-->Ich habe mich noch mal hier her verirrt und was sehe ich? Das blanke Elend
Eigentlich sollte man sich stillschweigend voller Grausen abwenden... aber das ist ja so schlimm, daß ich glatt doch noch einmal einen Beitrag hier verfasse.
Statt sich im Unglück zu Suhlen könnte man ja auch mal einen Blick über der Tellerrand werfen... und vielleicht in eine Zeitung schauen:
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Er war ein erfolgloser Pekinger Architekt. Dann hängte er Bilder von Berlin ins Büro. Er sagte, er vertrete eine deutsche Baufirma. Und alles wurde gut
PEKING, im April."Wie gesagt, alles sehr deutsch hier", erklärt Wu Zhensong immer wieder, wenn er Gäste durch sein Büro führt. Auf seinem Schreibtisch hat er ein deutsches Fähnchen aufgestellt, daneben ein Stück Berliner Mauer und ein Messingschild, das ihn als Pekinger Geschäftsführer eines Frankfurter Architektenbüros ausweist. An den Wänden hängen Bilder deutscher Hauptstadtarchitektur: die Reichstagskuppel, der Potsdamer Platz, das Kanzleramt, das Außenministerium bei Nacht."Die Deutschen wissen, wie man eine moderne Stadt baut", sagt Wu und ist dabei so stolz, als habe er Berlin selber entworfen. Dann klopft er an die halboffene Tür zum Nachbarzimmer. Zwei junge Männer grübeln dort über ausgebreiteten Bauzeichnungen."Unsere Partner aus Deutschland", stellt Wu sie vor. Die jungen Deutschen grüßen kurz, überreichen Visitenkarten und machen sich wieder über die Pläne her."Wahnsinnig fleißig und gewissenhaft", flüstert Wu und führt seine Besucher leise aus dem Raum."Wie gesagt, alles sehr deutsch hier."
Wus Begeisterung für Deutschland ist nicht gespielt. Der Rest allerdings schon. Die Frankfurter Firma, die Wu in China vertritt, existiert nicht. Die beiden deutschen Bauplaner haben von Architektur keinen blassen Schimmer. Sie studieren in Peking Chinesisch und bekommen von Wu jedes Mal 100 Euro, damit sie sich vor seinen Gästen über Zeichnungen beugen oder bei Präsentationen die deutschen Partner mimen. In Berlin war Wu noch nie. Das Mauerstück stammt von einem Pekinger Schutthaufen.
Trotzdem fühlt der Mann, den wir hier Wu nennen, sich nicht als Betrüger. Eher als Verpackungskünstler. Jahrelang versuchte der 36-Jährige vergeblich, als Architekt ins Geschäft zu kommen. Doch erst seitdem er sich als Repräsentant eines deutschen Büros ausgibt, hat er Erfolg."Wenn ich einen Entwurf als meinen eigenen präsentiere, schaut keiner hin", hat er gelernt."Aber wenn ich sage: Das hat ein Deutscher gemacht, dann sind alle begeistert. Chinesische Bauherren haben von Architektur keine Ahnung. Es geht nur um die Show."
Denn"Made in Germany" ist ein Gütesiegel, das in China noch viel wert ist. Deutschland, das hier"Land der Tugend" heißt, steht für Qualität, Zuverlässigkeit und technischen Fortschritt. Volkswagen hat zwar zur Zeit Probleme, doch BMW, Mercedes, und Siemens gehören in China zu den bewunderten Marken. Und es geht um mehr als Autos und Maschinen. Chinesen bewundern Beckenbauers Eleganz, Einsteins Intellekt und Kohls Leibesfülle. Kaum ein Volk ist den Chinesen so sympathisch wie das deutsche.
Auch Wu Zhensong ist schon lange ein Deutschlandfan. Als er Anfang der Neunziger an der berühmten Tsinghua-Universität in Peking Architektur studierte, begeisterte ihn das Bauhaus."Diese Zeitlosigkeit und Funktionalität ist genau das, was wir in China brauchen", glaubte er."Unser Zeitgeist hat unseren Städten nicht gut getan." Mao hatte im revolutionären Überschwang verlangt, über der ehemaligen Kaiserstadt Peking müssten zehntausend Schornsteine rauchen. Die traditionellen Hofhäuser mussten Fabriken, Wohnkasernen und Volkspalästen weichen. Als China in den Neunzigern den kommunistischen Einheitslook abzuschütteln versuchte, kamen unbeholfene Variationen westlicher Moderne in Mode: Spiegelglaspaläste mit chinesischen Dächern, Wohnschlösser mit Erkern und Türmchen, Shoppingmalls im griechisch-römischen Stil."Grauenvoll", klagt Wu."Zur gleichen Zeit, als Deutschland für seinen Hauptstadtumzug die besten Architekten der Welt holte, wucherte Peking einfach vor sich hin."
Nach seinem Abschluss bewarb Wu sich beim Pekinger Stadtplanungsbüro. Ohne Erfolg. Daraufhin eröffnete er mit seiner Frau ein eigenes Architekturbüro. Doch Wus strenge Bauhausadaptionen passten nicht zum neureichen Geschmack. Außerdem wurden die meisten Aufträge unter der Hand vergeben. Selbst bei öffentlich ausgeschriebenen Wettbewerben entschieden am Ende politische Beziehungen oder Schmiergelder über den Zuschlag. Wu und seine Frau, die nicht in Peking aufgewachsen waren, verfügten über kein Kontaktnetz, geschweige denn Geld. Sie schlugen sich mit schlecht bezahlten Zeichenaufträgen für große Büros durch. Nicht immer wurden sie bezahlt. Der Aufschwung drohte an ihnen vorbeizugehen.
Bis die Deutschen kamen. 2002 traf Wu bei einer Messe in Peking zwei Mitarbeiter eines kleinen Münchner Büros. Die beiden Männer wussten, dass deutsche Großarchitekten in China gewaltige Projekte realisierten. In ihrem Fahrwasser wollten auch die Münchner einen Ausweg aus der Krise des deutschen Bauwesens finden. Der junge Wu, der Berlin und das Bauhaus liebte und passabel Englisch sprach, gefiel ihnen. Er machte ihnen Termine bei chinesischen Bauherren, die sich gerne mit dem Markenzeichen"Made in Germany" schmücken wollten. Die Deutschen besichtigten Baustellen und fertigten Entwürfe an. Ein Geschäft wurde jedoch nicht daraus. Die Honorarvorstellungen der Deutschen überstiegen die Zahlungsbereitschaft der Chinesen. Außerdem wollten die Bauherren höchstens die deutschen Pläne kaufen, die Bauumsetzung aber selber ausführen. Die Deutschen reisten enttäuscht ab.
Doch Wu hatte eine Idee. War er mit seinen eigenen Entwürfen nie weit gekommen, so standen ihm mit dem Prädikat"Deutschland" plötzlich alle Türen offen. Deutsches Image zu chinesischen Preisen, das müsste eine Marktnische sein, dachte er sich. Er druckte Visitenkarten mit einem erfundenen Firmennamen. Einen Berlin-Kalender, den ihm die Münchner als Gastgeschenk mitgebracht hatten, zerschnitt er und hängte die Fotos in Wechselrahmen an die Wand. Und er suchte sich deutsche Studenten, die er für seine Termine anheuerte."Kein Wort Chinesisch sprechen", bläute er ihnen ein. Wer Architektur studiere, habe keine Zeit, auch noch Chinesisch zu lernen. Und wenn Deutsche etwas machen, dann richtig. Wer beides könne, sei unseriös.
"Viele Chinesen vertrauen den Ausländern und misstrauen sich selber", sagt Wu. Dahinter stecken, so erklärt es der Architekt, persönliche Unsicherheit und ein nationaler Minderwertigkeitskomplex. Die Schmach der kolonialen Unterdrückung haben die Chinesen noch nicht verwunden. Im 19. Jahrhundert zwangen die westlichen Imperialmächte das Kaiserreich in die Knie, im Zweiten Weltkrieg besetzten es die Japaner. Das Reich der Mitte verkam zum Drittweltland. In Chinas Stolz auf seine 5000-jährige Zivilisationsgeschichte mischte sich Selbsthass. Das Fremde war gut, das Eigene schlecht. [ Kommt mir irgendwie bekannt vor ;) ]
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Wu steht mit seinem Geschäft allerdings gut da. Als deutsches Büro wurde er schon bald in die Endrunde eines Wettbewerbs für die Neugestaltung einer Pekinger Hauptstraße eingeladen. Sein Entwurf war eine auf anderthalb Kilometer Länge gestreckte Kopie der Berliner Abgeordnetenbüros, dem Paul-Löbe-Haus."Das war kein Plagiat", verteidigt er sich,"eher eine Hommage an Berlin." Den deutschen Studenten, die für ihn Architekten spielen, schrieb er eine kleine Rede, die den Bauherren und Stadtplanern einen Crashkurs in moderner Architektur geben sollte. Er ließ sie über die Ehrlichkeit der klaren Form reden, die Ausdruckskraft des Einfachen und dass weniger manchmal mehr ist.
Die Juroren waren beeindruckt und setzten Wu auf den zweiten Platz. Sein Wettbewerbshonorar betrug mehr, als er je zuvor verdient hatte. Doch noch wichtiger: Man erinnerte sich an ihn. Ein Geschäftsmann aus Dalian ließ sich von ihm eine Luxusvilla bauen. Die Universität der Nachbarstadt Tianjin bat ihn um einen Plan für eine Campus-Erweiterung. Mit dem Militär verhandelte er über einen Kasernenbau. Seinen größten Coup landete er jedoch vergangenen Sommer: Er gewann den Zuschlag für einen Baukomplex in Pekings neuem Geschäftsviertel, dem Central Business District. Die Anlage umfasst drei vierzigstöckige Hochhäuser sowie eine Shoppingmall."Der Auftraggeber war schon mehrmals selber in Deutschland gewesen", erinnert sich Wu an die entscheidende Sitzung."Er sagte immer wieder: Ja, man sieht sofort, dass das ein Deutscher entworfen hat."
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daher ist es http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/seite_3/443068.html
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[b]Aber... darf man denn hier eine solche pragmatische, um nicht zu sagen"obszöne", Einstellung zum Leben haben?
Forums-konformistisch sollte man das Ganze besser sofort wieder Verdrängen und seine Energie"besser" in Dreckschleudereien und dumpfe Verschwörungs-Szenarien investieren *ironie* ( könnte hier doch glatt nicht als soche erkannt werden! )
Zudem wird Elli schon mit seinen"feinfühligen" Pfählungen... äh.. ääh seinen gelben und roten Karten dafür sorgen, daß helle Köpfe mit vernünftigen Ansichten hier ganz schnell wieder verstummen/verschwinden - dann herrscht wieder depressive Ruhe im Forum
"Gut Verschwörung" allerseits
J *kopfschüttelnd*
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