-->Gibt es ein Gottes-Gen?
Glaubensforschung im Labor: Ein amerikanischer Biologe will das erste Gen des Glaubens lokalisiert haben und macht sich Feinde
von Ingrid Kupczik
Johannes B. Kerner, Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust und Fürstin Gloria von Thurn und Taxis bekennen sich zu ihrem Glauben an Gott. In einem neu erschienenen Sammelband plaudern sie aus, daß sie vor dem Einschlafen beten, wann sie Stoßseufzer zum Himmel schicken und ob sie gelegentlich in der Bibel schmökern. Nicht nur Kerner und Co. haben das Bedürfnis zu glauben. Menschen aller Kulturen sehnen sich nach Transzendenz, nach einer übergeordneten Macht, die ihre Geschicke lenkt. Was aber, in Gottes Namen, bringt den vernunftbegabten Menschen dazu, an etwas zu glauben, das er weder sehen noch hören, fühlen, riechen oder schmecken kann? Der britische Physiker und Theologe John Polkinghorne sekundierte: Man könne Glauben nicht auf den kleinsten gemeinsamen Nenner des genetischen Überlebens minimieren, das sei"kläglicher Reduktionismus".
Ein Vorwurf, mit dem sich auch die Neurowissenschaftler auseinandersetzen müssen. Sie wollen es genau wissen: Was geschieht im Gehirn bei religiöser Ekstase? Beim Gebet? Einem Nahtod-Erlebnis? Spirituelles Erleben wird seziert wie Depression, Schizophrenie und andere Mentalprozesse. Eine eigene Fachrichtung hat sich herausgebildet,"Neurotheologie", die sich mit den neuronalen Grundlagen des Glaubens befaßt. Offenbar kein Sakrileg. Viele Theologen zeigen"eine große Bereitschaft, auf die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse einzugehen", so die Erfahrung von Professor Wolfgang Walkowiak, Leiter des Forschungsprojekts"Neurale Basis komplexen Verhaltens" an der Universität zu Köln.
Befördert wurde die Neurotheologie durch die modernen bildgebenden Verfahren. Mit Kernspin- oder Spect-Tomographie lassen sich Vorgänge im menschlichen Gehirn elegant ablesen. Andrew Newberg von der University of Pennsylvania bewies das eindrucksvoll, als er vor drei Jahren"Glaubens-Areale" im Gehirn von buddhistischen Mönchen und Franziskanernonnen lokalisierte. Newberg hatte die Gehirne seiner Testpersonen gescannt und festgestellt: Je tiefer die innere Versenkung der Testpersonen, desto stärker durchblutet - und somit aktiver - wurden Areale im Stirnlappen, wo die Aufmerksamkeit gesteuert wird, sowie im Schläfenlappen, wo unterschiedliche Sinneseindrücke zu einer Einheit verarbeitet werden. Auffällig war auch, daß bei Mönchen während der Meditation ein Areal im Scheitellappen völlig stumm blieb, das normalerweise unentwegt feuert. Dieses Zentrum ist zuständig für die Einordnung der eigenen Person in Raum und Zeit. Ziel des Buddhisten ist es, genau diese Dimensionen mit Hilfe der Meditation zu verschmelzen und somit eine Auflösung des Ichs zu erreichen. Newbergs Studie lieferte erstmals die physiologische Erklärung für dieses Phänomen.
Spirituelles Erleben beeinflußt die Hirnaktivität - und umgekehrt. Das belegen die Experimente des kanadischen Neurowissenschaftlers Michael Persinger, der Testpersonen mit"transkranieller Magnetstimulation" behandelte, einem bei Epilepsie, Parkinsonscher Krankheit oder Depressionen eingesetzten Verfahren, mit dem gezielt Hirnareale in ihrer elektrischen Aktivität beeinflußt werden. Persinger reizte bei seinen Testpersonen den rechten Schläfenlappen, ein Gebiet, von dem man weiß, daß es bei Epilepsie-Patienten infolge einer Übererregung spirituelle Erlebnisse auslösen kann. Auch Persingers gesunde Probanden berichteten nach der Hirnstimulation von transzendenten Erlebnissen.
Nur Menschen können glauben. Die Fähigkeit dazu habe sich im Verlauf der Evolution herausgebildet, parallel zur allmählichen Ausformung des Ich-Bewußtseins, sagt der Kölner Experte Walkowiak. Die einzigartige Fähigkeit, Handlungen bis weit in die Zukunft zu planen, sei aber gekoppelt an die Erkenntnis der eigenen Vergänglichkeit."Das ruft Ängste hervor, die mit Hilfe des Glaubens überwunden werden können."
Artikel erschienen am 28. November 2004
http://www.wams.de/data/2004/11/28/366739.html
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