-->Hi popeye,
danke für Deine interessante Antwort.
mit Deinen Argumenten für ein rechtsstaatliches Fundament rennst Du bei mir offene Türen ein.
Ich stimme in diesem Punkt voll und ganz mit Dir überein. Eine funktionierende Geld- und Kreditwirtschaft und funktionierende Märkte setzen einen Rechtsstaat mit einem zivilen Vertragsrecht, dessen Durchsetzbarkeit auch institutionell flächendeckend sichergestellt ist (Amtsgerichte und Polizei in jedem größeren Ort etc.), voraus; zusätzlich geklärte und dokumentierte Eigentumsverhältnisse (Grundbuch- und Katasterämter).
Eigentumsverhältnisse zu dokumentieren und festzuschreiben (zu „formalisieren“), wie De Soto das tut, ist notwendig, reicht aber nicht hin; obiges muß dazukommen, und von allererster Wichtigkeit dafür ist ein ziviles Schuldrecht inclusive des Prinzip der Vermögenshaftung (Haftung mit Vermögen für Schulden aus Verträgen), das überhaupt erst die „accountability“ von Vertragspartnern sicherstellt. Ohne dieses können überhaupt keine zentralbankfähigen privaten Schuldtitel geschaffen werden. Das Rechtssystem bildet die Grundlage der Ã-konomie und muß zuerst da sein, punktuelle Hilfen und Geldzuwendungen an Entwicklungsländern sind ohne dieses Fundament langfristig unwirksam --- volle Zustimmung; ich hatte mich dazu in diesem Forum früher mal geäußert ( hier und hier ); unter anderem Aspekt auch hier.
Die Schaffung solcher Institutionen wäre ein notwendiger erster Schritt für ein Entwicklungsland, keine Frage. Und auch Deinem Hinweis, daß man in dieser Frage gar nicht prinzipiell genug denken könne, stimme ich völlig zu. Und daß Dein Microcredit-Projekt an einer Mafia scheiterte, die mit der Abpressung von Schutzgeldern begann, zeigt ja, daß man vermutlich auch ein funktionierendes Strafrecht brauchen wird.
Daher ist für mich die Frage: wie genau fand der Transformationsprozess von einem Feudalsystem zu einem bürgerlichen Rechtsstaat inclusive der von Dir genannten und oben von mir aufgelisteten Fundamente dort, wo er erfolgreich vollzogen wurde, im einzelnen statt? Welches waren die kritischen Faktoren, die zum Erfolg führten? Diese Fragen müßten vergleichend untersucht und schlüssig beantwortet werden, um eine Grundlage für einen Entwurf für erfolgreiche Reformprogramme für Entwicklungsländern zu erhalten.
Und DeSoto hat ja genau das getan - er hat diesen Prozess v.a. an den Beispielen der USA und Japans untersucht siehe und daraus Schlüsse für das Reformprogramm des ILD gezogen.
Ich finde es sehr interessant, daß Du auf dem Feld des Microcredit tätig warst und jetzt erkennst, daß diese Tätigkeit ohne ein rechtsstaatliches und zivilrechtliches Fundament (letzteres etwa analog unserem BGB) perspektivlos bleibt. Hast Du noch Kontakt zu entwicklungspolitisch Aktiven, und setzt sich diese Einsicht dort langsam durch? Oder ist sie noch immer weithin unbekannt?
Kennst Du DeSoto und sein Buch „The Mystery of Capital“ und was hältst Du davon - wie beurteilst Du es im Kontext theoretischer Ansätze wie dem von Heinsohn/Steiger und dottore?
Ich habe mich der Fragestellung aus einer mehr theoretischen Perspektive („Wie funktioniert Modernisierung?“) angenähert, und mir fiel es anfangs schwer, zu glauben, wieviele Schwierigkeiten die Ã-konomie mit Grundbegriffen wie Eigentum, Vertrag und Geld hat und wie wenig sinnvoll der gesamte Theoriebildungsprozess im Hinblick auf entwicklungstheoretischen Fragestellungen war (vergleichende Ansätze fehlen fast völlig - mit Ausnahme von Marx und jetzt H/S mit ihrer 3-er Typologie Stamm, Feudalismus, Eigentumsgesellschaft).
Heute weiß ich, daß bestenfalls eine Handvoll Ã-konomen überhaupt ein einigermaßen klares theoretisches Bild vom Zusammenhang zwischen zivilem Rechtsstaat, Kreditwirtschaft und Modernisierung hat, und die „debitisten“ zählen dazu; außerdem Heinsohn/Steiger, vielleicht ein paar Postkeynesianer, und DeSoto.
Daher frage ich mich, wäre es nicht sinnvoll, entsprechendes Wissen zu bündeln und mal im Hinblick auf entwicklungspolitische Fragestellungen zu durchdenken. Erste">http://www.metropolis-verlag.de/cgi...katalog.cgi?r=6&id=483]Erste Ansätze dazu gibt es ja. Meine entsprechenden Fragen ans Forum (hier und hier) haben bisher nur wenige Antworten nach sich gezogen, anscheinend haben sich noch nicht viele Forumsteilnehmer in dieser Hinsicht Gedanken gemacht.
Ich frage mich aber, ist die Frage, wie Entwicklungsländern den Weg in die Geldwirtschaft erfolgreich gehen könnten, nicht eine der wichtigsten Fragen der Gegenwart (Gründe für diese Einschätzung hier )? Wie siehst Du das als ehemals"im Feld" tätiger?
Und nochmals zu meiner Infragestellung"prinzipiellen" Denkens: Meine Frage dazu bezog sich nicht auf den Rechtsstaat, bei dem - ganz wie Du schreibst - tatsächlich prinzipiell, d.h. abstrakt-allgemein gedacht werden muß, sondern auf folgenden Satz:
Deswegen glaube ich auch, dass Revolutionen letztendlich nichts, außer dem Austausch von Machtsystemen bringen werden - jedenfalls solange wir uns nicht für ‚Freiheit vor Gleichheit’ entschieden haben.
Mir schien dies auf einer abstrakten Ablehnung von „Macht“ zu beruhen, und ich habe da heraus- bzw. besser hineingelesen (meine Interpretation!):"da wir ja sowieso nichts anderes hinbekommen werden als einen Austausch eines Machtsystems durch ein anderes, können wir es auch gleich bleibenlassen und die Hände in den Schoß legen".
Ich hatte deshab versucht, dagegen ins Feld zu führen, daß ein solcher „Formwechsel der Macht“ dann, wenn es in einem Entwicklungsland zu einer funktionierenden Eigentumsgesellschaft käme (daß das möglich wäre, zeigen ja Vorbilder, die dies erreicht haben), doch insgesamt - bezogen auf zwei zentrale Probleme der gegenwärtigen globalen Lage, nämlich Schuldenkrise und Youth Bulge - trotzdem aufs Ganze gesehen zu positiven und wünschenswerten Resultaten führen könnte (nämlich beschleunigter Geburtenrückgang, Arbeitsplätze für die „überzähligen jungen Männer“, die damit tendenziell befriedet würden, und einen Nachfrage- und Konjunkturschub für die kriselnden westlichen Ã-konomien).
Was Du zu Freiheit und Gleichheit sagst - auch da kann ich Dir nur zustimmen. „Gleichheit“ kann für mich sinnvollerweise nur „Gleichheit vor dem Gesetz“ bedeuten: jeder wird - unabhängig von seiner Herkunft etc. - vor dem Gesetz gleich behandelt und hat gleiche Rechte; diese Idee liegt ja auch z.B. dem gesamten BGB zugrunde (Idee der „Rechtsperson“ und Struktur des BGB). „Materielle Gleichheit“ - gleiches Einkommen für alle und ähnliches - kann man vergessen; und die wirtschaftliche Aktivität des Staates muß man einschränken, wenn man sie auch nicht ganz beseitigen kann und sie - weise genutzt - auch positive Aspekte haben kann; aber gerade hier ist ein gefährliches Einfallstor für antifreiheitliche, quasi-feudale sozialistische Rationalität, das sehe ich genauso wie Du. Aber dieser Konflikt ist wohl dem System inhärent und muß immer wieder neu ausgekämpft werden.
Aber zurück zur Entwicklungspolitik: was mich brennend interessieren würde wäre: bist Du - als altgedienter Microcredit-Entwicklungspraktiker - der Überzeugung, daß neue theoretische Entwicklungen wie H/S, DeSoto, Machttheorie etc. auf diesem Feld etwas bewegen könnten? Arbeitest Du daran? Siehst Du auf dem Feld der Entwicklungspolitik (das ich nicht von innen kenne) ein Bewußtsein für die Problemstellung (Notwendigkeit einer eigentumsmäßigen, rechtsstaatlichen und zivilrechtlichen Fundierung für geldwirtschaftliche Entwicklung/Modernisierung, Perspektivlosigkeit von quasi-sozialstaatlichen entwi-politischen Hilfsmaßnahmen etc.)? Oder wird da eher noch immer die Neoliberalismuskeule rausgezogen und losgedroschen?
Gruß
moneymind
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