-->Deutschland drohen noch viele Jahre der Stagnation - man sei in den Fußstapfen Japans getreten
E. Grandlinger,"Politischer Analyst" und Partner bei der"EPM-Group", London kommentiert in der heutigen Tagepresse, dass ein trefflicher nationaler Vergleich um eine Dimension reicher geworden sei: Deutschland sei nicht nur in wirtschaftlicher, sondern nun auch in politischer Hinsicht in die Fußstapfen Japans getreten.
Der mächtigste Unwillen zu notwendigsten Reformen, den die Bundesbürger bei der zurückliegenden Wahl bekundet hätten, machten die zeitversetzten Parallelen mit Nippon noch markanter.
Die Symptome der „japanischen Krankheit“ seien eindeutig.: Eine anhaltende wirtschaftliche Wachstumsschwäche durch selbstverschuldete Strukturdefizite führe zu weiter steigenden Arbeitslosigkeit, deflationären Tendenzen setzten dem Finanzbereich zu und vor dem Hintergrund der schwachen Binnennachfrage lege lediglich die staatliche Verschuldung massivst zu.
Die Kehrseite der schwachen Binnennachfrage seien die Exportüberschüsse. Weil die Japaner und die Deutschen mehr produzieren als sie konsumierten blieben sie notgedrungen gemeinsame Exportweltmeister, zumal sie relativ wenig importierten.
Nur dank anderer Länder mit besserer Binnenkonjunktur hielten sich diese beiden Länder einigermaßen über Wasser. Die Aktienbörsen widerspiegelten die Malaise augenscheinlich: Der Nikkei liege jetzt noch immer 65 Prozent unter seinem Hoch, und auch der Dax notiere trotz einer Verdoppelung noch 40 Prozent unter Höchststand. Politische Börsen könnten eben doch sehr lange Beine haben.
Auch Japan hätte seit Beginn der 90er Jahre fast ausschließlich mit Negativ-Schlagzeilen brilliert, was das Thema"notwendige Reformen" betroffen habe. Der politische Stillstand wäre ein Hauptgrund für die viele Bereiche durchsetzende Stagnation des Landes gewesen, welches Japan vom Musterknaben zum Sorgenkind der Weltwirtschaft hätte verkommen lassen.
Somit bestehe jeder Grund zur Annahme, dass auch Deutschland noch sehr, sehr viele"japanische Stagnationsjahre" vor sich habe, währenddessen Japan selbst allmählich wieder in einen langen Bullenzyklus eingetreten wäre. Und schließlich teile Deutschland mit Japan auch ähnliche deprimierende Perspektiven. Schlimmer noch für die Deutschen, legten sie doch noch weniger Arbeitseifer in fortgesetztem Alter an den Tag, als die Japaner: In Japan arbeiteten noch wenigstens über 60 Prozent der 55-64jährigen, in Deutschland seien es nur weniger als 40 Prozent. Das könne à la longue noch weitere gravierende Probleme mit sich bringen.
Wie lange könnte diese Durststrecke für Deutschland dauern? In Japan seien erste echte Hoffnungsschimmer erst seit wenigen Monaten auszumachen. Mit der Wiederwahl von Koizumi, der sich mit der Privatisierung des riesigen Postmonopols viele Feinde geschaffen habe, hätten die Japaner erstmals nach sich ätzend dahin schleppenden Jahren ein eindeutiges"Ja" zu Reformen kund getan. Diese Woche nun, fünf Wochen nach der Wiederwahl habe das Unterhaus die Reform endlich abgesegnet. Dafür habe es über 10 Jahre Stillstand gebraucht.
In Deutschland stehe nun schon seit Mai das Regieren und damit die Räder still, und es werde nun noch Wochen, ja Monate brauchen, bis eine neue Regierung überhaupt die ersten Gesetzgebungsverfahren einleiten könnten. Und da wir alle wüssten, dass eine große Koalition nur eine Veranstaltung auf Zeit sei, werden wir früher oder später weitere lange Zeit verlieren. So werde sich Deutschland weiter durchwursteln wie ehedem Japan, bis auch der allerletzte Gewerkschaftler kapiert habe, dass es so nicht weitergehen könne.
|