter (halt, jetzt kommt wieder der Rushdie-Fall).
Alles diesseits der Tabuschwelle ist von landesspezifischen und kulturellen Einstellungen abhängig.
Toleranz, eigenes Nachdenken und Interessiertheit auch in ausländischen Angelegenheiten wird heute als wünschenswert dargestellt.
Trotzdem findet man es für angebracht, das Internet zu zensieren.
Wie soll es dann möglich sein, sich aus dem breiten Spektrum von Meinungen eine eigene zu bilden?
Wenn Singapore private SAT-Antennen verbietet, um ausländischen destruktiven Einfluß aus dem Lande zu halten, dann mag das sogar einen langfristigen positiven Aspekt haben.
Trotzdem finde ich es auf der Grundlage einer pluralistischen bürgerlichen Gesellschaft für schlicht inkonsequent, freien Bürgern die Möglichkeit zu nehmen, sich allumfassend zu informieren.
Notfalls auch bei Geächteten.
Ich betrachte es da schon als Fortschritt, daß nationale Regierungen nicht mehr allein ein Informationsmonopol haben.
Man denke an den Kosovo-Krieg und die Berichterstattung, oder an den Irak-Krieg (sorry, daß das jetzt wieder als Beispiel kommt).
Das zeigt, daß auch so tolle westliche Demokratien durch gefärbte Brillen schauen, die Wirklichkeit verzerren, um Zustimmung bei den Bürgern notfalls zu erschleichen.
Noch ein Beispiel: Hufeisenplan.
Ich sehe das Internet als wichtiges freiheitliches Regulativ, welches allzu repressive Tendenzen wegen der Wirkungslosigkeit uns vom Halse hält.
Halten könnte. Vielleicht.
Das wollte ich damit ausdrücken.
Freilich hätte ich was dagegen, daß fiktiverweise mein 8jähriger Sohn etwa auf eine hardcore-Seite surft, aber selbst dann würde ich es ihm lieber erklären (in der Schule ist das böse Wort mit F sowieso sofort das Thema 1), als es zu verbieten.
Verbote machen neugierig und sind kontraproduktiv.
Da ist Aufklärung besser.
Und wenn Aufklärung in anderen Bereichen mal nicht funktioniert, könnte es ja sein, daß das, worüber aufgeklärt werden soll, nicht so ganz glaubhaft ist, sonst käme es ja nicht zu anderen Sichtweisen.
In die Richtung jedenfalls.
Besten Gruß vom Baldur
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