-->«Zombie» am Abgrund
Der japanische Supermarktkonzern Daiei ist bankrott - Regierung verordnet Zwangssanierung
Die drittgrösste japanische Detailhandelskette Daiei steht vor dem Abgrund. Nun greift die Regierung ein.
Angela Köhler/Tokio
Die Supermarktkette Daiei steht als Beispiel dafür, wie in der Arroganz der Boom-Jahre jede wirtschaftliche Vernunft ignoriert wurde. Im Glauben, der Aufschwung der 80er-Jahre mit Schwindel erregenden Immobilienpreisen und Dauerwachstum könne niemals ein Ende haben, expandierte die Gruppe wild und kaufte ziemlich alles, was dem Management attraktiv erschien. So unterhält Daiei eine Profi-Baseball-Mannschaft und eine Kreditkartengesellschaft, baute Hotelkomplexe und Ladenstrassen, eröffnete Restaurants und 24-Stunden-Shops. Vor allem auf dem Grundstückmarkt hat sich Daiei mächtig verspekuliert.
Obwohl bereits einiges Tafelsilber verkauft wurde, umfasst die Gruppe noch 114 Unternehmen. Sie steht vor einem Schuldenberg von 1000 Mrd. ¥ (11,3 Mrd. Fr.). Dabei haben die Gläubigerbanken bereits 400 Mrd. ¥ erlassen und in den letzten drei Jahren Finanzspritzen von 640 Mrd. ¥ gewährt. Da dennoch kein Land in Sicht ist, musste sich Daiei nun dem Druck der Banken beugen und sich unter die Aufsicht der staatlichen Auffanggesellschaft IRCJ (Industrial Revitalisation Corp. of Japan) stellen.
«Wirtschaftsleiche»
Analysten haben Daiei bereits vor zehn Jahren als «Zombie» ausgemacht, der unter regulären Marktbedingungen Bankrott anmelden müsste. Seit spätestens drei Jahren gilt das Unternehmen als «Wirtschaftsleiche». Jeder Yen, der noch als Gewinn in die Kasse fliesst, wird zum Abbau der Schulden gebraucht. Trotz dieser Erkenntnis änderte sich kaum etwas, das Management wollte sich einfach nicht von so prestigeträchtigen, aber unbezahlbaren Besitztümern wie den Baseballern trennen.
Private Investoren lauern
Daiei ist auch ein Beispiel dafür, wie Japans Regierung ihre Reformversprechen zumindest in diesem Fall nur halbherzig durchsetzt. Einen Kollaps des Supermarktriesen mit 3000 Geschäften, 57 000 Mitarbeitenden und von dem Tausende Zulieferer abhängen, wollten viele Politiker der immer noch fragilen Wirtschaft (und ihren Wählern) nicht zumuten. In diesem Sinne prüft die sonst als unzimperlich geltende IRCJ, wie der verschachtelte Konzern sozial und ökonomisch halbwegs verträglich entflochten werden kann. Erst in einer zweiten Sanierungsrunde ab nächstem Frühjahr könnten private Investoren zum Zug kommen, um Konzernteile herauszulösen, zu sanieren und weiter zu veräussern. Genau das aber wird tiefe Einschnitte im Personalbestand bedeuten. Nach Schätzungen der Gläubiger sind 27 000 Daiei-Stellen in Gefahr. Zudem werden die Steuerzahler und die Kleinaktionäre zur Ader gelassen. Aber auch die geplante Alimentierung durch den Staat stösst auf Kritik: Für die linksliberale Zeitung «Asahi» gibt es keinen Grund, Gesellschaften mit öffentlicher Hilfe am Leben zu erhalten, die ihre Wettbewerbsfähigkeit verloren haben. Das widerspreche den Reform- und Erneuerungsplänen Japans. Ein Interessent an Daiei ist der grösste Detailhändler der Welt, der US-Konzern Wal-Mart. Sollte er zum Zug kommen, entstünde der grösste Detailhändler Japans, zumal Wal-Mart bereits 37% an der Supermarktkette Seiyu kontrolliert und laut Spekulationen den Japan-Ableger des französischen Hypermarkts Carrefour übernehmen will. Die Franzosen, die als erste Ausländer den komplizierten Binnenhandel Japans knacken wollten, möchten sich nun nach nur wenigen Jahren aus diesem schwierigen Markt wieder zurückziehen.
Aus http://www.tagblatt.ch/index.jsp?artikel_id=971697&ressort=wirtschaft
J
|