Gern, lieber Freund,
auch wenn ich noch immer schwer im Umzugsstress stecke.
Das Kanonische Zinsverbot kam justament im 12. Jh. auf, vgl. dazu diese kleine Einführung aus dem www., wie sie heute als"Standard" gilt, aber fast in keinem Satz stimmt:
Das Kanonische Zinsverbot
Die Juden hatten, wenn sie sich nicht taufen lassen wollten, kaum die Möglichkeit, Land zu erwerben. Außerdem verbot die Kirche nur jüdischen Großgrundbesitzern, christliche Sklaven zu beschäftigen. So wurde im Laufe der Zeit eine Bewirtschaftung des Bodens durch Juden unmöglich gemacht. Sie verkauften ihre Ländereien und legten meist ihr Geld im Handel an.
Jedoch gaben die Juden im Gefolge der Kreuzzüge ihre Rechte, Handel zu treiben, an die Städte ab. So wurden sie auf einen neuen Zweig der wirtschaftlichen Betätigung abgedrängt, der das Bild der Umwelt von ihnen bis in unsere Zeit mitbestimmen sollte.
Bis zur Jahrtausendwende spielte die Geldwirtschaft allgemein keine große Rolle; der Ein- und Verkauf von Produkten und Waren wurde gewöhnlich auf dem Wege des Tauschhandels geregelt. Mit dem Ausbau des Orienthandels durch die italienischen Städte wurden riesige Kapitalien gebunden, die dem Binnenmarkt verloren gingen. Christliche Geldgeschäfte waren zu dieser Zeit an der Tagesordnung. Das von Papst Alexander III. 1179 zugestandene Recht, dass Juden gegen Zinsen Geld leihen dürften (" Wucher"), wurde 1215 bestätigt, als Innozens III. ein an die Christen gerichtetes Verbot der Zinsnahme erließ, das als"Kanonisches Zinsverbot" bekannt geworden ist. Allein die Tatsache, dass die Juden Zinsen nahmen - in welcher Höhe auch immer -, machte sie allseits höchst unbeliebt. Somit hat keine Maßnahme, kein Gesetz die Juden in Europa so sehr in ihrem sozialen Status beeinflusst und geprägt wie das immer wieder neu verkündete, neu formulierte"Zinsverbot", welches seinen Ursprung im Alten Testament hatte. Nicht nur die Bauern, auch die Bürger in den Städten lehnten die Zinsnahme als unsittlich ab. Sie nahmen für ihre Produkte feste Preise, die ihnen den Lebensunterhalt sicherten, und standen dem Zuerwerbsdenken fremd gegenüber. Da andererseits die mittelalterliche Sozialordnung nicht bereit war, Juden in Zünfte, Gilden und Korporationen aufzunehmen, blieb den Juden nur der Handel mit Trödel und verfallenen Pfändern, der ihnen wiederum den Vorwurf der gemeinsamen Sache mit Dieben und Mördern eintrug. Sie konnten auch keine Innung von Geldwechslern und Geldverleihern bilden. Der Kaiser und andere Machthaber gaben ihnen Privilegien und Konzessionen. Im Gefolge der Pestjahre 1348/49 wurde jedoch die Finanzkraft der Juden derart geschwächt, dass die jüdische Geldleihe an Bedeutung verlor. Die großen Finanztransaktionen verlagerten sich auf weltbekannte Handelshäuser, die mit ihren Silber- und Kupferbergwerken selbst den bedeutendsten Anforderungen nachkommen konnten. Erneut hatte sich der Zyklus erfüllt, der mit jüdischen Schrittmacherverdiensten begann und mit Vertreibung und Mord endete.
An dem Ganzen - die Urquelle des Zinsverbots sind die Decretale des Gratianus - stimmt so ziemlich überhaupt nichts, aber es wird heute als ultimativer Standard gelehrt.
Tatsächlich sollte der Wucherer in das Fegefeuer fahren und dort die Höllenqualen schmecken. Um sich davon loszukaufen, wurde der Ablass"erfunden". Dazu gibt es zwei vorzügliche Bücher von Jacques LeGoff (Entstehung des Ablass und Wucherzins & Höllenqual), dem führenden MA-Forscher.
LeGoff bringt beides allerdings nicht so recht zusammen, sondern sieht sie als getrennte Erscheinungen. Wer sich die Kapitelle romanischer Kirchen anschaut (Moissac!), sieht sehr schön, wie der arme Wucherer auf sein Los vorbereitet wurde.
Zinsverbot gabs also in dem Sinne, dass der"Wucher" verboten war - nur im Kanonischen, also kirchlichen - Recht, im weltlichen finden wir nichts darüber (Sachsenspiegel, Schwabenspiegel usw.). Und dies eben, um eine"Sünde" zu konstruieren, die wiederum nur durch entsprechende Zahlungen zu löschen war.
Der Zins, so haben es Zinsforscher (u.a. Bentham, Homer) ist ein Konstante der Geschichte und zinsfreies Leben & Treiben gab's nicht. Dazu gibt's für das spätere MA schöne Dokumente (u.a. das Datini-Archiv, das vor ein paar Jahren gefunden wurde). Ken Follett hat in seiner"Die Säulen der Erde" (oder wie der Schinken heisst, aber sehr schöne Einarbeitung von Quellen!) sehr ausführlich beschrieben wie damals gehandelt wurde, es gab sogar schon Future-Geschäfte, z.B. der Kauf von Wolle, die erst ein Jahr später geschoren wurde.
Bekanntlich ging schon im 13. Jh. Eduard von England pleite, weil er die Kredite der Lombarden nicht bezahlen konnte, danach fallierten die Häuser der Bardi und Peruzzi in Florenz und viele andere mit.
Die schlimmsten"Wucherer" waren übrigens nicht etwa die"Juden", sondern die"Caorsinen" - die Einwohner des kleinen Städtchens Cahors in SW-Frankreich.
Also Geschäfte wie eh und je. Die Juden hatten übrigens vor allem das"Geld" (was sie dann verliehen), weil sie keinen Grundbesitz erwerben durften und keine Grundherrschaft kaufen. Nicht etwa, weil sie"Böses" wollten,"wuchern" eben. Selbstredend gabs hervorragende jüdische Handwerker (das mit dem Zunftverbot kam erst viel später) und noch Maximilian ("der letzte Ritter") hatte als Chefvertrauten einen jüdischen Diplomaten, der er in schwierigsten Missionen rumschickte.
Unstreitig sind die Pogrome, z.B. der Nürnberger Christkindl-Markt steht auf einem ehemalige jüdischen Viertel, aber das nur am Rande.
Die großen Leistungen der Baukunst wurden über Angaben ex ante finanziert (also die üblichen Abgaben, die Kirchen und Klöster kassierten, vor allem, nachdem sie sich hatten das Eigentum - zur Rettung des Seelenheils - überschreiben lassen) oder ex post (indem sie dann die Gläubigen bei den zahlreichen Festen und Unmzügen abkassierten).
Ich kann das Ganze nur kurz streifen, freue mich aber auf konkrete Fragen und gehe dann gern in die Details (wenn ich Zeit habe, hoffentlich bald).
Gruß
d.
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