-->Soll die Queen Buße tun?
Elizabeth II. muß sich während ihrer Deutschland-Visite für die Bombenangriffe im Zweiten Weltkrieg entschuldigen, fordern britische Zeitungen
Von Thomas Kielinger
London - Ist es Mode, Bedürfnis oder nur leeres Ritual? Wie auch immer - wenn nur genügend Gras über eine unrühmliche Sache gewachsen ist, läßt sich die Nachwelt gerne herbei, Entschuldigung zu sagen.
- König Juan Carlos bekannte sich 500 Jahre nach der Vertreibung der letzten Juden aus Toledo zur spanischen Schuld an dieser ethnischen Säuberung, der"limpieza de sangre", der Reinigung des Blutes.
- Bill Clinton, auf einem Besuch im Senegal und in Uganda 1998, bat die Urenkel der nach Amerika Verschleppten um Vergebung für die Sklaverei.
- Papst Johannes Paul II. zeigte ähnliche Reue für die durch Christen an Juden begangenen Pogrome,
- und Japans Premierminister Keizo Obuchi entschuldigte sich 1998 während eines Besuches in Südkorea für"die gewaltigen Leiden", die diesem Land durch die japanische Besetzung im Zweiten Weltkrieg angetan wurden.
In seinem Buch"Ich entschuldige mich - Das neue politische Bußritual" nennt der Philosoph Hermann Lübbe öffentliche Reumütigkeit dieser Art"ritualisierte Elemente internationaler Beziehungen", ja, er sieht darin"Zeichen einer um sich greifenden Zivilreligion" - populär deshalb, weil den modernen Gemeinwesen der alte sittliche Rahmen verlorenzugehen scheine. Gleichzeitig warnt er vor der Trivialisierung der Leiden, die mit folgenlosen Reuebekenntnissen verbunden sein könnten.
Weniger eine Trivialisierung als eine Sensationalisierung ist die Absicht, wenn im Vorfeld der morgen beginnenden Staatsvisite von Elizabeth II. in Deutschland der Gedanke hochgespielt wird, die Queen sollte ihren Besuch zum Anlaß nehmen, sich zu entschuldigen für das britische Flächenbombardement deutscher Städte im Zweiten Weltkrieg - Namen, die Jörg Friedrich in"Der Brand" ebenso minutiös wie mitleiderregend aufgelistet hat.
Es ist bezeichnend, daß bisher keine einzige ernstzunehmende deutsche Stimme die Thematik eines königlichen"Sorry" aufgegriffen hat; es würden auch nur peinliche Abgründe auf den Unbedachten warten [ Hohmann läßt grüßen:( ]. Für die Medien dagegen gibt es kein Niemandsland, vielmehr immer nur wieder die lockende Aussicht neu aufzureißender Wunden. Denn über den Weltkrieg und was er unter den beiden einstigen Antipoden, der Kontinentalmacht Deutschland und dem britischen Inselreich, angerichtet hat, ist eben noch immer kein Gras gewachsen. Unter der Oberfläche einer neu geordneten, blühenden Beziehung geistern alte Antinomien. Sie finden auf britischer Seite neue Nahrung durch ein Europa, dessen Richtung vielen Inselbewohnern fremd ist. Und als Wortführer dieser Zukunft rückt Deutschland erneut ins Visier. Zeit, im trüben zu fischen.
Die erste, die mit dem Thema eines kolportierten königlichen"Sorry" zu wuchern begann, war die britische Zeitung"Daily Express", eine Mischung aus Boulevard und bürgerlich kaschierter Erregungssucht. Balkengroß auf Seite eins vermeldete sie vor zehn Tagen:"Die Deutschen wollen, daß sich die Königin für den Bombenkrieg entschuldigt." Las man das Kleingedruckte, stellte sich schnell heraus, daß weder"die Deutschen" noch irgendwelche Einzelnamen die Schlagzeile rechtfertigten. Es war alles heiße Luft - wie gehabt.
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Aber die Adresse ist die falsche, wie Roger Boyes, Korrespondent der"Times" in Berlin, am Freitag in seinem Blatt schmucklos feststellte. In der Tat wird die Königin keine Entschuldigung vortragen für den alliierten Bombenkrieg, die Antwort auf eine durch Nazi-Deutschland entfesselte Vernichtung. Sie wird dagegen ihrer Trauer über die Kriegsopfer Worte verleihen und den Ausführungen des britischen Botschafters in Berlin, Sir Peter Torry, folgen können, der unlängst in Braunschweig bei dem Gedenken an den Untergang der Stadt vom"Wahnsinn des Krieges" sprach und dem"düsteren und schreckniserregenden Moment", als die Stadt in Trümmern versank.
Auch kann die Monarchin auf bedeutende britische Versöhnungsgesten hinweisen, etwa den Spendenerfolg des"Dresden Trust" beim Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche. 750 000 Pfund, das sind über eine Million Euro, wurden von britischen Bürgern für diesen Zweck aufgebracht. [ Üppig, wahrlich eine große Geste [img][/img] ] Am Mittwoch wird - ein Höhepunkt des Besuchsprogramms der Königin - in der Berliner Philharmonie ein Galakonzert stattfinden zugunsten der weiteren Unterstützung für die Frauenkirche. Das Goldene Kuppelkreuz der Kirche, im Juni dieses Jahres angebracht, war bei einem britischen Goldschmied in Arbeit gegeben worden - dem Sohn eines RAF-Bomberpiloten, der bei der Ausradierung Dresdens am 13./14. Februar 1945 beteiligt war. Solche Vernetzungen sagen mehr als tausend"Sorrys" [ Da fehlen mir die salonfähigen Worte! ]. Der Mann der"Times" konnte denn auch, wie er schrieb, keinen"aufgestauten deutschen Bedarf nach britischer Bußfertigkeit" entdecken in einer Ad-hoc-Befragung deutscher Bürger, deren"singulär faire Gesinnung" ihn beeindruckte. [ Unfaßbar ] Es muß sich offenbar in Deutschland herumgesprochen haben, daß die Luftvernichtung der deutschen Städte auch auf der Insel zu den Wundstellen der nationalen Psyche gehört. Das kommt nicht so sehr mit einem Mea culpa daher als in den Etappen einer ruhigen Aufarbeitung eigener Fehler und Sünden.
Als erster fiel Arthur Harris, der Vater des Bombenkrieges und Oberster des strategischen"Bomber Command", sowie seine Einheit selber dieser Aufarbeitung zum Opfer. Der"Bomber Command" war die einzige Waffengliederung, die nach dem Kriege keine Heldenauszeichnung erhielt. Harris selber wurde von jeder weiteren Verwendung in der Royal Air Force ausgeschlossen, zog sich verbittert nach Südafrika zurück. Erst Anfang der achtziger Jahre, auf Betreiben der Queen Mother, erhielt er sein Denkmal am Rand der Londoner City. Das entfachte ebensoviel Genugtuung wie Kontroversen. Die britische Geschichtsschreibung läßt längst keinen Zweifel an dem strategischen Irrtum der Flächenbombardierung ziviler deutscher Ziele im Zweiten Weltkrieg, am besten nachzulesen in Max Hastings Standardwerk"Bomber Command". Hastings schildert darin auch"das wachsende Entsetzen der okkupierenden Truppen über die physische Vernichtung Deutschlands". Man könnte es schulderfahrene Nachdenklichkeit nennen, was Hastings, John Keegan oder andere seit langem zu diesem Thema vortragen. Das Nachdenken reflektiert freilich die Unausweichlichkeit immer mit, ähnlich den Worten Oliver Cromwells bei Betrachtung von Karl I., dem hingerichteten, in dessen Sarg: "Grausame Notwendigkeit."
[ Und jetzt kommt das übliche Ritual des vermeintlichen Nazi-Enkels: ]
Eine Entschuldigung durch die Königin würde nicht nur Ursache und Wirkung einer der großen Tragödien des 20. Jahrhunderts auf den Kopf stellen. Es wäre geradezu ein Bärendienst an den britisch-deutschen Beziehungen, würde es doch Animositäten freisetzen, die gerade dadurch gebändigt worden sind, daß jeder auf seine Weise das Vergangene aufzuarbeiten gelernt hat. Und dabei die Versöhnung entdeckte, die uns verbindet.
von hier http://morgenpost.berlin1.de/inhalt/politik/story713236.html
Kommentieren kann ich das jetzt nicht weiter, denn ich sehe hier gerade ein herrenloses Rückgrat herumliegen. Ich werde mal herumfragen, ob es jemand vermißt.
J
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